762 - Der Zug Peyris


Caprile, Corvara und Gröden in das Eisacktal zu gelangen suchen. Schon Gröden passierte er nicht unangefochten. Ein böser Empfang wurde ihm beim Layener Ried. Nicht umsonst hatte man bei seiner Ankunft die Sturmglocken gezogen. 1) Durch den schluchtenartigen Weg beim Schlosse Trostburg niedersteigend, wurde er aus sicherem Versteck mit Kugeln überschüttet. Das war die verderbliche Methode eines Speckbacher, aber nur die halbe. Anstatt auch den Weg gründlich zu verhacken, stürmten die Bauern von ihren unnahbaren Plätzen selbst auf ihn hinunter, ohne die mit dem Bajonett vorgehenden Soldaten aufhalten zu können. So erreichte Peyri mit einem Verlust von 200 Mann Weidbruck. Nun musste er durch die grausige Pforte des Kuntersweges, wo er in ein zweites Pontlatz geraten wäre, hätte man die Eisackbrücken beizeiten weggenommen. Nun diese standen, konnten die Franzosen nicht aufgehalten werden. An Steinlawinen, die auf der Rittener Bergseite gelöst wurden, vorübereilend, gelangten sie unter Preisgabe der Bagage endlich in das freundliche Gelände von Bozen. 2)

In übler Verfassung näherte sich die Brigade — sie zählte nur mehr 800 Mann — der Talferstadt. Ungewiss, welche Aufnahme er dort finden werde, machte Peyri vor derselben Halt. In der Stadt herrschte friedliche Stimmung. Eben war Morandell aus Steinach zurückgekommen und wies jenen Befehl Hofers vor, wo nur von der Einstellung der Offensive gesprochen wurde. Der Stadtrat fürchtete vom Bekanntwerden dieses Mandates neues Unheil und nahm dem Gesandten die Ordre ab. Er ließ aber auch Peyri beruhigende Versicherung zukommen, und nun erst wagte dieser, die tief ermüdete Truppe in die Stadt zu führen, ungehalten darüber, dass Vial noch nicht angelangt war. Dass es in Bozens Umgebung noch nicht geheuer sei, belehrte den General die nächste Stunde. Wie er seine Piketts ausstellte, bekamen sie in den Weinbergen bei St. Magdalena schon ein Geplänkel, das bis zum Abend währte. Als Friedensapostel ging in der Nacht der Franziskaner Dismas Tutzer zu einem bäuerlichen Vorpostenlager in Rentsch. Seine Worte fanden nicht Gehör, man behandelte ihn wie einen Arrestanten. Heimlich entwich er zurück in die Stadt. Unter Büchsenknall und Lärm brach der nächste Tag 3) an.

1) Mém de Mais: „Als unsere Abgeordneten zu Hofer auf der Rückkehr (in der Nacht vom 3. auf d. 4.) durch Kolman fuhren, sahen sie viele Weiber mit Lichtern und Männer mit Waffen, denn die Franzosen waren von Gröden im Anzuge."
2) Die Lawinen zwangen, die Strasse bei der Schwarzgriessbrücke zu verlassen und jenseits des Wassers über einen Steinbruch nach Atzwang zu laufen. Aussagen mehrerer Augenzeugen, namentlich des Schmiedes Joh. Gostner von Lengmoos über die Erbeutung kostbarer Uniformen in J. St. Einzelnes zu dieser Affäre vom 4. Nov. auch bei Gruber a. a. O. Auch die Tiroler beklagten Verluste, 25 Gefangene wurden nach Elba transportiert. A. G.
3) Der sog. Seelensonntag, 5. Nov.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 762

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.