515 - Utzschneider an Hormayr


Auch an Hormayr wagte sich der schreibselige Unterhändler heran, ein plumpes und bei dem damaligen Hormayr aussichtsloses Manöver. „Es ist mir um das Schicksal Tirols zu tun, Ihres Vaterlandes," so nahte sich der Bayer dem Intendanten in einem ersten Briefe, „und deshalb wende ich mich direkt an Sie; ich bin wie Sie ein deutscher Mann und liebe die Freimütigkeit." Utzschneider kannte die schwachen Seiten des Freiherrn und versuchte von ihnen aus, den Mann zu kitzeln. Daher seine Versicherung, er habe Hormayrs Schriften mit Wärme gelesen und sich der. Überzeugung gefreut, dass in ihm „Deutschland einen zweiten Johannes v. Müller, einen zweiten Plutarch" besitze, er habe darin seinen Scharfblick, seine Tätigkeit, sein „planvolles Leben" verehrt, „allenthalben den großen Mann gesehen". Er teilt die entworfenen Punkte mit und ladet ein: „Sie sind ein mutvoller Mann, haben Sie die Hochherzigkeit, Tirol dem Verderben zu entziehen und sich selbst Ihres Vaterlandes wegen mit Bayern auszusöhnen." Und nun kommt der Preis: Hormayr könnte ja auch im bayrischen Dienst für sein Tirol arbeiten und an der Spitze der Geschäfte bleiben. Sollte das nicht verfangen, vielleicht wirkt ein anderes Argument: „Sie gaben in einem Ihrer Aufrufe jeden der Volkswut preis, der nicht revolutionär ist. Das hat allen missfallen, die noch die Revolution in Frankreich vor Augen haben. Ich bin nicht furchtsam, aber ich hätte den Mut nicht, alle Bande der Gesellschaft zu lösen und einen Volkskrieg herbeizuführen, bei dem Sie selbst leicht ein Opfer der Volkswut werden können. Ist es möglich, einen Strom, welcher über alle Dämme bricht, in seinem Laufe aufzuhalten? Betrachten Sie die Lage Österreichs. Das Schicksal will, dass eine alte Eiche fällt. Pflegen wir die junge, die neben der alten bereits aufkeimt. Verbinden Sie Tirol innig mit Bayern, und die junge deutsche Eiche wird auch im Sturm stehen." Hormayr möge mit ihm in Verkehr treten, er werde es sicher nicht bereuen. 1)

1) Utzschneider an Hormayr, 22. Juni. M. St. Vom gleichen Datum auch an Roschmann: „Ich bin ein Friedensbote des Königs; wollen Sie nicht am Frieden mitwirken? Wollen Sie nicht in bayrische Dienste treten, nachdem Sie ohnehin von Österreich keine mehr erhalten werden ? Denken Sie über die Sache nach und handeln Sie als ein Mann, der die Wahrheit liebt, von dem die Geschichte einst sagen kann, Roschmann liebte sein Vaterland und führte es sanft aus einem Sturm, in dem es untergegangen wäre."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 515

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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