686 - Flucht aus Hallein


ihm aufwarteten, forderte er reichliche Lieferung und Anschluss an die gute Sache. Die Entschuldigungen der Behörden wollte er nicht gelten lassen und berief sich auf die glänzenden Siege und den augenscheinlichen Beistand des Himmels. Auf die Bürger machte das alles wenig Eindruck, weil nach den Worten des Richters „die große Simplizität der Organisationstendenz keinen Erfolg versprechen konnte." Mit den Lieferungen musste sich der Rotbart vorläufig begnügen. Aber am nächsten Tage berief er die Magistrate wieder. Diesmal machte Hauptmann Harasser den Sprecher: zehnjährige Steuerfreiheit und die Verfassung, wie sie die Tiroler genossen, endlich die Vereinigung der in Hallein liegenden Streitkräfte mit denen vor Reichenhall und die Erstürmung Salzburgs stellte er in Aussicht. Auch das zog nicht. Aus den Halleinern war keine Erklärung herauszubringen. Haspinger brach ab und entließ sie mit den Worten, nun wüssten sie, was sie zu tun haben. Nicht bloß an der Stadt erlebte der Rotbart keine Freude, auch seine vertrautesten Freunde beurteilten kopfschüttelnd sein blind vorwärtsstürmendes Wesen. Hofer ließ ihm sagen: „Was nutzt es, wenn wir in Salzburg sind? Unser einziges Augenmerk muss darauf gerichtet sein, die Pässe besetzt zu halten." 1) Und Speckbacher wie Wallner waren derselben Meinung. Da er mit seinem Angriffsplan auf Salzburg dem Widerspruch bei den eigenen Leuten begegnete, so verließ er am 1. Oktober Hallein und wandte sich nach Radstadt und Schladming, um bei den Steirern und Kärntnern sein Glück zu versuchen mit seinem Lieblingsprojekt, durch die Insurgierung dieser Alpenländer Napoleon abzuschneiden und gefangen zu bekommen. Vor seinem Abgang ließ er noch den Verweser des Salinenamtes Sigmund von Helmreich, welcher sich der Veräußerung der Salzvorräte widersetzte, zum Sandwirt nach Innsbruck transportieren. Eben diese Vorräte sollten den unbezahlten und notleidenden Mannschaften einen Teil ihrer Löhnung verschaffen. Deshalb bot eine Kundmachung Harassers den Käufern das Salz um niedrigen Preis an. 2) Es blieb jedoch keine Zeit mehr, um solche Geschäfte zu realisieren. Beim Tagesgrauen überraschte am 3. Oktober General Montmarie, von dichtem Nebel begünstigt, die in Oberalm stehenden Schützen, welche, ohne Widerstand zu versuchen, sich nach Hallein flüchteten — und unmittelbar hinter sich den Feind. Allgemeine Panik ergriff die Bauern. Durch die Tore der Stadt eilten sie auf die nahen Berge. Wer nicht schnell genug war, fiel unter den Säbeln der verfolgenden Reiter. Hallein musste für die kurze Anwesenheit der Tiroler schwer büssen. Franzosen und Bayern plünderten in der ersten Wut die Stadt und

1) Hofer an Firler (mit dem verschriebenen Datum 20. Sept. J. M.) Der Brief ist wohl erst aus den letzten Septembertagen. Wallner beschwert sich 1. Okt. gegenüber Straub, dass ihm Haspinger keine Munition zukommen lasse.
2) Ausschreiben v. 1. Okt. M. K.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 686

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.