702 - Verkehr zwischen Österreich und Tirol


das Bedürfnis, von jener Seite, von der einst so heilige Versprechungen erklungen, Trost und Hilfe zu heischen. Der hiezu notwendige Verkehr war mit großen Gefahren verbunden. Tirol war gegen Österreich vollständig abgeschnitten. Rusca hielt sorgfältig Wache. Schriftliche Rapporte mitzugeben wurde daher möglichst vermieden, solche zu befördern erwies sich oft als vergebliches Bemühen. 1) Mancher Zettel, noch so gut versteckt, musste während der Reise eines Boten verworfen oder vertilgt werden, um nicht in unrechte Hände zu fallen. Auch zu höchst primitiven Chiffren hat man seine Zuflucht genommen. 2) So bestand die Korrespondenz hauptsächlich in mündlichem Überbringen, wobei Herz und Phantasie des Kuriers einen weiten Spielraum hatte. Nicht alles, was als Gruß und Befehl von den aus Österreich zurückkehrenden ausgerichtet wurde, kann daher Anspruch auf volle Autorität erheben.

Die erste Kunde, die Hofer in der Innsbrucker Burg aus Österreich empfing, brachte sein Freund Trogmann, der am 13. August in Czakathurn den Erzherzog Johann getroffen. 3) Sie bestand, da er sich auf der Heimreise vor den Nachstellungen der Franzosen des mithabenden erzherzoglichen Schreibens hatte entledigen müssen, nur in mündlicher Relation, die er schon dem Kommando in Pustertal, dann wieder im Kreise Hofers zu Innsbruck ablegte. Wie sehr die Überlieferungen dieses Trogmannschen Berichtes auseinandergehen, in einem Punkte stimmen sie zusammen: die Tiroler sollen ausdauern. 4) Gerüchte wirbelten durcheinander wie die Mücken beim Sonnenschein. Erzählte einer, er habe gesehen die Österreicher in Salzburg einziehen, so präsentierte sich

1) Huters Erzählung bei Scala, Huter p. 103.
2) Zwischen dem nach Totis abgehenden Freiherrn v. Lichtenthurn und den Burggräflern wurde vereinbart, dass er ihnen in seinen Briefen den Stand der Hauptsache mit Kreuzen andeuten werde, mit einem, wenn sie schlecht, mit zwei, wenn mittelmäßig, mit drei Kreuzen, wenn sie gut stehe. Mém. de Mais.
3)Trogmanns zwei Begleiter (üb. diese s. ob. p. 573, Anm. 5) gingen von Johann zum Kaiser; ihr erzherzogliches Kreditiv in J. M. Conc.
4) Aus Pustertal (Luxheim) wird als mündlicher, dem Trogmann mitgegebener Auftrag des Erzherzogs publiziert: „Gegenwärtig ist von Österreich kein Friede angenommen, sondern es soll der Krieg fortgeführt werden. Aber der Tag der Eröffnung kann noch nicht angegeben werden. Unterdessen wünscht der Erzherzog, dass sich die Tiroler tapfer verteidigen. Man soll schnell wieder einen Kurier zu ihm schicken mit verlässlichem mündlichem Aufschluss über die Lage des Landes." Mém. de Mais. Dagegen berichtete Holzknecht über das, was Trogmann brachte, nach Passeier: „Johann hat ihm versichert, dass Tirol nicht mehr viel zu fürchten hat, weil Rusca wahrscheinlich nach Italien zieht. Die Oberösterreicher sind noch immer im Verteidigungszustand begriffen wie die Tiroler. Der Waffenstillstand ist nicht dadurch herbeigeführt worden, dass Russland dem Kaiser in den Rücken fiel. Johann versichert bei seinem Ehrenwort, dass Russland zu Österreich hilft, wenn der Krieg wieder angeht." (Nun folgt ein buntes Allerlei über Verrätereien bei Wagram und über Karls Rücktritt.) „Auf das hin habe der Kaiser einen Waffenstillstand geschlossen und soll in dieser Eile auf Tirol zu seiner größten Bestürzung nicht einmal gedacht haben. Als E. Johann hörte, dass Tirol wieder auf drei Seiten vom Feind überfallen würde, hat er sich so verwundert, dass er sich in Ohnmacht niedersetzte und darauf sagte: Liebe Tiroler, ich bitte euch, haltet euch standhaft, es wird noch alles gut gehen, ich werde euch nächstens einen Kurier zu eurer Freude schicken." Holzknecht setzt noch bei: „Lasst nur nicht von den Waffen und vom Gebet, dann wird Gott mit uns sein. Sobald etwas Sicheres vom Hauptquartier des Erzherzogs in Czakathurn kommt, werde ich es euch mitteilen. Diese jetzige Nachricht soll an alle guten Freunde und besonders der Sandwirtin mitgeteilt werden. Wir leben hier gesund und haben keine Furcht." Holzknecht an Gufler, 23. Aug. Abgedr. im Tir. Bot. 1893 p. 1594. Luxheims Variante ist gedr. in „Interess. Beiträge" p. 163.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 702

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.