735 - Hofer an den Kaiser


Nur ersuche ich recht dringend um Nachricht über die eigentliche Wendung der politischen Dinge und um reichliche Unterstützung." Der Ungehorsam des kaiserlichen Beamten wird schwer zu verteidigen sein. Aber klang es nicht wie ein Vorwurf nach oben, dass man ihn abrief ohne dafür zu sorgen, dass er dem Volke „dies oder jenes" eröffne? Mit der Erkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse war es bei Roschmann trotz seines Rühmens nicht weit her. Wie hätte er sonst in diesem Augenblick, acht Tage nach dem Friedensschluss, nach reichlicher Unterstützung rufen dürfen? Ganz gebeugt war Hofer. Aus seinem Hauptquartier gingen an Kaiser und Erzherzog flehentliche Briefe. „Nun kommt es", so wendet er sich an Franz, „leider so weit, dass ich mir bald nicht mehr zu helfen weiß. Gestern musste ich Innsbruck verlassen und der Feind wird sicher heute dort eintreffen. Unsere Lage ist schrecklich. Ich sehe mich und mein Vaterland bereits von allen Seiten verlassen, ohne Hilfstruppen, ohne Geld und ohne alle Unterstützung. Man hört nichts als von Frieden. Alle ausländischen Blätter sprechen bestimmt vom Frieden, und überdies fällt uns der Feind mit fast 20 000 Mann ins Land. Der Gedanke, dass E. M. uns bei Abschluss des Friedens vergessen haben soll, lässt sich nicht denken. Auf der andern Seite lässt sich die lange Stille, die immer nur halboffiziellen und unbestimmten Nachrichten der kaiserlichen Kuriere, die äußerst saumselige Unterstützung an Geld und besonders die soeben angelangte Abberufung des erst jüngst gekommenen Roschmann nicht erklären. Nehme E. M. die Lage Tirols, das namenlose Elend, in welches das Land durch diesen Krieg versetzt wurde, in Erwägung. Hat eine Nation das gelitten, was Tirol gelitten hat? Man kann mit Recht sagen, Tirol hat sein Äußerstes getan, und für wen? Für Gott, für Religion und für seinen geliebten Kaiser. Daher nehme ich das Wort im Namen des ganzen Landes, nochmals um schleunigste Hilfe zu bitten. Retten Sie uns, sonst sind wir verloren. Tirol ist bereit, für E. M. seinen letzten Blutstropfen zu verspritzen, ich bürge dafür. Aber ohne Unterstützung können wir es nicht länger aushalten, und dann gehen wir einem grenzenlosen Elend und allgemeiner Verwüstung entgegen. Ich und das ganze Land werfen uns in Er. M. Arme." Johann wurde beschworen, „durch alles, was E. H. zum Mitleid bewegen kann", er möge den Brief an den Kaiser und an den Fürsten Liechtenstein befördern. 1)

Hofers Depression spiegelt sich auch in seinem Erlass an die Meraner Kommandantschaft: „Nun hat uns das Schicksal soweit getroffen, dass wir Innsbruck gestern Abend verlassen mussten. Wir postierten uns auf dem Berg Isel, allein ich fürchte, wir werden uns hier nicht halten können,

1) Hofers Schreiben, Steinach 22. Okt. J. M. Conc., von Purtscher geschrieben, in A. W. Roschmanns Bericht sendet Johann 5. Nov. an den Kaiser.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 735

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.