514 - Utzschneiders Sendschreiben


verdienen." Über dieses Verhältnis zu Bayern oder, mit anderen Worten, über die Punkte eines Ausgleiches zwischen Tirol und dem König erstattete Utzschneider an einzelne der von ihm Angesprochenen bereits Vorschläge, deren Verwirklichung beim König durchzusetzen er sich verpflichtete: Allgemeiner Pardon, Unterstützung der durch den Krieg Verunglückten, keine Schädigungen mehr durch das Militär, möglichste Abhilfe gegen alle Beschwerden, tunlichste Berücksichtigung der Forderungen über die Geistlichkeit, Belassung der bestehenden Klöster, Verminderung der Lasten, Besorgung der Militärstellung durch jede einzelne Gemeinde nach dem Maß ihrer Volkszahl, endlich ohne weiteren Aufschub Wahl von landschaftlichen Deputierten gemäß der bayrischen Konstitution. Alle diese Punktationen nahm er in einen Aufruf hinüber, den er am 27. Juni an die „Bewohner Tirols" ergehen ließ. Darin führt Utzschneider alles, was er in den Einzelbriefen angebracht, dem ganzen Volk zu Gemüte. Österreichs Ohnmacht, des Landes sicherer Ruin, die von allen Seiten sich ballenden neuen Gefahren, l) des Königs Milde, der keinen Krieg will mit seinen Untertanen, das alles möge die Herzen der Tiroler erweichen und sie zugänglich machen seinem wohlwollenden Versuche. „Ihr fahrt noch immer fort im Aufruhr gegen Bayern, im Kriege gegen Frankreich, wo soll das hin? Frankreich wird niemals zugeben, dass ihr von Bayern abgerissen werdet!" Die Tiroler werden eingeladen, ihre Vertrauensmänner zu Utzschneider zu senden, um alles festzusetzen, was das Vertrauen zwischen ihnen und dem König begründen kann. In Tausenden von Exemplaren wurden diese Aufrufe über die Grenze geschickt, auch im Pinzgau verbreitet. 2) Vielen Gemeinden wurden sie direkt zugestellt, namentlich die Seelsorger um deren Verbreitung ersucht. 3) Die bayrischen Richter in den Grenzbezirken mussten bei der Sendung behilflich sein und sollten in persönlicher Unterredung auf die bäuerlichen Hauptleute einwirken. Letzteres ließ sich freilich in den seltensten Fällen ausführen, da die Offiziere der Bauern den sie aufsuchenden Beamten absichtlich aus dem Wege gingen. 4)

1) Hormayr und Buol berichten in diesen Tagen an E. Johann, von französischer Seite werde gedroht, Südtirol und Italien zu vereinigen, Nordtirol auf 10 Jahre einer Militärregierung zu unterwerfen.
2) Für das Salzburgische wünschte Utzschneider einen eigenen Aufruf des Generaladministrators. Utzschneider an diesen 29. Juni. M. K.
3) Sendungen von je 25 Exemplaren an die Pfarrer Alan Seidl in Achental, Christian Oppacher in Söll, Benedikt Boiger in Kirchdorf, Innozenz Wörnle in Pillersee, Wishofer in St. Johann, Seb. Koidl in Scheffau mit der Zuschrift (30. Juni): „Sie werden sich ein großes Verdienst erwerben; sobald Tirol offen wird, werde ich Sie besuchen und Ihnen im Namen des Königs danken." Pakete mit je 100 Stück (3. Juli) an die Pfarrer von Ebbs, Kirchbüchl, Wörgl, Kundl, Rattenberg, Schwaz, Hall, Zirl, Telfs, Vomp, Weer, Volders. M. St.
4) So Wallner, welcher sich vom Pfleger in Lofer nie treffen ließ. Werenspachers Tagebuch zum 26. — 30. Juni. Aschbacher in Achental unterhielt einen Briefwechsel mit dem Landrichter in Miesbach, dem Grafen Preysing. Sie schrieben sich sehr höflich. So Aschbacher an den Grafen 29. Juni: (Zuerst über Auswechslung von Gefangenen) „Ich kann Sie versichern, dass die österreichischen Waffen im vollen Siegen sind, die gedruckten Nachrichten davon werde ich Ihnen nächstens zusenden. Nur möchte ich Ihnen so gern an das Herz legen, alle Begebenheiten seit dem Frieden von Pressburg unparteiisch zu übersehen und mit kaltem Blute zu bedenken, Sie würden dann manches rechtfertigen müssen." M. St. Die Seefelder Chronik berichtet zum 5. Juli, dass der Pfarrer vom Landrichter Reisacher in Werdenfels für Utzschneider bearbeitet wurde. Von tirolischen Richtern nennt Hormayr Inama, Rizzi und Bohonowsky, denen Utzschneiders Briefe durch Jäger von der Riss her gebracht wurden.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 514

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.