571 - Rouyer über den Brenner


Lefebre hatte aus den Erfahrungen in den Maitagen die Lehre gezogen, dass die Besetzung der Hauptstadt nicht schon die Eroberung des Landes bedeute. Während er selbst mit seiner Hauptmacht vorerst in Innsbruck bleiben wollte, bestimmte er einen Teil zum Zug über den Brenner, wo sich derselbe dann mit den über Pustertal und Trient vorrückenden Truppen treffen würde. Dieser Disposition gemäß zog General Rouyer mit den sächsischen Kontingenten, dem vierten bayrischen Chevauxlegers-Regiment und der Batterie Vandove nach Süden; in kurzen Abständen folgte unter Oberst Wittgenstein ein Teil des ersten Dragonerregiments und des ersten Infanteriebataillons Habermann. Auf Hindernisse stieß man bis Sterzing nicht. Zwei Schützenkompagnien, die bei Gossensaß standen, lösten sich auf, als Rouyer sich näherte, desgleichen taten die von Hofer abgeschickten Soldaten. In voller Ordnung, ein spielendes Musikkorps an der Spitze, marschierten die Sachsen am Nachmittag des 2. August in Sterzing ein. Den Bürgern ward also gleich jede Furcht benommen, auch sie lernten die Sachsen als gutmütige und wohlwollende Leute kennen und schätzen. Fast zum Überfluss stellte Rouyer vor jedes Haus eine Wache, um jeglichem Übergriff vorzubeugen. 1) Rapp, der noch anwesend war, gab ihm die beruhigendsten Versicherungen. Das Lager wurde, um die Stadt nicht zu beschweren, südlich von derselben, im Moos, geschlagen. Im Besitz des Hoferschen Schreibens traute der General dem Landfrieden nicht. Auch die folgende Nacht belehrte ihn, dass es in der Gegend noch gäre. Bauern öffneten die Schleusen der Bäche und suchten das Lager unter Wasser zu setzen. Rouyer sandte Priester in die Dörfer und ließ mit der Anzündung der Stadt drohen, wenn seine lagernde Mannschaft noch weiter behelligt würde. 2) Unter solchen Anzeichen wollte er den Zug nicht sogleich fortsetzen, sondern benützte den folgenden Tag zum Auskundschaften. 3) Er wurde aufmerksam gemacht auf die steilen Defileen, die er zu passieren habe, auch von zahlreichen Rottierungen unterhalb Sterzing wurde ihm gemeldet. 4) Aber

1) Knoflach a. a. O.
2) Schaurot a. a. O.
3) Oberst Epplen an den König, 9. Aug M. St. Den Rasttag möchte ich nicht (wie Mich. Mayr a. a. O. p. 9) mit Buol in Beziehung bringen.
4) Eine Reiterpatrouille streifte bis Oberau. Hochrainer sagt, dieselbe habe nichts Auffälliges bemerkt. Dagegen notiert der Kaplan von Schabs, Wassermann (H. M.): „Ich ging (3. Aug.) auf Spekulation bis zur Peisserbrücke, wo ich eine kleine Anzahl Schützen traf. Auf einmal sprengten gegen 20 sächsische Reiter daher. Als diese mich sahen, schossen sie auf mich über den Fluss, aber ohne zu treffen. Ich rief den sich verbergenden Schützen zu und diese schossen sogleich drei Mann nieder, die andern flohen zurück und misshandelten sehr schlimm das Posthaus in Mittewald." Auch Pfarrer Gruber erwähnt einen Angriff auf patrouillierende Reiter, von denen fünf tot geblieben seien. Epplen wieder spricht von einem „ruhigen Vordringen" der Patrouille.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 571

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.