485 - Chastelers Abgang


bei weitem nicht stark genug gewesen, die, obgleich geschwächte Division aufzuhalten. 1)

In dem Augenblick, da Deroy sich zum Verlassen Innsbrucks anschickte, hat noch ein General dem Land den Rücken gekehrt, es war Chasteler. Ohne Aufenthalt war er von Bruneck nach Lienz gezogen. Marschall war von ihm befehligt, schnell nachzukommen, es gelte einen Schlag gegen Kärnten zu führen. Die tief ermüdeten Truppen mussten ohne Rastpause vorwärts, bis sie am 24. Chasteler in Lienz einholten. Da Ruscas Franzosen Sachsenburg bedrohten, wurde die Brigade Schmidt nach Oberdrauburg vorgeschoben. Diesem wie dem Rittmeister Banitza, welcher von Sexten aus die Passteige am Kreuzberge zu beobachten hatte, schlossen sich Schützenkompagnien Pustertals an. Tagelang saß Chasteler unentschlossen in Lienz. In Tirol war er, das mochte er fühlen, unmöglich geworden, andererseits lautete noch immer seine Bestimmung, sich im Lande möglichst lange zu halten. 2) Das war auch der Wunsch des Volkes. In lauter und mitunter ungeziemender Weise machte er sich Luft. Wenn der General nicht gutwillig bleibe, hieß es, müsse man ihn überfallen und seine Truppen entwaffnen. In einem Schreiben an Chasteler berief sich die Schutzdeputation zu Innichen auf einen angeblichen Befehl Hofers, welcher den General für vogelfrei erkläre, wenn er nicht ausharre. 3) Besonders ungestüm gebärdete sich Kolb, der mit seiner Art, die Leute zu fanatisieren, gefährlich werden konnte. Dieses Wildwasser jedoch vermochte Chasteler zu stauen. Er überreichte ihm im Namen des Erzherzogs eine Medaille. Und nun war Kolb zu nachsichtiger Behandlung und Beurteilung geneigt, er stellte die Haranguierung der Bevölkerung ein und begnügte sich, in stundenlanger Unterredung den Marquis „aus seiner Niedergeschlagenheit herauszuheben", freilich eine verlorene Mühe. 4)

1) In Unterinntal wollte es mit der Erhebung nicht schnell vorwärts gehen. Pichl (M. K.) notiert vom Zillertal: „30. Mai und die folgenden Tage kamen von tirolischen Hauptleuten viele Aufrufe zum Ausrücken, aber man achtete wenig darauf. Auf einen strengen Befehl Roschmanns beschloss man mitzutun, aber so wenig als möglich zu leisten."
2) Mayrhoffer, Österreichs Krieg, p. 116 mit Hinweis auf einen Befehl des E. Karl an Johann v. 25. Mai.
3) Bericht des Richters Bram 22. Aug. M. St. Journal Lebzelterns. A. J. Rapp schreibt 28. Mai aus Bozen (A. O.): „Die Bayern stehen verschanzt bei Innsbruck und werden um so schwerer geworfen, weil Chasteler mit 4000 Mann bei Lienz die Hand noch immer in den Sack steckt. Man möchte rasend werden über eine solche Untätigkeit."
4) Kolb bestätigt am 2. Juli 1809 dem E. Johann von Chasteler am 28. Mai die Medaille erhalten zu haben. Er fährt dann fort: „Mit dem Urteil über Chasteler bitte ich zu warten, bis ich selbst mit E. H. gesprochen habe. Um den Chasteler gänzlich aus seiner Fassung hinauszuwälzen, wurden die bösesten Intriguen gespielt. Ich habe viel mit ihm verkehrt und mich überzeugt von seinen trefflichen Talenten und Kenntnissen, die aber durch die ihn bemeisterte Melancholie einen vollkommenen Schiffbruch gelitten haben." J. M.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 485

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.