575 - In der Sachsenklemme am 4. August


dem Gros auf der jenseitigen Strasse die rechte Flanke zu decken. Nur ein schmaler Saumpfad neben dem reißenden Fluss gestattete das Passieren von Mann hinter Mann. Diese lange Zeile war das Angriffsobjekt der an der Bergseite schwärmenden Schützen. Beide Kompagnien wurden bald zur Umkehr nach Mittewald genötigt. 1)

Langsam brachte Rouyer seine Division auf der Strasse vorwärts. Von Mittewald bis Oberau wiederholten sich dieselben Fährlichkeiten und Hemmnisse. Unterhalb Oberau überquerte die Peisserbrücke den Eisack. Hierher konzentrierte sich besonders der Widerstand der Tiroler, deren Leidenschaft aufs neue entzündet war, als der sächsische General vor ihren Augen vier gefangene Landsleute füsilieren ließ. 2) Die Pustertaler füllten den die Brücke überhöhenden Blasbüchlerhof, 3) ihnen gegenüber besetzte Haspinger die Hütten des Weilers Riol und den Reiferhof. 4) So wurde der Zugang zur Brücke von zwei Seiten bestrichen. Aber auch das heftigste Feuer schien die Sachsen nicht aufhalten zu können. Also musste man Hand an die Brücke legen. 5) Die Arbeit der Zimmerleute wäre schon zu spät gewesen. Ein Ranzionierter holt vom Herd des nahen Reiferhofes mittels einer Pfanne das Feuer, entzündet die bereit gehaltenen Pechkränze und bringt das Holzwerk der Brücke zum Brennen, da sich die ersten Feinde nähern. Schon ist die nagende Tätigkeit der Flammen so weit fortgeschritten, dass ein verwegener Reiter, der über die lohende Brücke sprengen will, durch das halbverkohlte Gebälk bricht und Mann und Ross in den Wogen des Bergstromes verschwinden. 6) Wer von den Sappeuren Hand anlegen will zum Aufbau des Überganges, fällt unter den Kugeln der Bauern.

Der General war entschlossen, den Weitermarsch zu erzwingen. Die Berge zu seiner Linken und den Blasbüchlerhof mussten die Sachsen stürmend räumen. In Oberau wurde ein Notsteg errichtet, über den ein Bataillon, wenn auch heftig beschossen, die rechte Flussseite gewann. Seine Aufgabe war die Ausräucherung von Riol, dessen Häuser bereits durch Brandkugeln eingeäschert waren. In der Tat musste Haspinger bis

1) Üb. ein kanonisches Buch im Pfarrhofe Mittewald, dessen unbeschriebene Blätter die Soldaten zu Patronen verwendeten, s. Tir. Bote 1886 p. 1663.
2) Gruber nennt deren zwei: Ant. Rabensteiner von Villanders und Michael Rabensteiner von Barbian.
3) Jetzt ein villenartiges Gebäude.
4) An der Stelle des Reiferhofes steht heute das Heizhaus der Station Franzensveste. (Gütige Mitteilung des Herrn v. Pretz.)
5) Nach Gruber wollten die Anrainer die Zerstörung der Brücke nicht zulassen.
6) Dieser Reiter war nicht der Adjutant v. Beulwitz. Dessen Brief in der Schützenzeitung 1855 p. 48.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 575

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.