708 - Ein Operationsplan


Kaiser nichts Schriftliches herauszubringen, wäre es, so drängt Roschmann in Johann, doch sehr wichtig, wenn er den Tirolern bei der Gelegenheit, da sie vor der Heimreise noch zu ihm gingen, etwas „Schriftliches sagen" würde. Eben deshalb die Zusendung des Entwurfes. Dieser nimmt an, dass bei Wiederausbruch der Feindseligkeiten fast alle disponiblen Truppen des Feindes sich nach Ungarn wenden werden. Selbst die in Innerösterreich stehenden werden die Bestimmung erhalten, nach Kroatien zu operieren. Hat Tirol bis dahin sich behauptet, so wird es also nur geringe feindliche Kräfte gegen sich haben. Für jetzt ist es die Hauptsache, den ganzen Landsturm zu organisieren, Waffen und Munition zu sammeln, mit Kärnten, das gewiss mittun wird, sich ins Einvernehmen zu setzen. 1) Falls die Feindseligkeiten beginnen „und die feindliche Hauptarmee geschlagen sein wird", ist das Wichtigste für die Tiroler die Wiederholung der Einfälle nach Bayern, womöglich bis an die Strasse von Augsburg nach Ulm, um alle feindlichen Posten abzufangen und Transporte zu hindern. Dabei müssen sie offene Gegenden meiden, die Märsche möglichst bei Nacht zurücklegen, bei Tag in Wäldern und kupiertem Terrain ausruhen, den Feind über ihre Stärke stets im Ungewissen lassen. Kufstein soll umschlossen bleiben. Etsch- und Pustertal müssen sich gegen äußere Einfälle sicher stellen und dazu genug Mannschaft unterhalten. Wenn zugleich die Kärntner und Steirer dem Feind die Strasse nach Italien abschneiden können, so würde es für diesen ein großer Abbruch sein. Je weiter die Tiroler in das Inner- und Oberösterreichische hineinziehen, umso besser. Denn da wird der Feind unmittelbar im Rücken bedroht, vielleicht werden sich außer den Salzburgern auch die Schwaben anschließen. Aber nochmals sei es gesagt, Tirol soll nicht anfangen, bevor die Hauptarmee geschlagen ist. 2)

Der Erzherzog händigte diesen auf Schrauben gestellten „Operationsplan" Sieberer ein mit einer „Instruktion", 3) in welcher wahrscheinlich die Rückäußerung Hofers gefordert war. 4) Außer dem Reisewunsch, den er den Tirolern mitgab, hat er dadurch den Entschließungen am kaiserlichen Hoflager gedient, dass er einen neuen ermunternden Aufruf an das Land

1) Eine kaiserliche Entschließung auf einem Kärnten betreffenden Bericht lautet (23. Sept.): Der von mir als Oberlandes- und Armeekommissär nach Tirol geschickte Roschmann hat den bestimmten Auftrag, womöglich mit einem Teile der Tiroler nach Kärnthen einzubrechen und dort die Ausführung des Landsturms zu erleichtern. A. J.
2) Dieser Entwurf liegt Roschmanns Brief v. 15. Sept. bei.
3) Diese Stelle ist in Hormayrs Abdruck von Sieberers Tagebuch ausgelassen.
4) Zu Mitte September notiert der Erzherzog: „Will man von der Volksstimmung in Österreich Nutzen ziehen, so geht das nur. so lange, als Tirol unbesiegt ist. Von der größten Wichtigkeit ist es, dass während des Waffenstillstandes Tirol sich nicht ergibt, sonst macht der Feind aus dem Lande ein abschreckendes Beispiel. Nötig ist es auch, mit den Führern in Tirol einen Operationsplan zu verabreden."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 708

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.