743 - Lichtenthurn


seine offizielle Sendung erkennen lassen sollten. Mit gelbseidener Querschärpe und den österreichischen Adler am Wehrgehäng trat er unter die Leute. Aber schon im Pustertal boten sich ihm Anzeichen, dass die Abwiegelung des Volkes keine so leichte Sache sei. Die lebhaftesten Zweifel setzte man ihm entgegen. Verständige Männer zwar wie Anton Steger begriffen alsbald die Lage und dachten an Abrüstung. Andere waren um so unzugänglicher. Am liebsten bekämpften sie die Authentizität der Botschaft. Und als Lichtenthurn den Brief mit der Unterschrift des Erzherzogs vorwies, welche Steger, der ehemalige Büchsenspanner, gut kannte, so meinten einige Hartgesottene: Mache man Bankozettel nach, so könne man auch die Unterschrift eines Fürsten fälschen. 1) Es geschah wohl zum Zweck persönlicher Sicherheit von Johanns Deputierten, dass Wörndle selbst ihn auf der Weiterreise begleitete. Er musste ihn wiederholt gegen Insulte schützen. Im Schönberger Posthause angelangt, richtete Lichtenthurn vor Hofer und Genossen seine Meldung aus und übergab des Erzherzogs Brief. Wurde er darauf von der Fallsucht, seiner langjährigen Krankheit ergriffen, so äußerte sich zunächst auf die Umstehenden keine Wirkung, als etwa bei Roschmann die des Ekels. 2) Dieser wenigstens vertauschte seinen Aufenthalt in Domanigs Gasthof mit dem im Hause Josefs v. Stolz, wo er alle Vertrauten Hofers um sich vereinigte. Er, der den trockenen Befehl, das Land zu verlassen, scheinbar nicht hatte erfassen können, fand auf einmal die jetzige Botschaft ganz begreiflich. Es sei nichts anderes zu erwarten gewesen, denn schon bei seiner Abreise von Totis „sei nichts mehr recht zusammengegangen". Der Armeekommissär las den Versammelten Johanns Zeilen vor und entwickelte vor ihnen Unmöglichkeit wie Zwecklosigkeit weiteren Widerstandes. 3) Was er nicht erwartet hatte, trat ein. Von Hofer angefangen, erklärte die ganze Konferenz ihre Geneigtheit, dem Worte des Erzherzogs zu folgen. 4) Dem Sandwirt entrang sich nur noch ein Seufzer an „Gott, unsere liebe Frau und die armen Seelen", die es nicht anders wollen. Der Anregung, Abrüstungsbefehle hinauszugeben, verschloss er sich keineswegs. Schnell war das erste Formular entworfen und mit seiner Namensfertigung versehen. Alle schreibkundigen Hände im Beratungsgemach halfen mit, um

1) Steger a. a. O.
2) Lichtenthurn erholte sich vom Unfall schnell. Nachdem er am 29. Okt. in Schönberg seine Post angebracht, ging er nach Meran. Am 31. langte er an. Was er an Nachrichten mitbrachte, bereitete ihm dort (nach den Mém. de Mais) keine gute Aufnahme. Alles wurde hervorgesucht, was gegen ihn sprechen konnte: sein ehemaliger Verkehr mit Bayrischgesinnten, dass er keinen Auftrag gehabt, nach Österreich zu gehen u. dgl. Eine Reise nach Bozen konnte er nur unter Trogmanns Schutz antreten. Während der Novemberstürme in Meran verbarg er sich im Widum von Mais, am 18. Nov. entfloh er über Mals in die Schweiz.
3) Eigenhänd. Aufzeichnung Dipaulis in J. M.
4) Jordan nennt speziell Brunner und Flarer, die für Ergebung sprachen.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 743

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.