592 - Zug nach Prutz


zurückziehen." 1) Ein Bataillon erreichte am 5. Landeck, ein zweites Imst, von wo dasselbe dem ersteren nach zwei Tagen nachzog. In zahlreichen Zwischenstationen waren Piketts zur Beaufsichtigung der Marschlinie zurückgelassen worden. Am 8. morgens verließen 1400 Mann mit Kavallerie und zwei Kanonen Landeck in der Richtung der Strasse nach Vintschgau. Gleich außerhalb des Dorfes engt sich der Kessel zu einer stundenlangen Schlucht, durch welche der tosende Inn sein Wildwasser wälzt, neben welchem die Reichsstrasse in Turmhöhe darüber, vielfach ausgesprengt aus den steilen, nur mit Runsen unterbrochenen Felshängen, fortläuft. Eine ähnliche Konfiguration wie bei Mittewald, wo möglich noch schauerlicher, da an vielen Stellen nur schwindelnde Blicke vom Straßenrand auf die tief unten schäumenden Wogen fallen. 2)

Diesen Bezirk hatten im Frühjahr Senn und Genossen in Bewegung gebracht. Teimers Versuche zu Ende Mai hatten auf wenig empfängliche Herzen getroffen. Das spätere Benehmen von Senn, Linser und Fischer wirkte gewiss nicht erhebend. Der früher so tätige Hauptmann Zangerl in Prutz, in dessen Gasthaus bäuerliche Konventikel mit dem Thema: Der Feind in Landeck, stattfanden, sprach eindringlich für den Frieden. Von führenden Chefs kann hier noch weniger gesprochen werden als an der Brixener Klause. 3) Dafür war die Sprache der Natur desto vernehmbarer, und das Volk verstand sie. Weiter abgelegene Talgemeinden waren es, welche zuerst in dieses Schluchtenreich Leben brachten: die vom Kaunsertal und die vom obern Vintschgau, welche, während ihre Landsleute vom untern sich dem Jaufen zuwandten, ihre Schritte ins Inntal lenkten.4) Vielleicht darf hier Johann Alber als einer der ersten genannt werden. In Prutz waren die aus dem Etschland schon für den 7. angesagt.

Als die Bavarofranzosen die Enge betraten, verbreitete sich die Kunde davon gleich einem Lauffeuer von einer Ortsfraktion zur andern. Es war erst eine Stunde Marschzeit vorüber, als ein Reiter der Avantgarde meldete, links an der Strasse hinter einer kleinen Kapelle sehe man lauernde Bursche. Burscheid beriet mit seinen Offizieren, man kam zum Schluss, sich um die Leute nicht zu kümmern. Der Zug ging fort. Nach einer

1) Weinbach a. a. O. Sundahl schreibt: „Wir fühlten uns ganz sicher."
2) Sundahl schreibt: „Mann muss das Terrain kennen, um die Tollheit dieses Marschplanes einzusehen, links steile Gebirge, rechts in der Tiefe der Inn hart an der Strasse."
3) Rapp lässt den Sandwirt die Steinlawinen brieflich beim Pfarrer in Fliess bestellen. Seine Angabe ist ohne Beleg und an sich schon sehr wenig glaubwürdig.
4) Danei a. a. O.: „In Vintschgau ging die Bewegung von Kortsch aus, dessen Bewohner stets bekannt waren als Widerspenstige. Sie hießen deshalb auch die Republikaner oder Korsikaner. Von Kortsch aus ging es wie bei einer Lawine. Was Kortsch abwärts gegen Meran bewirkte, das wirkte Johann Alber von Kortsch aufwärts bis ins Inntal."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 592

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.