636 - Hofers Lebensweise


konnten stets unangesagt eintreten, Herren mussten sich melden und warten. 1)

Von den vielen Räumen der Hofburg war es eigentlich nur ein kleiner Saal, den Hofer belegte. Auf dem großen Tisch in der Mitte sammelte sich der Schwall der Akten an, an ihm wurde Rat gehalten, gespielt und gespeist. Da saßen sie herum des Sandwirts Kollegen, der eine pfeifend, der andere schmauchend, ein dritter gähnend die Arme auseinander streckend, während der vierte in einer Postille las. 2) Hier gab Hofer auch seine Audienzen, die einen großen Teil des Tages ausfüllten. Alles, so zeichnet es ein Beobachter, drängt sich zu ihm, mich wundert nur, dass er nicht verrückt wird, da er auf die verschiedensten Dinge Bescheid geben soll. Es ging her wie auf einem Jahrmarkt. Höflichkeitsformen wurden nicht sehr geübt. Die meisten verschmähten den Gebrauch des Sacktuches und der Lichtschere, Wasser tranken sie gleich aus der langhalsigen Flasche. Ihren Respekt gegen den Oberkommandanten kleideten sie gern in die Anrede „Herr Vater". Nicht unbekannt zeigte sich Hofer mit dem Gebote der Artigkeit gegen die Frauen. Die Gattinnen der zwei bayrischen Obersten, welche im Pfarrhofe auf dem Weerberg gefangen gehalten wurden, ließ er nach Innsbruck führen. Als der Wagen mit den Damen zur Hofburg kam, ging ihnen der Hauswirt in Hemdärmeln entgegen, hob sie von ihren Sitzen, sicherte gute Behandlung zu und führte sie am Arm auf die Zimmer der Burg, die er ihnen zur Wohnung angewiesen. Man kam ihnen stets mit allem Anstand entgegen. 3)

Des Morgens 5 Uhr erhob sich der Sandwirt von seinem Lager und begab sich zur Messe in die nahe Pfarrkirche. Nach kurzem Frühstück ging er an das bunte Allerlei der Geschäfte. Ihnen gab er sich mit zäher Ausdauer hin. Als man ihn einmal aufmerksam machte, dass Speisezeit wäre, erwiderte er: „Iatz ist nit Zeit ans Össen z'denken, zerst kimmt die Schreiberei." Der einfache Haushalt, wie er im Sandwirtshause Brauch war, wurde auch in der kaiserlichen Burg fortgesetzt. Es gab nur ein simples, aber kräftiges „Fuhrmannsmahl". Die Wirtin beim „Moll" in der Hofgasse zunächst der Burg hatte die Küche zu besorgen. Sie erwarb sich des Oberkommandanten Zufriedenheit. 4) Wer zu Essenszeit gerade gegenwärtig war,

1) Knoflach: „Hofer hat den ganzen Tag zu tun. Wer nur drei Stunden zu antichambrieren braucht, ist glücklich."
2) So traf sie eines Tages (19. September) Knoflach, welcher eine Reihe solcher Züge aus dem bäuerlichen Burgleben aufgezeichnet hat.
3) Nannette Mörz a. a. O.
4) Einmal lief ein törichter Stadtklatsch um, die Wirtin habe Hofer vergiften wollen. Zu ihrer Sicherheit stellte er ihr, als er für einige Zeit Innsbruck verließ, folgendes eigenhändige Zeugnis aus: „Innspruck, 1. September. Unterzeichneter hintterlasset der Frau Mollin, Gastwirtin zu Innsbruck negst der Purg, die ganze Zufriedenheit und das allerpöste Vergniegen, damit die Frau kheinen nachdeil solle haben von denen gespröch, die einmall existirt hat." Cop. bei Knoflach. Der Gasthof Moll scheint einen Ruf gehabt zu haben. Das Diarium des Burgdieners Philipp Makart (Archiv d. Burginspektion Innsbruck) verzeichnet zum 6. Januar 1806: „Feier der Erhebung zum König. Die Offiziere hatten abends im kleinen Redoutensaal ein Souper, welches die Frau Mollin kochte."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 636

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.