512 – Utzschneider


Mit der Bildung oder dem Zusammenhalten der Kompagnien hatte es manchmal große Not. Eine Brunecker Kompagnie musste auf ihr ungestümes Drängen vor Ablauf der „verfassungsmäßigen" Dienstzeit von sechs Wochen verabschiedet werden. Die Leute wählten zum Vorwand, man habe sie beim Ausrücken über die Dauer des Dienstes nicht belehrt. 1) In Bozen war das Bürgermilitär nicht einmal zum Dienste in der Stadt zu haben, so dass ein nach den Hausnummern fortlaufender Turnus eingeführt werden musste, um wenigstens für eine dürftige Sicherheitswache und zur Begleitung von Transporten täglich 15 Mann zur Verfügung zu haben. 2)

Das Geschäft der Verteidigungsorganisierung lag in dieser zweiten Periode von Hormayrs Intendantschaft fast ausschließlich in seiner Hand. Die von ihm eingesetzten Deputationen spielten bis auf die letzten Julitage eine sehr untergeordnete Rolle. Giovanelli d. j., dessen Vater der Bozener Deputation vorsaß, weiß von ihr nur zu berichten, sie habe außer der Exekution einiger von Hormayr erhaltener Aufträge und der Schlichtung von Irrungen in Bezug auf die Konkurrenz der Gerichte zum Verteidigungswesen fast nichts zu schaffen gehabt. 3) Und Rapp, eben aus einer Sitzung des Insbrucker Defensionsausschusses kommend, meinte in despektierlichem Tone gegenüber einem Freunde, die Mitglieder seien „lauter Puppen" und nähmen die Sache nicht ernst, einer habe „ganz", ein zweiter beinahe während der Beratung geschlafen, ein dritter die Zeit mit Erzählung von Anekdoten hingebracht. 4)

In diese Wochen fällt jene Kette von Versuchen des bayrischen Salinendirektors Utzschneider, um auf die führenden Persönlichkeiten in Tirol zum Aufgeben weiteren Widerstandes einzuwirken. Sein erstes, so gänzlich verunglücktes Debüt im Mai zu Hall schreckte den geschäftigen Mann nicht ab, es ein zweites Mal zu versuchen, und zwar zunächst mit dem geschriebenen Wort. Er begann eine ausgedehnte Korrespondenz. Wo er eine führende Persönlichkeit wusste, klopfte er an. Von Kempten bis in den Pongau bereiste er die Grenzdistrikte, entsandte von dort seine Briefe und suchte persönliche Verbindungen anzuknüpfen. Die ersten Schritte scheint er auf eigene Faust getan zu haben, aber nach wenigen Tagen sah er sich im Besitz eines königlichen Schreibens, das ihn

1) Ger. Akt. v. Bruneck a. a. O.
2) Hepperger a. a. O.
3) Giovanelli an Dipauli, 12. März 1810. A. D. Über Geldmittel verfügten die Deputationen nicht. Die Diurnen der Bozener Deputation bezahlte Giovanelli aus eigenem Sack, da er es beschämend fand, sagen zu müssen, dass auch dafür kein Geld da sei. Giovanelli d. ä. an s. Sohn Josef. 10. Okt. 1809. A. G.
4) Knoflach a. a. O.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 512

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.