481 - Die Bauern in Innsbruck


nachts war alles wieder still, nur einzelne Bayern schlichen wie verirrte Schafe vorüber und konnten den Weg nicht finden, um den anderen zu folgen." 1) In weitem Halbkreise brannten die Wachfeuer der Bauern, von den Windstössen des wehenden Sirocco zeitweilig zu riesigen Flammen aufgeblasen. 2) Schlaftrunken lagen die kampfesmüden Männer um sie herum, ahnungslos, dass sie dem Feinde den Weg zum Abmarsch beleuchteten.

Mit dem Vorpostendienst mag man es auf tirolischer Seite wohl sehr flau genommen, das Militär sich demselben völlig entzogen haben. Sonst wäre nicht zu erklären, dass Deroys Entweichung so ganz unbemerkt bleiben konnte. Hofers Zentrum gewahrte davon ebenso wenig als der Flügel des rührigen Speckbacher. Sollen ja benachbarte bayrische und tirolische Posten in aller Gemütlichkeit einander zugetrunken haben. Welche Überraschung, als es Tag wurde! Das Nest war leer. Neugierig, vielleicht anfangs noch zögernd, betraten schon in den ersten Frühstunden bäuerliche Trupps die Hauptstadt. Beim Kloster Wilten fragten einige den dort bediensteten Patsch, 3) wo denn die Bayern seien. Wäret ihr gestern gekommen, lautete die Antwort, so hättet ihr ein paar tausend bekommen können. Nur einzelne kleine Piketts, die nicht eingezogen worden, gerieten in die Hände der Bauern. Städtischer Janhagel machte sich an ihre Beraubung. Um 7 Uhr morgens rückten die Passeirer ein, ganz in militärischer Ordnung in Reih und Glied, durchwegs prächtige Gestalten. Auch Ertel hielt bald Einzug mit seinen Soldaten. Sie bezogen die Hauptwache, und unter großem Jubel wurde wieder der kaiserliche Adler angebracht. Wie in den Apriltagen begann sich die Stadt zu füllen. Einzelne Häuser untersuchte man nach etwa zurückgebliebenen Bayern, aber Gewaltakten wehrten die organisierten Schützen. 4) Nur den Mittagstisch baten sich viele Bauern wieder bei den Herrenleuten aus. Fortwährend schoben sich durch die Triumphpforte unter Trommelschlag und Schwegelpfiff neue Scharen nach. In den Strassen herrschte betäubender Lärm, der nur einer augenblicklichen Stille wich, als die Leute beim Ton der Zwölfuhrglocke betend das Haupt entblößten. Nachmittag erschien, Haspinger zur Seite, der Sandwirt, von den Bauern stürmisch begrüßt, von den Städtern „begafft wie ein Wundertier". Die Tracht des großen beleibten Mannes mit dem mächtigen Bart unterschied sich von der seiner Landsleute nur durch den schönen Ehrensäbel, ein Geschenk

1) Knoflach a. a. O.
2) Knoflach zählte mehr als 60 solcher Feuer. Die Größe solcher Feuer lässt sich ermessen, wenn eine einzelne Gemeinde (Gemeinde-Archiv Ampass) für eine Nacht 50 Klafter Holz hiefür in Rechnung stellt.
3) Patsch hatte im Mai nicht mittun können wegen eines Unwohlseins.
4) Die nackten Gestalten im Hofgarten (jetzt am Leopoldsbrunnen) ärgerten einige Bauern und wurden von den Postamenten herabgeschlagen.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 481

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.