750 - Druets Depesche


nächtlicher Stunde betrat er den Ort, in welchem tiefe Stille auf den Lärm des Tages gefolgt war. 1) Vor Hofers Haus stand eine Schildwache, die ihn einließ. Im Torwege, auf der Hafertruhe hingestreckt, traf er den Rotbart in tiefem Schlaf. Aus demselben aufgerüttelt, fuhr er den nach Hofer fragenden Türk an, er möge den Kommandanten, der sehr ermüdet sei, nicht stören. Während die beiden noch plauderten, pochte es wieder am Tor. Es war eine eilende Ordonnanz mit einem Schreiben Drouets, auf das umgehende Antwort verlangt wurde. Türk wollte die Depesche öffnen, Haspinger aber legte sie beiseite: morgen habe es auch noch Zeit. Auf dem harten Lager sich umwendend, schlief er sorglos weiter den Schlaf des Gerechten. Um 5 Uhr früh wurde es im Hause lebendig. Türk musste staunen über die vielen Einquartierten, die aus allen Winkeln des Gasthofes hervorkrochen, es waren fast anderthalbhundert. Hofer rief auf zum Messgang. Alles Volk folgte ihm in die Kirche, wo er während der heiligen Handlung den Rosenkranz und den länglichen Nachtrag zu den verschiedenen heiligen Patronen vorbetete. Zurückgekehrt ins Quartier, mahnte Türk an Drouets Depesche. Sie musste erst hervorgesucht werden, der Pater hatte sie im Schlaf hinter die Truhe geschoben. Aber auch jetzt war noch keine Zeit zu ihrer Erledigung. Hofers Bescheid lautete: „Jetzt haben wir Gott geopfert, nun müssen wir frühstücken, die Bayern sollen nur etwas warten." Mit Appetit schlürfte man Kaffee und Rotwein, dazu aß man Würste oder kalten Braten. Türk hatte keine Ruhe, er zog den noch anwesenden Wörndle ins Vertrauen, und dieser brachte es endlich zur Verlesung des Schriftstückes. 2) Drouets Antwort lautete abschlägig. Ein Waffenstillstand wurde nicht bewilligt und die Erteilung von Pässen nur unter der Bedingung in Aussicht gestellt, dass der Besetzung Innsbrucks und der Landespässe keine Hindernisse mehr bereitet würden. Dieser schroffe Bescheid entschied den Sieg der Kriegspartei. 3) Alle Phantastereien der letzten Tage wurden vor dem Sandwirt wiederholt, neue Siege vor Innsbruck wurden noch hinzugedichtet. Hofers letztes Zögern war überwunden, nach allen Seiten gingen die Boten mit dem Kampfrufe. Der Waffenstillstand ist abgeschlagen, so berichtet eine Ordre aus Matrei, 4) von der angebotenen Verzeihung will das Volk nichts

1) Türks Kriegserinnerungen (mitget. v. Kull im Progr. des 2. Staatsgymnas. in Graz, 1901); Schmölzer a. a. O.
2) Vgl. die von H. v. Wörndle, „Phil. v. Wörndle", p. 121 erwähnte Familientradition.
3) E. Johann teilt dem Kaiser Drouets Antwort mit und fügt bei: „Man kann daraus sehen, dass Drouet durchaus nicht so vorgeht, um die gegen Bayern erbitterten Tiroler etwas zu besänftigen." J. M.
4) An Straub (Selbstbiogr.), aber mit falschem Datum. Nach Gufidaun meldet Martin Schenk aus Brixen (31. Okt.): „Soeben schreibt mir Hofer, dass wir uns verteidigen sollen, da die Bayern nur den Waffenstillstand eingehen wollen, wenn sie die Scharnitz besetzen und nur 500 Schritte vor Innsbruck gehen dürfen." (Güt. Mitteil. v. Prof. Schönach). Vor den Drohungen der Bauern floh am 31. ein Teil der Beamten in Brixen nach Bozen.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 750

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.