556 – Todesurteile


Die Bäcker mussten die Erzeugung von Luxusbäckereien gänzlich einstellen, um das notwendige Quantum Schwarzbrot liefern zu können. Unter beständiger Beaufsichtigung von Wachen, aber verschont von der Einquartierungslast, mussten sie Tag und Nacht ihrem Gewerbe obliegen. Die Proviantkommissäre der einzelnen Divisionen stürmten förmlich die städtischen Magazine. Wenn dabei der Stadtrat heimlich dem sächsischen Korps reichlichere Rationen zukommen ließ, so entsprach dies den Sympathien, welche die freundlichen Sachsen vom ersten Augenblick an in der Bürgerschaft gewonnen hatten. 1) Zur Herbeischaffung der notwendigen Menge Vieh und Futter musste ein weiter Rayon gezogen werden. Bis nach Zillertal hinein erstreckten sich die von Militärpatrouillen vorgenommenen Requisitionen. 2) Selbst Transporte aus den Magazinen in Rosenheim, Traunstein und Murnau wurden eingeleitet. Laut hörte man Lefebre schelten, man lasse seine Armee verkümmern.

Eine der zahlreichen Expeditionen, welche auf Fourage ausgingen, war der Anlass, dass sich Lefebres Ausschuss als Bluttribunal konstituierte. Sechs Mann mit einem Offizier erschienen in der Gemeinde Weerberg und reizten durch ihr ungebührliches Betragen 3) sowie durch die Höhe ihrer Forderung die dortigen Bauern derart, dass sie sich zusammenrotteten und den Trupp gefangen nahmen. Zufällig kamen des Weges zwei österreichische Feldjäger 4) und schwätzten den Leuten vor, sie wollten die Gefangenen dem Sandwirt überliefern. Den Weerbergern war es recht. Die Schurken aber brachten die Soldaten nach Innsbruck und stellten sich als Zeugen gegen die Bauern zur Verfügung. Auf ihre Angabe hin wurden mehrere Dorfgenossen nach Innsbruck geholt, darunter der Vorsteher Johann Raschbüchler, Vater von sechs Kindern, und Nikolaus Unternehmer. Diese beiden wurden, weil von den Verrätern als Täter bezeichnet, zurückbehalten, obgleich sie sich zum Beweis erboten, dass sie am Überfall gar nicht beteiligt gewesen. Lefebres Stabschef, Drouet d'Erlon, publizierte als Urteil des Komitees: die zwei Bauern sterben durch Pulver und Blei, ihre Häuser werden angezündet und niedergerissen. Am 7. August fand die Exekution statt. Bei der Ausführung zum Richtplatz misshandelten die Soldaten die armen Sünder noch mit Stößen ihrer Gewehrkolben. Ein französischer Hauptmann, der es sah, verwies

1) Patsch in seinen Aufzeichnungen a. a. O.: „In den Wiltener Feldern lagerten die Sachsen. Ich verkehrte wiederholt mit ihnen. Es waren lauter feine Sachsen, welche bald vertraulich mit mir wurden. Sie äußerten schon Bedenken, ob die ungünstigen Schilderungen der Bayern über die Tiroler wahr seien."
2) Pichls Tagebuch a. a. O.
3) Weinbach schreibt ausdrücklich dem König, die Soldaten hätten sich „nicht gut" betragen.
4) Es werden wohl Deserteure gewesen sein.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 556

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.