728 - Ratlosigkeit


Tausende, welche ihm, dem verwegenen Führer, zu folgen pflegten! Nicht einmal in dem sonst so kampflustigen Hochtal traf er eine hoffnungweckende Mannschaft. Und doch waren vor allem Leute nötig, viele Leute, wenn nicht alles verloren sein sollte. Durch alle Mittel der Überredung, im Tone frommer, bittender Zusprache nach der Weise Hofers, dann wieder im Feuer zorniger Drohung sucht er die erschlaffenden Geister zu wecken. 1) Sein Erscheinen bei Strass wirkte zündend. Ihn erblickend rief alles: Jetzt nur vorwärts! Freilich, eine Wolke in seinem wettergebräunten Antlitz ließ sich nicht verdecken, mit wenigen Worten erzählte er den Verlust des Sohnes. Man bemerkte alsbald an ihm, dass er gramvoll die Gesellschaft der Männer mied.

Von der Innsbrucker Hofburg bekamen die Hauptleute am Ziller keine Weisung. Den Ruf um Zuzug beantwortete der Sandwirt mit der Nachricht, der ganze Landsturm Oberinntals sei aufgeboten und werde am 20. „hinunterkommen". Hofer dachte nur, Stellung am Berg Isel zu nehmen. Als Firler vor den Freunden diesen Gedanken vertrat, wurde er ein Hasenfuss gescholten. Sie blieben vielmehr dabei, hinter den Schanzen Rattenbergs den Feind zu empfangen. Nur Sicherer trennte sich von ihnen. Ihm wurde Zillertal zugewiesen, um daraus Verstärkung gegen Rattenberg zu senden und mit einem anderen Teil der dortigen Leute den Übergang am Gerlospass zu bewachen. Er fand aber wenig Anklang, obgleich seine Person bei den Talbewohnern beliebt war. Einige hundert Mann rückten auswärts, um jedoch am selben Tage noch umzukehren. 2) Kaum nach Gerlos gelangt, erfuhr Sieberer die Preisgabe Rattenbergs und beeilte sich nun, über die Hundskehl sich nach Pustertal

1) Aus Thierbach in der Wildschönau datiert Speckbachers offene Ordre v. 19. Okt.: „Ich bitte um Gottes willen im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit und des süßen Namens Jesu und Marias und im Namen des Sandwirts und unseres christkatholischen Kaisers, besonders im Namen unserer Mutter, der katholischen Kirche, dass alle Menschen, welche nur eine Waffe tragen können, aufbrechen, und mit dem allgemeinen Landsturm ausziehen. Wer kein Schiessgewehr hat, der wird innig gebeten, diese müssen Spieße oder Mistgabeln an langen Stangen machen und mit solchen Waffen ihr Möglichstes tun. Und wenn wir uns bei Rattenberg nicht mehr halten können, so bitte ich in obigen Namen alle, nach Oberinntal gegen Innsbruck auf die Berge zu ziehen, dort werden sie schon den Sammelplatz erfahren, wo wir uns wieder wehren werden, um den Feind zu Grund zu richten und um für unsere Religion, unser Vaterland und unsern Kaiser zu streiten. Liebste Brüder, seid tapfer und nehmt dies euch oft zu Herzen. Ihr werdet selbst einsehen, dass sonst in ganz Tirol alles verloren ist. Wenn der Feind unser Vaterland bezwungen haben wird, so wird er euch gewiss feindlich finden. Keiner wird dann entweichen können und als Teufels Märtyrer das Leben lassen." (Abgedr. in Tir. Stimmen 1897 Nr. 6) Gegenüber diesem Aufruf, dessen Ton nicht in Speckbachers sonstiger Art lag, verweise ich auf .eine Stelle aus Lergetpores Tagebuch für dieselbe Zeit: „Speckbacher kam nach Zillertal, aber er hat die Zillertaler zu rauh angeschnarret, da er drohte, ihnen die Häuser zu verbrennen, wenn sie nicht mittun."
2) Pichls Tagebuch a. a. O.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 728

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.