540 - Absichten mit Tirol


Buol nicht von dieser Seite bestimmende Weisung entgegennehmen. Er wusste sich keinen Rat, als einen Kurier zu Erzherzog Karl zu senden mit der dringenden Bitte, ihm endlich bestimmte Botschaft zukommen zu lassen: „Überzeugt, dass ich und Hormayr bis zum letzten Augenblick unsern Pflichten treu nachgelebt haben trotz aller Gefahren, die uns nicht allein vom Feinde drohten, bleibt uns nichts übrig, als um die Weisung Eurer Hoheit nachzusuchen." 1) Bei der großen Wegdistanz hätte der General lange auf Antwort von dieser Seite warten können. Da war Johann, auf den man bisher in Tirol zu horchen pflegte, denn doch näher.

Wenn dieser Erzherzog mit seiner unglücklich stilisierten Ordre an Buol denjenigen recht zu geben schien, welche an den Bestand der Waffenruhe nicht glaubten, so entsprach dies wohl der augenblicklichen Intention des selbst noch zweifelnden Kaisers, nicht aber seiner eigenen Überzeugung. Ihm stand schon zwei Tage vorher fest, dass mit Napoleon abgeschlossen worden. 2) Und Hormayr wird daher recht haben, wenn er versichert, dieser Befehl Johanns habe eine ganz andere Wirkung hervorgebracht, als er eigentlich erzeugen sollte. Nicht der Waffenstillstand sollte in Frage gestellt, sondern es sollte gehindert werden, dass die österreichischen Truppen das Land schnell verlassen. Dass aber dies nicht die einzig mögliche Auslegung sein konnte, hat Buol mit der Veröffentlichung des Befehles und der ihm beigegebenen Nachschrift bewiesen. Der Gedanke, dem Lande die bisherige Besatzung auch noch weiterhin zu erhalten, wird auch in den nächstfolgenden Tagen, nicht ohne eine gewisse Hinterhältigkeit, fortgesponnen. Am 21. begibt sich ein erzherzoglicher Offizier, Hauptmann Wolf, aus dem Hauptquartier St. Groth nach Pustertal und überbringt die Abschrift des Stillstandsvertrages. Der Hauptmann ist aber auch der Träger eines erzherzoglichen Schreibens an die Generale Buol und Schmidt und an Hormayr. In dem Artikel über die Räumung Tirols findet Johann nicht gesagt, ob Tirol von Franzosen oder Bayern besetzt, 3) ob eine Amnestie zugesichert wird. Dieser Zustand der Unsicherheit geht dem Kaiser, wie sich der Erzherzog in den Besprechungen mit ihm überzeugt hat, sehr nahe. Franz will dieser Lage durch einen schnellen Friedensschluss ein Ende machen, bei dem er entweder in den Besitz

1) Buol an E. Karl, 2l. Juli. J. M.
2) E. Johann an den Kaiser, 14. Juli: er habe zwar noch keine Befehle über den Waffenstillstand, von dem er durch seine Vorposten höre, erhalten, aber er „zweifle gar nicht daran". Abgedr. bei Zwiedineck, E. Johann im Feldzuge von 1809, p. 182.
3) Dasselbe Bedenken spricht der bei der Gesandtschaft in Bern bedienstete Freih. v. Lichtenthurn in einem Brief an Hormayr aus (Bern, 22. Juli A. J. Cop.): „Die Bedingungen des Waffenstillstandes finde ich zu general gefasst Da kann es neue Anstände geben. Es ist nicht gesagt, ob Tirol und Vorarlberg nach der Räumung durch die österreichischen Truppen von Franzosen oder Bayern in Besitz genommen werden oder ob sie bis zum Frieden unbesetzt bleiben."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 540

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.