519 - Montgelas gegen Utzschneider


hinterbracht, 300 Mann seien im Scharnitzpass im Hinterhalt gelegen, um ihn zu fangen, wenn er leichtgläubig dahin gekommen wäre.

Die Akten verhehlen uns auch nicht, wie sich die bayrische Regierung zu den Schritten des Salinendirektors verhielt. Dass er vom König im allgemeinen autorisiert war, wissen wir bereits. Seine publizistische Agitation suchte er vor Max Josef zu rechtfertigen. Es sei nicht unmöglich, in Tirol Ruhe zu bekommen, wenn man den Einfluss Hormayrs und Roschmanns lähme, die das Volk verhetzen, und keine wahren Nachrichten ins Land kommen lassen. Tiroler selbst hätten ihm den Rat erteilt, mittels Aufrufen zu arbeiten, denn in Tirol wirke nur Gedrucktes. Indem er Exemplare davon vorlegt, betont er wieder die Notwendigkeit, das Land zu beruhigen. „Wird dies nicht erreicht, so greift die Bewegung nach Steiermark und Kärnten weiter, und es wird eine Vendee, welche für Bayern fürchterlich werden kann." 1) Der König mag an der Tätigkeit seines Direktors nicht viel auszusetzen befunden haben. Anders das Ministerium des Innern. Zwar begrüßte man es auch dort, wenn es gelang, die Tiroler einzuschüchtern, um eine gewaltsame militärische Okkupation zu ersparen. Als Mittel, welche dafür zu wählen wären, dachte man sich ernstliche Vorstellungen und Verbreitung von Berichten über Österreichs Schwäche und Napoleons Überlegenheit. Aber Utzschneider war dem Minister zu weit gegangen. Als dieser den Aufruf „An die Bewohner Tirols" zu Gesicht bekam, geriet er ordentlich „ins Feuer". Wie kann Utzschneider, so rief er aus, derartiges erlassen ohne Auftrag und ohne Vollmacht? Unannehmlichkeiten mit dem Ministerium des Aussern und mit den französischen Behörden seien unvermeidlich, die Regierung werde gezwungen sein, den Verfasser zu desavouieren. Ein solcher Schritt, in einem Augenblick getan, wo noch kein entscheidendes Ereignis eingetreten, könne zu keinem Erfolge führen, er gleiche einer blind geladenen Pistole, die niemand trifft und die niemand achtet. Es sei eine unnütze Kompromittierung der Regierung. Niemand könne wissen, wie Napoleon diesen Aufruf aufnimmt, ob es nicht in seinem Plane liege, ein zwar trauriges, aber für alle übrigen Völker abschreckendes Beispiel an den Tirolern aufzustellen. Dass sich Utzschneider öffentlich als Pazifikator aufgeworfen, möge gut von ihm gemeint sein, aber es tauge nichts; man werde darüber lachen, wenn es nichts fruchtet. Der Minister fand den Aufruf so ungeheuerlich, dass er im ersten Augenblick geneigt war, an seiner Echtheit zu zweifeln. Der Mehrzahl der Irregeführten

1) Utzschneider an den König, 29. Juni. Am selben Tage schreibt er an Montgelas: „Ganz Salzburg ist im Aufstand, das Feuer greift um sich. Die Franzosen sind allgemein verhasst. Ich fürchte so lange, als Tirol im Aufstande ist." Nach vier Tagen (3. Juli) hingegen meldet er dem König: „Salzburg habe ich beruhigt, auch in Unterinntal habe ich viele Einverständnisse. Mein Aufruf wirkt gut Wenn jetzt Truppen einrücken, wird alles gut gehen. Nur wird es gut sein, wenn ich bei den Truppen gegenwärtig bin."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 519

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.