651 - Hofer in seiner Kanzlei


alle Sachen sollen durch die zuständigen Behörden gehen, wurde wenig beachtet. Von früh bis Abend währte der Zulauf; „die einen verlangten nach Geld und Munition, andere beschwerten sich über ein Urteil oder verlangten Absetzung einer Obrigkeit, wieder andere verlangten eine Belohnung usw." 1) Dem einfachen Wirt aus Passeier war sehr viel zugemutet. Wurde ihm der Lärm und das Gedränge der Parteien zu arg, so wandte er ihnen mal den Rücken zu und zog sich in ein Nebengemach zurück. Bei den vielen schriftlichen Eingaben lernte er gar bald die Kunst des Liegenlassens. Vieles verwies er auf den gewöhnlichen Weg der Amtserledigung zurück, aber in zahlreichen Fällen hat er von der Leber weg sein Machtwort gesprochen. Dass dabei nach dem Hausverstand, nicht nach dem geschriebenen Recht verfahren wurde, wer wollte es dem einfachen Passeirerwirt verargen? Ein Bursche aus Zillertal tritt mit seinem Mädel vor ihn und beklagt sich über den Fügener Dechant, dass er sie nicht zusammengeben wolle. Meint der Sandwirt: „Was soll da für ein Anstand sein? Beide haben Geld, man weiß von ihnen nichts Ungleiches, und da es nun schon einmal so weit gekommen, wird das beste sein, man macht die Sache vorwärts." Sollte aber der Dechant sich beharrlich weigern, dann könnte, so glaubt der schlecht beschlagene Kanonist in der Bauernjoppe, wohl sein guter Freund Pfarrer Haser „von der Güte sein". 2) Ein Wildschütz und Totschläger, welcher sich der Justifizierung durch die Flucht entzogen hatte, suchte bei Hofer fußfällig um Begnadigung an. Sie wurde ihm zuteil mit der schriftlichen Weisung, „sich nicht mehr in solche Händel einzulassen und sich in jeder Beziehung als rechtschaffener Mann zu benehmen". 3) So manches Bittgesuch fand gleich nach der Lesung seine gnädige Erledigung: „Vyath (fiat), es soll „geschöchn und will ihn pöstens empfoln haben." Ging eines, das ihm der Empfehlung wert schien, zurück an die Generaladministration, so versah er es mit seiner großen Signatur „tue es extra rekommandieren''. Im Weigerungsfall setzte er ein entschiedenes „kann nit sein" auf das Stück. 4) Unbehaglich war es ihm, Amtsschriften lesen zu müssen, deren Sinne sein schlichter Verstand nicht folgen konnte. Dankbar begrüßte er es daher, als Danei ihm eines Tages aus einer Menge von Eingaben und Relationen einen leicht

1) So schildert es Danei nach Autopsie.
2) Hofer an Haser 4. Okt. J. M. Der Ehewerber war Georg Haisler von Fügen. Haser bedeutete seinem Freund, dass er nicht so einfach einspringen könne. Darauf musste in Hofers Auftrag Danei dem Dechant mit „Transportierung nach Innsbruck" drohen. Dieser aber rechtfertigte sich vor Danei, der es übernahm, den Sandwirt zu beruhigen.
3) Die ergreifende Geschichte dieses Wilderers, Peter Schwaiger von Wattenberg, in J. M. Ein Auszug mit Hofers Dekret in Tir. Stimmen 1906, Nr. 298 v. Wörndle.
4) Ein paar originelle Fälle bei Rapp, 610.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 651

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.