593 - Gefecht bei Ladis


weiteren halben Stunde zeigte sich ein Schwarm bei einer nahe der Straße stehenden Taverne. Man hielt sie für Mäher oder Hirten, und zum Zeichen, dass man sich nicht fürchte, ließ man die Musik lustige Marschweisen blasen. 1) Abermals jagte ein Dragoner zurück: ein halbes Hundert Bauern sei auf der Straße entgegengekommen, hätte sich aber beim Anblick der Kavalkade hurtig in das Gebüsch geschlagen. Das klang wichtig genug, um wieder Stillstand zu halten und die Umgebung des Weges untersuchen zu lassen; man fand nichts, was auf Gefahr wies. Mithin ging es ruhig weiter bis Pontlatz. Wenn eine Gegend den Namen Sack verdiente, so wäre es diese. Es ist wie ein zugeschnürter Sack. Eine kompakte Felsmasse stürzt senkrecht zum Wasser ab. Sie mit Sprengminen zu bewältigen hat selbst der moderne Strassenbau 2) verzichtet und leitet den Weg aus dieser Klemme auf einer Brücke nach dem linken Innufer, wo das Tal in der Tullenau sich zu erweitern beginnt. Das ist die Pontlatzbrücke. Dieselbe hatte ein Teil der Truppe schon passiert, als oberhalb der Straße rechts aus dem ansteigenden Walde auf die vorantrabenden Reiter Schüsse fielen. 3) Die Dragoner schwenkten um, und die ihnen folgende Infanteriekolonne bildete die Avantgarde. Auf sie ging aus dem Gebüsch schon eine förmliche Salve nieder, welche so manchen dahinstreckte. Die Marschkolonne sah sich plötzlich in eine ungeahnte furchtbare Wirklichkeit versetzt. Das Tal begann sich auf allen Seiten zu beleben. Von den hoch gelegenen Dörfern erscholl das unheimliche Sturmgeläute, das die wehrhaften Nachbarn zusammenrief. Das Echo der knallenden Schüsse machte die Pferde scheu, die Berittenen mussten absteigen. Es war in der ersten Nachmittagsstunde. Eine Kompagnie wurde zurückkommandiert zur Bewachung der Brücke, zu deren Niederbrennung sich tatsächlich schon einige Bauern anschickten. Um der mörderischen Flankenattacke los zu werden, rief der Oberst Freiwillige vor zur Formierung eines Korps, das mittels einer Umgehung den Wald säubern sollte. In beschwerlichem Aufstiege drangen sie vor bis gegen die Höhe von Ladis. Die bäuerlichen Plänkler mussten weichen, es waren die zuerst erschienenen Talleute von Kauns. Aber aus den Dörfern Ladis, Fiss und Serfaus kam reichliche Verstärkung. Schon war der Feind bis zum sogenannten Panzer vorgedrungen, schon fielen seine Kugeln in den Teich am Fuße der weitschauenden, altersgrauen Feste Laudegg, da sah er sich festgebannt und musste sich gegen Abend in die Niederung zurückziehen. 4) Einer von den nachsetzenden Bauern hatte das

1) Sundahl: „Mit klingendem Spiel gingen wir weiter in die Falle."
2) Die Anlage der Straße datiert aus der theresianischen Zeit. Früher lief sie von Landeck bis Vordergallmigg auf der linken Innseite. Vgl. Alb. Jäger, Tirol u. d. bayr. Einfall i. J. 1703, p. 261.
3) Von Steinschlägen meldet Sundahl für den Hinmarsch nichts.
4) Bemerkungen des Pfarrers von Serfaus (Vinzenz Ledermayr) in J. M.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 593

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.