693 - Unglück vor Trient


gar nicht versehen. So konnte das Erscheinen einer feindlichen Patrouille zur Nachtzeit bei Allelaste genügen, um in dem dort postierten linken Flügel der Tiroler — es waren ein paar tausend Mann — eine förmliche Panik zu erzeugen, welche sich auch auf die andern Abteilungen verbreitete. Der wachsame Peyri erkannte die Lage und machte einen Ausfall. Von einem Widerstand war keine Rede, alles floh über Stock und Stein, erst hinter Lavis, dem sich der Feind gar nicht näherte, erholte man sich. 1) So nahm die kaum begonnene Blockade ein schmähliches Ende. Nicht der Verlust an Menschen, nur der an Bagage und Waffen war groß. Es war dieser 10. Oktober, wie man zutreffend gesagt hat, weniger ein Tag des Unglücks als ein Tag der Schande. Solch ein Schlag war nicht danach angetan, um das Ansehen Eisensteckens, der ja persönlich mit all seinen Kräften der Ausreißerei gesteuert hatte, zu heben. Der einzige Sandwirt, wenn er käme, so verlautet eine Stimme, könnte noch eine Wendung zum Bessern bringen. 2) Der Landsturm verlief sich ganz, auch in den Schützenkompagnien gab es große Lücken, selbst solche der sonst immer waffenbereiten Burggräfler sanken auf die Hälfte des ursprünglichen Mannschaftsstandes, ungeduldig harrten jene, die noch aushielten, deren Dienstzeit aber schon abgelaufen war, der Abberufung. 3) Anstatt des Sandwirts trafen Befehle desselben ein, die einen Teil der Streitkräfte nach Nordtirol riefen, weil dort die Gefahr noch grösser sei. Es war daher schon eine Leistung, dass Eisenstecken wenigstens die Stellung bei Lavis behauptete und einzelne Vorstöße der Franzosen auf Mezzolombardo zurückwies. Bald verkündete Peyris Nachfolger, General Vial, den Abschluss des Friedens.

Tirol war in diesen Monaten des Waffenstillstandes, da es allein den Krieg fortführte, wie eine Insel im Weltmeere, abgeschnitten von jedem offiziellen oder gar regelmäßigen Verkehr mit dem Auslande. 4) Dennoch

1) Jos. Thomas Zingerle meldet auf Grund von Nachrichten Eisensteckens die Affäre nach Passeier: „Bei der Flucht sind manche bis in ihre Heimat zurückgelaufen." Meran, 13. Okt. J. St.
2) Ein Ungenannter an Giovanelli d. j., Salurn, 10. Okt.: „Der Kommandant (Eisenstecken) leistet alles, was man von ihm fordern kann, aber mehrere eingedrungene Kommandanten verderben alles. Vater Sandwirt würde alle Unordnung heben. Er soll hereinkommen, bemühen Sie sich." A. G.
3) Balt. Leiter von Algund und Peter Thalguter an die Meraner Kommandantschaft, Salurn, 17. Okt. J. M. Job. Hofer an Jos. Gufler, 17. und 24. Okt. J. St. Vom Zug in das Inntal oder gar in das Salzburgische wollten die Passeirer bei Lavis nichts wissen. Job. Hofer schreibt: „Ich weiß nicht, warum unsere Leute außer Land gehen. Wills der Sandwirt, oder wer? Mit dem Hinausziehen wird nur Arbeit versäumt. Was ist es, wenn wir den Feind im Land und keine Ruhe haben? Es ist besser, den Feind aus dem Land treiben, als da lassen."
4) Die Kemptener Zeitung „Neueste Weltbegebenheiten", schreibt unter d. 11. Sept.: „Tirol, da es sich der Anwendung des Waffenstillstandes widersetzt, hat sich geschieden von der Welt, alle äußeren Verhältnisse mit diesem Lande sind ab gebrochen und die Kunden von daher meist aufgedunsene Sagen, die sich nicht nachsprechen lassen."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 693

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.