578 - Kapitulation


zahlreichen Verwundeten, welche dieser Zug noch kostete, mussten auf der Strasse zurückgelassen werden. Als Rouyer auf dem Sterzinger Moose den retirierenden Oberst empfing, hatte er in der Tat keine Ursache, ein Wort des Tadels zu sprechen; es war ja nur sein Beispiel befolgt worden.

Wenn auf jemanden die Redensart „Lieferung auf die Schlachtbank" anzuwenden war, so galt sie für die in Oberau zurückgelassenen Sachsen. Zuerst hatte sie der General, nun auch der Oberst preisgegeben. An irgendwelche Handreichung von Sterzing aus war nicht mehr zu denken. Das stundenlange Defilee bis Mittewald war völlig gesperrt, gleich zwischen dem abgehenden Egloffstein und den Sachsen in Oberau hatten sich Haspingers Mannschaften eingeschoben. Wie verzweifelt aber auch die Sache der Zurückgelassenen in ihrer gänzlichen Eingeschlossenheit war, sie erfüllten ihre Soldatenpflicht bis zur letzten Neige. Den ganzen Nachmittag hielt das Gewehrfeuer an. Noch immer mühte man sich ab, allzu verwegen sich annähernde Bauernhaufen mit Schüssen aus Türen und Fenstern abzuhalten. Wenigstens bis zur Nacht wollten sich die drei kommandierenden Majore Germar, Bünau und Bose halten, um dann eher im Dunkel sich nordwärts durchzuschlagen. Allein der Kampfunfähigen werden immer mehr, selbst der Gang von einem Hause zum andern ist todbringend. Immer stärker ruft es von Tiroler Seite herein zu den Blockierten, sie mussten kapitulieren, sonst würden ihnen die Häuser über dem Kopf angezündet. Das Feuer der Soldaten wird immer schwächer, im Schmiede- und Pfarrhaus ist endlich die letzte Kugel verschossen. Der Bauernschwall ergießt sich in die Gebäude, Bünau und Böse sind ihre Gefangenen. Noch ist Germar mit ein paar hundert Sachsen im Wirtshaus unbezwungen. Von allen Seiten stürmt es auf ihn ein, die Drohungen wiederholen sich. Es nähern sich bäuerliche Parlamentäre, und der tapfere Major will mit ihnen verhandeln. Dabei dringen ein paar wilde Kerle auf ihn ein und verwunden ihn. Nochmals greift der Offizier zum Degen, seine getreuen Soldaten geben Feuer, und mehrere der Tiroler werden getroffen. 1) Aber binnen kurzem sieht sich auch dieses Häuflein erdrückt und teilt das Los der andern. In der neunten Abendstunde war der Sachsen Not zu Ende, die Hälfte derer, die vor zwei Tagen den Marsch gegen Brixen angetreten hatten, 1000 Mann, war gefallen oder gefangen, unter letztern ein großer Teil verwundet. 2) Der zweitägige Kampf, der sich auch unter den Bauern so manches Todesopfer geholt, hatte die Furie roher Kraftäußerung unter

1) Lantschner: „Beim Sturm hätten wir keinen Mann verloren, wenn nicht ein böser Mann von Schabs einen der Feinde zu Boden geschlagen hätte, nachdem sie schon die Gewehre gestreckt hatten. Dieser Streich kostete uns über 4 Tote und 2 Verwundete.
2) Nach Seebach 45 Offiziere und 946 vom Mannschaftstande.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 578

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.