722 - Not in Unterinntal


Begeisterung blinder Fanatismus getreten. Durch Wochen bereits gab es von keiner Seite mehr eine Siegesnachricht, nur Anzeichen des nahenden Unheils türmten sich auf.

Den Abend des festlichen Franziskustages hatte dem Sandwirt die Meldung von der Preisgabe Halleins verbittert. Es war das Anfangsglied einer Kette schwerer Schläge und der rasch sich ablösenden Unglücksbotschaften. Liest man die in diesen Tagen zwischen den unterinntalischen Kommandanten gewechselten Briefe, so erhält man den Eindruck trostloser Zerfahrenheit. Firlers Adjutant Beham ruft nach Brot und Munition, wenn nicht alles auseinanderlaufen soll. Hauptmann Aichinger in Unken schimpft über den schlechten Wein, „das infame Gesüff", das für einen Hund zu schlecht wäre; vor allem verlangt er Brot. Wochenlang bildete Fleisch die einzige Nahrung der an Mehlkost gewohnten Bauern, unter denen infolgedessen Krankheiten auszubrechen begannen. 1) Überall gebrach es an Geld. Schreibmaterialien, Papier und Oblaten, musste der Sandwirt aus Innsbruck nachsenden. Die Unlust am Waffendienste wuchs. Manche Kompagnie hatte nicht die Hälfte ihres Standes. Eine solche von Hall zählte nur 52 Mann. Die Nachschübe brachten oft ungeübte Mannschaft. Von den 93 Mitgliedern der Möltener Kompagnie des Hauptmanns Schätzer, die zur Schanze bei Kössen kam, vermochte kaum die Hälfte mit dem Gewehr umzugehen. Eine Meldung Firlers aus Melleck sagt: „die Leute reißen aus, gestern (10. Oktober) liefen die Steinacher fort, nachdem sie erst einen Tag dagewesen, heute wieder die zwei Thauerer Kompagnien, das Heimweh ist zu groß". Hier sollte nach Hofers Befehl Sieberer ordnend eingreifen. Der Örtlichkeiten genau kundig, unterzog er sich gern dem Auftrage. Überall fand er die Dinge übel bestellt, abhelfen konnte er nicht, nur Bericht erstatten. Bei dieser seiner Inspektionstour gedachte Sieberer auch des von Hofer betriebenen Vereinigungsprojektes. Er erzählte den Leuten von seinem Aufenthalt in Totis, von der Gewogenheit des Kaisers und dessen Geneigtheit, den Untertanen die Lasten zu erleichtern. In Wörgl versammelte er Vertreter des tirolischen Unterinntals und Zillertals, auch solche der angrenzenden salzburgischen Bezirke und ließ sie eine Supplikation unterzeichnen, wo um Verringerung der Abgaben und um Arrondierung des Landes gebeten wurde. 2) Er meinte wohl, damit die Leute dienstwilliger zu stimmen. Der Sandwirt sparte nicht mit Proklamationen. In einer derselben verweist er

1) Noch am Gallimarkt in Saalfelden (16. Okt.) kauft Firler Vieh, für dessen Bezahlung die Viertlsleute Bürgschaft leisten müssen. Lottersperger a. a. O. Speckbacher meldet 7. Okt. die Erkrankung der Leute. M. K.
2) Freiherr v. Lichtenthurn, Aktuar von Kufstein, an das Gericht Itter, Wörgl 6. Okt., beiliegend das Concept des Gesuches mit dem Vermerk: „Bei dieser Konferenz v. 9. Okt. waren auch Brixentalische Abgeordnete anwesend." M. K.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 722

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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