554 - Die bayrische Hofkommission


Lerchenfeld hatten als Akzessisten oder Sekretäre mitzugehen. Den Geschäften einer Intendantschaft sich unterziehen, sorgen, dass die Landesregierung wieder in Gang kam oder blieb, das wollten die ernannten Herren gern. Aber zu ihrem Schrecken erfuhren sie alsbald, dass sie speziell auch als oberster Gerichtshof über die einzusetzenden Spezialgerichte fungieren sollten. 1) Und als solcher bekamen sie vom Ministerium, wo jetzt gegen Tirol ein viel schärferer Wind wehte als im Mai, den Befehl, alle Rädelsführer von einer Amnestie auszunehmen und ihnen den Prozess machen zu lassen. Die darüber verfasste Instruktion war so gehalten, dass Tausenden schwerste Strafe drohte. Sie zählte z. B. selbst jene, welche die Sturmglocken gezogen, zu den Anstiftern der Rebellion. Eine andere Verfügung in ihr befahl, dass alle Einwohner für den angerichteten Schaden dem bayrischen Staate und den ihm treu Gebliebenen zu haften hatten. Dipauli fuhr zusammen, als er dies las: bei solchem Schreckensregiment sollte er mitwirken! Er wollte vor Montgelas selbst Einsprache erheben, man riet ihm sehr davon ab. Der ihm befreundete Geheimrat Aretin tröstete ihn, die Exekution werde ja nicht so strenge sein, wie der Wortlaut der Weisungen, und so fügte sich der innerlich Gepeinigte mit dem Gedanken, er könne vielleicht manches Gute wirken. In der Abschiedsaudienz traf Dipauli den Minister Montgelas in so böser Stimmung, dass er nochmals zu Aretin ging, um seine Bestellung zurückzulegen. Aretin versuchte neuerdings, den Gebeugten aufzurichten, und vertraute ihm an, das wahre Motiv der strengen Miene der Regierung sei die Furcht, dass Napoleon Schwäche gegen Tirol vorwerfe, dem wolle man vorbeugen, in Wirklichkeit werde man so menschlich verfahren wie möglich. Aber nicht nur Dipauli zögerte, sondern auch Rechberg. Auch der wollte nicht auf Grund der überstrengen Instruktion in Tirol amtieren. Tagelang verschob er seine Abreise von seinem bisherigen Amtssitze Regensburg, und als er auf Drängen des Ministers nach München kam, erklärte er, erst abgehen zu wollen, wenn das Land vollständig ruhig und militärisch besetzt wäre. Schon neigte auch Montgelas dieser Meinung zu, als ein dringliches Schreiben Lefebres vom König das Erscheinen der Kommission forderte, weil des Marschalls bestellter Ausschuss zur Aufbringung der Subsidien für das Heer nicht ausreiche. Also hieß es, die schwere Reise antreten. Dipauli und Lerchenfeld machten sich als erste auf, um für die andern in Innsbruck Quartier zu bereiten. Am 4. August trafen sie ein. Neues Entsetzen erfasste Dipauli. Er las an den Straßenecken Lefebres Proskriptionsliste, darunter seine besten Freunde Sarnthein und Peer. Mit

1) Einzelne dieser Spezialgerichte wurden auch ernannt, so z. B. als Präsident eines derselben der Appellationsgerichtsdirektor Schieber in Straubing. Aber in München verzögerte sich die Anweisung der Diäten, und die Reise unterblieb. M. K.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 554

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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