757 - Halbe Massregeln


Eine förmliche Entlassungsordre war auch jetzt noch nicht von Hofer herauszubringen. Im Sinne der in Steinach gefassten Beschlüsse ergingen nach verschiedenen Seiten seine Ausschreiben; er habe mit den Abgeordneten des Landes die traurige Lage beraten und sich entschlossen, den Vizekönig zu beschicken. Bis zu dessen Antwort hätten die Feindseligkeiten zu unterbleiben, aber die Posten seien nicht zu verlassen und Gewalt sei mit Gewalt abzutreiben. In einzelnen dieser Stücke setzt er noch eigenhändig bei, er habe auch zum Kaiser gesendet „um ins klare zu kommen und wegen Bezahlung der Landesschulden und kurz wegen allen Angelegenheiten". 1) Man nahm, wie zu ersehen, in Steinach den Standpunkt ein, auf den Hofer durch Lichtenthurn und Roschmann gebracht worden war. Nach dem Waffenlärm vom 1. November war es fraglich, ob damit allgemeine Ruhe erzielt würde. Beim Flügel Speckbachers, soweit er noch beisammen war, versagte die Wirkung völlig. Schon am 2. verwickelte sich Speckbacher bei Aldrans mit den bis dahin vorgeschobenen feindlichen Vorposten in ein Gefecht. Und in schrillem Gegensatze zum Befehl der Oberkommandantschaft ließ der Mann von Rinn den Lärmruf ergehen, Straub möge alles Volk am Volderberg sammeln und den Landsturm wecken. Patsch war als Sammelplatz bezeichnet. „Wer nicht vorwärts rücken will, soll sogleich erschossen werden; es ist besser, dass die feigen Memmen sterben, als dass das Vaterland zugrunde geht. Wir würden nicht abgezogen sein, wenn nicht das Unglück am Berg Isel geschehen wäre. Aber noch ist nichts verspielt, unsere Leute stehen bei der Schupfen und ober Lans, bis dahin gehen auch die feindlichen Patrouillen." 2) Der Kronenwirt hielt denn auch die mit seinen Schützen belegten Wälder besetzt. In seinen Papieren erzählt er mit großer Befriedigung, dass er noch am 5. den auf den Berg vordringenden Feind zurückgeworfen habe. Aber auch in seinem Machtbereich rang sich die Friedensneigung der Bevölkerung trotz Speckbachers Drohungen durch. 3)

Östlich von Hall, wo Deroys Division verteilt war, machte sich keine Bewegung im Volke bemerkbar. Nur in Zillertal gärte es noch. Kaum

1) So nach Seefeld, Leutasch und Ehrwald. 3. Nov. J. M. Hofer setzt hier auch noch bei, es sei Anstalt getroffen, dass Tirol nicht an Bayern komme.
2) St. Peter, 3. Nov. Straubs Selbstbiogr. Noch leidenschaftlicher klingt ein Aufruf Speckbachers aus Mühlthal, 5. Nov. (ebend.). Am 6. kündet er Angriff für den nächsten Tag an: „Liebster Bruder Straub, leb wohl, ich bitt, halt dich tapfer, mit Gottes Hilfe wird es schon wieder gehen."
3) Erklärung des Ausschusses von Grossvolderberg v. 4. Nov.: Wir können den Befehl Speckbachers nicht ausführen, denn die Bergleute wollen zum Schutze ihrer Häuser bei denselben bleiben. Hauptmann Karl Heilig von Vögelsberg erklärt am 5. Nov., er könne bei der eintretenden Auflösung nicht mehr mittun, da alles „so zerschieden denket". Straubs Gefecht wird bei Völderndorff nicht erwähnt, über dass. s. Straganz, Straub p. 62.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 757

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.