604 - Die Bauern nehmen die Verfolgung auf


Straße, einem weißen Bande gleich, an der Steilwand des Berges fort, immer durch dicht bestockte Gehänge. Das war eine Bodengestaltung, wie geschaffen für die leichtfüßigen Bursche, um den vorbeiziehenden Feind in einemfort zu necken. Diese Gelegenheit wurde denn auch reichlich benützt. Hin und hin knallte es herab, unerreichbar für den Soldaten blieb der im Dickicht lauernde Schütze. Immer beschwerlicher wurde der Marsch, die Truppe immer abgematteter. Schon war es schwer, die Gespanne fortzubringen, da die Zugtiere unter den Kugeln fielen. Mühselig erstieg man vom Matreierwalde fort die Höhe des Schönberges. An eine Rast oder Erholung in diesem Dorfe war nicht zu denken. Denn schon hatten sich hier Pfurtschellers Stubaier den andern angeschlossen, um verstärkend und die Attacken vermehrend einzugreifen. 1) Überall in den das Dorf umgebenden Lärchwiesen zeigten sich bewaffnete Scharen. Lefebre meinte, aus dem nahen Innsbruck könnte ihm Luft gemacht werden. Kanonenschüsse sollten Deroy das Signal geben. Der war jedoch selbst so sehr in den Pulverdampf und Lärm eines zweiseitigen Gefechtes gehüllt, dass ihm die hilfebegehrenden Zeichen entgingen.

Auch im Rücken des Marschalls ballte es sich gefährlich zusammen. Seinen Nachtrab erreichten noch die Sterzinger Bauern, in Mareit und Mauls hatten die Männer nach drei kampferfüllten Tagen die Wohltat augenblicklichen Stillstandes genießen wollen und sich dem Schlummer ergeben. Erst als die Sonne aufgegangen, nahmen sie des Feindes Abzug wahr. Die beweglichsten von ihnen, Speckbacher, Peter Mayr und Haspinger, litt es keinen Augenblick am Platze, die Bayern mussten eingeholt werden. In malerischer Unordnung füllte sich die Stadt sogleich mit Bauern. 2) Zum Ärger über das Versäumte kam noch ein zweiter: Der Feind hatte die Stadt so gründlich ausgegessen, dass der Magen der hungrigen Stürmer unbefriedigt bleiben musste. Hofer selbst erschien erst gegen Mittag. 3) Speckbacher nahm in der Eile drei der strammsten

1) Über Hofers Aufmahnung der Stubaier durch Seb. Gufler, Thomas Platter und einen Mann von Rabenstein, genannt das Wildjagerle, s. Schützenzeitung 1852, p. 199.
2) Hochrainer schreibt: „Niemand konnte begreifen, dass Lefebre vor einer solchen ungeordneten Schar zurückziehen konnte."
3) Hofer hat vom Rückzug sehr rasch Kunde bekommen, aber er witterte einen Täuschungsversuch. An Tschöll schreibt er von Kalch, 11. August 2 Uhr nachts: „So man vergewisst sein soll, dass der Feind wirklich retirirte, soll man gleich die sämtlichen Hauptleute benachrichtigen, dass sie dem Feind gleich nachrücken und dabei fleissig bedacht sein, ob es dabei keine Verstellung bedeutet oder eine Falschheit dahinter steckt" (Cop. in A. A.) Ein offenbar nur einige Stunden späterer Befehl fordert, alle mussten sich den Franzosen „möglichst nachmachen", „aber das wäre gut, wenn ihr sehet, einen oder mehrere Spione, so das Ort und alle Gegenden gut kennen, vorauszuschicken, zum Fall der Feind sich links oder rechts postirt hätte, (damit ihr) nicht unverhofft überfallen würdet, ich werde auch gleich nachkommen, sobald die anderen Kompanien nachkommen". Eigenh. P. S.: „Liebe Prieder söhet nur, dass wir den Ihn-Thaller khenen zu Hilf khomen, indem ich ihnen habe versprochen gleich Hilf zu leisten." (Ebend.)



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 604

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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