692 – Eisenstecken


Ehe zwei Tage verstrichen waren, stand an der Sprachgrenze ein Aufgebot, das man auf 10 000 Köpfe schätzte. Die Stadt Bozen musste mit Mundvorrat und Schiessbedarf aushelfen. An der Rochetta, selbst am Tonale stellten sich die Nons- und Sulzberger auf. So kam man schnell wieder zu Kräften. Schon am vierten Tag seines Kommandos rückte Eisenstecken südwärts, zwang die Franzosen aus Lavis und Gardolo hinaus, und nun war Peyri in Trient der eingeschlossene. Besonders verdienstlich hatten die Fleimser mitgewirkt. Jetzt ging es wieder hoch her im Bauernlager. Mit den kühnsten Hoffnungen trug man sich. Durch seinen Schwager, den Eisenwirt, ließ der Badler den Bozenern sagen, binnen 24 Stunden würden die in Trient eingesperrten Franzosen entweder vertilgt oder doch mit Hilfe der Nonsberger gefangen werden. 1) Und Hauptmann Tschöll jubelte nach Hause: „So schlecht sich die Sache bisher ansah, so gut ist sie ausgegangen, Viktoria, morgen hoffe ich in Trient das Frühstück zu nehmen." 2) Allein Peyri war kein bereitwilliger Koch. Obgleich eng blockiert, wies er Aufforderungen zur Übergabe unbedingt zurück. Das Geschützfeuer der Bauern beirrte ihn nicht. Unangenehmer war es für die Stadt, dass Zufuhr und Wasser abgeschnitten wurden. Eine Belagerung ist, wie es sich auch bei Kufstein gezeigt hatte, für ein Volksheer immer sehr misslich. Diese Erfahrung bestätigte sich auch mit Trient. Die Massen — es sollen sich gegen 20 000 eingefunden haben — waren nicht zu zügeln, nicht zusammenzuhalten. Es war keinerlei Fortschritt zu verzeichnen. Was nunmehr nach Innsbruck geschrieben wurde, bestand nur in dringlichen Forderungen um Munition. 3) Eisenstecken vermochte die Übelstände, deren Beseitigung seine Berufung zum Kommando galt, nicht auf die Dauer zu bannen. Unter den Hauptleuten erneuerten sich die früheren Streitigkeiten. 4) Manche begehrten verdrossen ihren Abschied. Was um Trient herum lag, war eine fluktuierende Menge: die einen kamen, die andern gingen. Bei solchen Umständen wurde der bei einer Einschließung doppelt wichtige Wachtdienst leicht genommen, wohl auch

1) Frau v. Giovanelli an ihren Gemahl, 5. Okt.
2) 6. Okt. Auch das angehängte P. S. zeigt die rosige Stimmung des Schreibers: „An mein liebes Weibele einen glutheißen Kuss." J. M.
3) Hofer an Morandell: „Wir wünschen aus wichtigen Gründen eilig zu wissen, wie die Sachen in Südtirol stehen." Eigenh. setzt er bei: „Es ist auch das unser Sorg, sie möchten sein von Kopf komen, indem uns gar keine Nachricht zukommt außer das von Salurn, dass man soll 40 Platten Blei schicken. Ich habe mir denkt, sie wollen nach Mailand reisen und dort die großen Föstungen zamschiessen, sonst kann ich nicht verstehen, was man so viel Blei prauchn möchte." H. M.
4) Briefe des Hauptmanns der Kompagnie von Kaltern, Joh. v. Schasser, an seine Frau. A. D. Hepperger: Torggler, Tönig und Schweiggl waren eifersüchtig auf Eisenstecken und wollten ihm nicht gehorchen, machen für sich dumme Dispositionen. „Nur die Bozener Standschützen unter Scherer mit einigen Meraner Bauern hielten stand, mussten aber auch weichen, um nicht abgeschnitten zu werden.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 692

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.