718 - Falsche Nachrichten in Tirol


über einen baldigen Frieden nicht verstummen. Hofer steht in seinem Erwiderungsschreiben auf die Sendung selbst unter ihrem Einfluss. Die in Trient stehenden Franzosen wurden nicht müde, in Aufrufen den Frieden zu verkünden. 1) Giovanelli in Innsbruck kann den Zweifel über das hereinbrechende Unglück nicht mehr in sich ersticken. Wir haben, schreibt er vertraulich, keine offiziellen Nachrichten, aber ich halte den Frieden für sicher. „Im Publikum sehe ich nichts davon, ich will auch nicht der Verbreiter solcher Nachrichten sein, aber unter uns gesagt, ich habe viel mehr Gründe zu fürchten als zu hoffen. Mein Trost ist nur, dass der Vater im Himmel über uns wacht, er wird uns nicht mehr auflegen als wir tragen können. Glücklich, wer in diesem Land der Prüfung das Vertrauen zur Vorsehung nicht verliert." 2) Offen durfte man darüber nicht sprechen, man lief Gefahr, als Verdächtiger oder Verräter behandelt zu werden. 3) In solch quälender Lage begrüßte man es als willkommenen Ausweg, zu vernehmen, der Friede sei zwar gemacht, aber ein verhältnismäßig günstiger. Nessing wusste bei seiner Ankunft in Tirol darüber allerlei zu schwätzen, im Bozener Hause Giovanelli, wo er geschäftlich zu tun hatte, 4) ließ er seine Ente ausfliegen: Österreich bekommt Dalmatien zurück, erhält außerdem Bosnien und Serbien und muss dagegen Westgalizien abtreten; die bisher von Napoleon ausgeschriebenen, aber noch nicht bezahlten Kontributionen „bleiben ungetilgt", Österreich wird zweiter Protektor des Rheinbundes, nach dem Ableben Bonapartes erster; Salzburg und Tirol kommen an Erzherzog Ferdinand, der dafür Würzburg an Bayern überlässt; die beiden Kaiser schließen „ein beständiges Bündnis", demzufolge Österreich im Notfall 100 000 Mann zu stellen hat. 5) Das waren Bedingungen, die sich hören ließen, gegen die auch der kriegslustigste Patriot schwerlich etwas einwenden konnte. Tirol kam von Bayern los, zurück an das alte Fürstenhaus. Nessings Erzählung fand Glauben. Selbst die Innsbrucker Zeitung durfte wagen, darüber zu berichten. Der Friede, so tönt es jubelnd aus einem Briefe, ist also geschlossen, die Bedingungen sind für Österreich und uns sehr ehrenvoll. Hofers Adjutant Purtscher beeilt sich, die Hauptleute schriftlich davon zu verständigen, und

1) Ein solcher Aufruf v. 7. Okt., den Widder, unter dem Schutz der Franzosen nach Trient zurückgekehrt, unterzeichnet als bayrischer Generalkreiskommissär in Mém. de Mais.
2) Giovanelli an s. Frau, 10. Okt. A. G. Am selben Tag schreibt Giovanelli, d. ä. aus Bozen: „Man spricht immer mehr vom Frieden. Ich muss aber voraussetzen, dass, wenn auch die österreichischen Minister auf Tirol vergessen, doch gewiss der Kaiser dem Land die Nachricht schicken würde. Jedenfalls muss man warten, bis Hofer von daher benachrichtigt ist."
3) Offene Ordre Hofers v. 9. Okt. gegen die Friedensgerüchte, die nur feindliche „Finessen" seien.
4) Nessing hatte das mitgeführte Geld bei Giovanelli zu deponieren.
5) Giovanelli d. ä. an den Sohn, 11. Okt. A. G.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 718

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.