646 - Gedankenaustausch zwischen Vater und Sohn


Giovanelli schlug aus. „Ich tat es," so schreibt er, „weil ich überzeugt bin, dass ich auf dem Posten, wo ich jetzt stehe, am meisten für das Vaterland wirken kann; wäre das nicht der Fall, so wäre ich längst nach Hause gegangen; ich kann nicht sagen, wie oft mich die Galle fast ganz aus der Fassung bringt." Oft besuchte er Hofer und besprach mit ihm die verschiedensten Angelegenheiten. Mein Geschäft, so fasste er später seine damalige Tätigkeit zusammen, 1) bestand darin, schädliche Vorschläge, die oft vom Unverstand gemacht wurden, zu entkräften, Deportationen zu hindern und eigennützigen Menschen, die sich auf Kosten anderer bereichern wollten, das Handwerk zu legen, besonders aber zur Begründung der provisorischen Generaladministration mitzuwirken, wodurch die bisher völlig stockende Verwaltung in Gang gebracht und der Anarchie vorgebeugt werden sollte. Bald erfuhr er, dass über ihn „und die neue Einrichtung gewisse Leute gar manches zu reden und zu tadeln wissen". Tröstlicher war es für ihn zu hören, dass sein Vater, wenn auch recht bittergallig gestimmt über die meisten der Referenten, an seinem Werke nicht viel auszusetzen fand. 2) Aus der Erfahrung auf die Güte seiner

1) An Dipauli a. a. O.
2) Giovanelli d. ä. an den Sohn (6. Okt.): „In der Voraussetzung, dass absolut in Innsbruck die Zentralbehörde zu stehen hat und dass man den gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für geeignet hält, manchem die Larve vom Gesicht zu ziehen, muss man anders handeln als man sollte, um nicht sich selbst so viele Hindernisse in den Weg zu legen, welche jede Vorkehrung unwirksam machen. Um diesem unüberwindlichen Stein des Anstoßes vorzubeugen, habe ich gewünscht, dass zum Sitz der Zentralbehörde ein anderer Platz bestimmt werden möchte, damit jeder Verdächtige hätte ohne Aufsehen entfernt werden können und keinen Grund gehabt hätte, sich gekränkt zu fühlen. Aber nachdem man dies nicht wollte, so ist es freilich politischer, diejenigen in das Interesse zu ziehen und unschädlich zu machen, die man für Gegner der guten Sache hält. Ich gebe gern zu, dass dies der einzige Weg ist, um den Kabalen zu steuern und zum Ziel zu kommen. Doch dürfte es nötig sein, jene Verbindungen zu sprengen, welche uns in früheren Zeiten unheilbare Wunden geschlagen haben, oder wenigstens jene Egoisten, die es sich zum Geschäfte machten, die Schwäche der Angestellten nur zu gebrauchen, um eigenen Vorteil zu erringen, zu entfernen. Wie aber das auszuführen ist, weiß ich selbst nicht; es wäre denn, dass man manchem aus politischen Gründen könnte ex offo ein Quartier anweisen. Herr Anderlan irrt mich unter der Zahl der Referenten sehr. Man wird mit seiner Entfernung für das Ganze ebenso viel gewinnen, wie man mit seiner Beibehaltung im Ganzen und einzelnen verliert. Es ist schwer, diesem Mann das offene Misstrauen zu zeigen und durch kränkende Ausschließung ihn aufs höchste zu reizen. Aber es gibt einen Weg. Er kann zum Generalkreiskommissariat nach Brixen versetzt werden, und damit er diesen ehrenvollen Ruf nicht ausschlägt, muss der an seine Stelle bestimmte Referent schon ernannt sein. Ob in Brixen einer mehr oder weniger ist, welcher zur Lega gehört, ist unbedeutend. Das Zentrale aber fährt besser, wenn es von Mitgliedern gesäubert bleibt, die zur Fahne des bayrischen Klubs geschworen haben. Das Gleiche möchte ich auch vom Sekretär Riccabona sagen. Diesen soll man lieber in Riva lassen. Wenn aber bei uns in Tirol ein solcher Mangel an tauglichen Leuten wäre, dass nicht zwei können ersetzt werden, so sind wir so schlecht daran, dass man uns bedauern muss und dass wir alles Einrichten bei guter Zeit aufgeben müssen, um nicht alles zu verderben. Wenn die alten ständischen Vertreter als Gäste bei den Sitzungen erscheinen, so bedeutet das im Grunde nicht viel und jede Publikation ist dadurch überflüssig. Denn sie haben es sich seit jeher zum Hauptgeschäft gemacht, alles, was vorgetragen wurde, hinauszutragen. Man müsste diesen Herren sehr bestimmt beibringen, dass ihnen nicht einmal ein votum informativum zukommt, dass sie nur figurierende Maschinen der erloschenen Repräsentation sind und dass, wenn dem Lande noch einmal seine Konstitution zurückgestellt wird, sie kein Recht auf eine Vertretung haben, sondern dass man von ihnen erwarte, dass sie selbst abtreten und dass sie überzeugt sein mögen, dass sie für ihre ausgezeichneten Handlungen dem Lande unvergesslich bleiben. In dem Augenblick, wo Tirol sich selbst überlassen ist, gehen die landesfürstlichen Rechte auf das Volk über, und um Ordnung zu erhalten, muss das Volk zur Geschäftsleitung eine politische Behörde aufstellen, wie es im Patent deutlich gesagt ist. Nun ist es billig, dass die Repräsentanten der Nation Richter seien. Dadurch wird aber der Nation die entrissene Verfassung weder zurückgestellt, noch lebt sie von selbst auf. Dies bleibt dem rechtmäßigen Landesfürsten vorbehalten, und bevor Tirol nicht auf diese Weise in seine Rechte wieder eingesetzt wird, bleibt die Konstitution für das Land ohne Kraft; und um den auffallenden Unterschied zwischen der einen und anderen Repräsentation zu zeigen, gefällt es mir sehr gut, dass man die Repräsentanten nach den bestehenden Kreisen bestimmt hat und diese der Oberkommandant ernennt. In Bezug auf die angetragenen Repräsentanten habe ich nichts zu erinnern, sie gefallen mir alle gut. Soweit man sehen kann, sind alles echte Tiroler. Es wäre nur zu überlegen, ob statt des Herrn Suitner nicht Herr Carnelli genommen werden soll, damit auch einer vom Merkantilfach dabei ist. Mörl muss ersetzt werden. Falser wäre dazu geschickt, aber er verlässt Bozen ungern und wir würden ihn schwer vermissen." Dieser Brief zeigt, welch trübe Wogen im damaligen Tirol das Klubwesen und Gesinnungsschnüffelei geworfen hat. Was der alte Herr vorschlug, hieß doch nur den Teufel mit Belzebub vertreiben. Er selbst bekennt in einem Briefe: „Anderlan wäre tüchtig, ist aber nicht zu brauchen er war schon unter Österreich zweideutig." Dasselbe Urteil, nur mit der entsprechenden Variante, hatten über ihn die Bayern (s. ob. p. 87). Offenbar hatte sich der Mann keinem Klub angeschlossen und lief deshalb Gefahr, zwischen zwei Mühlsteine zu geraten.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 646

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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