648 - Aufsteigende Schwierigkeiten


Marktrichter Gstirner von Matrei ins Gesicht, den er ad audiendum in die Hofburg zitiert hatte: er habe Ursache, mit einigen Obrigkeiten unzufrieden zu sein, er wisse schon, wie manche sagen, seine Befehle seien Makulatur: „Sie müessen öpper nit glabn, i röd mit Ihnen åls Såndwirt, i röd im Nåmen des Koasers und des Prinzen Johann." 1) Dagegen fand es nicht seine Billigung, wenn sich seine bäuerlichen Kollegen allzu sehr in die Regierungsgeschäfte mischten. Wir hören, so sagt er in einem Erlass, sehr ungern, dass manche, welche von uns mit der Leitung der Defensionsgeschäfte in verschiedenen Orten aufgestellt sind, anstatt die Zivilbeamten zu unterstützen, sich nicht nur in politische Sachen einmischen, sondern auch selbst in Kassesachen die ausschweifendsten Anmaßungen sich erlauben, das ist unbedingt verboten, alle Behörden müssen zusammenwirken. 2) Solches Zusammenwirken wurde oft genug vermisst. Nur ein Fall statt vieler mag hier registriert werden. Hofer hatte zur Linderung der Not im Inntal ein „forciertes Almosen" ausgeschrieben. Für jeden Steuerknecht, die landesübliche Steuereinheit, sollten 8 G. geliefert werden. Darauf trat der Gerichtsausschuss von Bruneck zusammen und beschloss: auf ein forciertes Almosen lässt man sich nicht ein, alles muss freiwillig sein, nicht das Steueramt sondern die Geistlichkeit soll die Gaben sammeln, ihre Ablieferung nur gegen Quittung geschehen, damit man einst vom Kaiser Vergütung fordern kann. Dem Landrichter blieb nichts übrig, als davon nach Innsbruck zu berichten: „Das ist hier die allgemeine Denkungsart. Jeder meint, sich über die Befehle der Obrigkeit hinwegsetzen zu können. Ungehorsam, Eigennutz und Rache verdrängen jede edlere Empfindung. Eine Verordnung wird nur dann ausgeführt, wenn sie diesen niedern Triebfedern nicht entgegen ist. Im andern Fall unterliegt sie tausend Bedenklichkeiten, wenn sie auch von der Stimme der Menschlichkeit geboten ist." 3) Das Generalkommissariat, das sich mit dieser Klage des Richters zu beschäftigen hatte, resolvierte im Gefühl der eigenen Ohnmacht: „Die Leute sollten bedenken, dass diese Sammlung vom Oberkommando angeordnet wurde. Wenn aber die Leute nur nach eigenem Kopf beschließen, so muss man das für jetzt hinnehmen, bis der gelähmte Verband aller Geschäftsordnung durch die zentralisierte Generaladministration hergestellt und den Oberbehörden das nötige Ansehen wieder verschafft sein wird." 4) Es stimmte also nicht mit der

1) Mitgeteilt von Knoflach a. a. O.
2) Hofers Mandat v. 25. Sept. J. St.
3) Richter v. Vintler, 30. Aug. J. St. Auch der Bozener Gerichtsausschuss verhielt sich ähnlich. Andere Ausschüsse fügten sich. Buchenstein zahlte nicht bloß seine 88 G. d. h. die auf das Gericht entfallenden Steuerknechte, sondern erlegte dazu noch einen „Wohltätigkeitsvorschuss" von 139 G.
4) Gen. Kommissariat an Vintler 25. Sept.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 648

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.