511 - Noch ein Versuch zu einer akad. Legion


Die akademische Kompagnie, welche anfangs Mai in die Scharnitz gezogen, hatte Hormayrs besonderes Wohlgefallen erweckt. Er wünschte, dass sich wiederum eine bilde. Mersi, der gewesene Hauptmann, wurde vom Intendanten dazu aufgefordert. Jetzt, meinte der Angesprochene, wäre die Reihe an einem andern Professor, auch habe so mancher Akademiker die Hochschule schon verlassen. Aber Hormayr, der aus bäuerlichem Munde oft hören musste, warum denn die Herren nicht ausrücken, kam wieder darauf zurück. Es erschien ein Befehl der Intendantschaft, welcher, etwas gar übereifrig, alle waffenfähigen Studenten von 15 bis 60 Jahren zur Organisierung einer Kompagnie aufforderte. Der Ruf erging an die Hochschüler wie an die Gymnasiasten. Den Lehrern kam er sehr unerwünscht; stand man ja eben vor dem Abschluss des Schuljahres, wo es so viele Prüfungen zu machen gab. Gymnasialdirektor Nitsche suchte sich dadurch aus der Schlinge zu ziehen, dass er der versammelten Jugend, wie ihm befohlen, den Aufruf vorlas, aber daran die Mahnung knüpfte, keiner von ihnen werde, auf sich allein bauend, dem Rufe folgen, sondern sich vorher mit gut gesinnten Männern beraten. 1) Der Prorektor rief die Professoren der Universität zusammen. Eine Reihe von Gründen wurde geltend gemacht, welche gegen den Hormayrschen Befehl sprachen. Aber dann erinnerte man sich wieder, dass die Bauern in den bewegten Apriltagen die Universität scheelen Blickes angesehen hatten, einzelne Mitglieder des Lehrkörpers bereits deportiert worden waren. Auch wollte man hindern, dass die Studenten in andere Kompagnien einträten, wo sie zu verwildern drohten. Diese Überlegungen ließen das Wiederaufleben einer akademischen Legion als das kleinere Übel erscheinen, und die Kollegen drangen in Mersi, die Hauptmannschaft abermals zu übernehmen. Da scheiterte diesmal die Sache an den Studenten, deren Kriegseifer geschwunden war. Eine Versammlung derselben, von Mersi berufen, resolvierte, keiner gehe freiwillig, sie wollten nur ausziehen, wenn alle dazu verhalten würden. Dies letztere verlangte auch gemäß der Vorschrift Hormayrs ein neuer Erlass des Distriktskommandos, aber die Schutzdeputation urteilte musenfreundlicher: die Studenten dürften nicht gezwungen werden, „weil dies ein zu teures Opfer wäre", sie sollte man nur im äußersten Fall und nur zum Schütze der Landeshauptstadt selbst heranziehen. Diese Diskussionen füllten die Zeit bis Ende Juli, wo das Einrücken Lefebres ihnen ein Ende setzte. 2)

1) Bericht Nitsches über das Gymnasium während des Aufstandes in M. K. Er setzt bei: „Deutlicher durfte man ohne Lebensgefahr nicht sprechen." Der Gymnasialunterricht hatte in diesem Jahre bereits zwei Unterbrechungen erfahren, vom 12. April bis 15. Mai und vom 25. Mai bis 10. Juni.
2) Mersis Bericht in M. St. Im wesentlichen mit Mersi übereinstimmend Probst, Gesch. d. Univ. Innsbruck p. 282. Über eine Studentenkompagnie, die sich im Mai vor dem Einzuge Lefebres gebildet hatte, s. ob. p. 406.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 511

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.