766 - Hofer wird umgestimmt


los, so schießen wir ihn nieder. Hat er's angefangen, so soll er's auch ausmachen." Also ging es mit Grazie fort, wie Verbrecher schleppte man beide in das nahe Kiens, wo sie ein Hauptmann, an dessen Seite einst Sieberer in Unterinntal gefochten, aus den Händen der Rasenden befreite. Nicht ahnend, dass sie nach einer Woche dieselbe Szene in noch ärgerer Auflage erleben sollten, setzten sie ihren Weg schleunigst fort. An der Mühlbacher Klause mussten sie von der Strasse abbiegen, sie war schon abgegraben. In Sterzing waren sie am Ziel, beim Sandwirt.

Hofer hatte tatsächlich während der Fahrt seiner Verordneten Farbe gewechselt. Zunächst schien nach ihrer Abreise die friedliche Stimmung sich in ihm zu befestigen. Schon bezeichnete er sich als „gewöster" Oberkommandant in einem an Drouet gerichteten Gesuche: „Auf die Versprechungen des Vizekönigs, die soeben aus Pustertal gekommen sind, habe ich der ganzen Mannschaft aufgetragen, nach Hause zu gehen. Ich ersuche um Schonung für das Volk und um Verzeihung für das Vergangene. Um allen Unordnungen vorzubeugen, würde es gut sein, wenn das Vorrücken einige Tage verschoben würde, damit die Leute nach Hause kommen." 1). Nicht 24 Stunden verflossen, und es ging aus einem ganz andern Ton. Die schlaglustige Partei bemächtigte sich wieder des Sandwirts. Ihr Wortführer war diesmal Peter Mayr, der Hofer zurückziehend auf dem Brenner traf. 2) Mit Drohworten, wie sie Danei bei Bruneck vernehmen konnte, wurde Vater Hofer umgestimmt. Laufzettel aufreizendster Art gingen an die noch bestehenden Kommanden. Noch am 5. November konnte Speckbacher „allen treuen Tirolern" des Sandwirts Befehl künden: Alles sei auf dem Brenner bereit, sich zu wehren. Jeder müsse mittun. Kein Dorf dürfe das andere, kein Nachbar, kein Bruder den andern schonen. Wer nicht mitgehe, soll misshandelt, dem Oberkommandanten angezeigt werden, er werde eingeliefert und sein Gut fiskalisch werden; der Zugang zum Gotteshaus und zum Vaterland bleibe einem solchen, der für keinen Tiroler mehr zu halten, verwehrt. „Wer diesen Brief liegen lässt, dessen Leben ist schon verfallen." 3) Dem abgegangenen Haspinger wurde in seine stille Klause eine neue Zitation nachgeschickt. Bischof Lodron hatte am 2. an Hofer ein beruhigendes

1) Als Ausschreiben gedruckt, Steinach 4. Nov. ½ 8 Uhr ab. Eine offene Ordre Hofers vom gleichen Tage: „Nach den eingelangten Nachrichten ist man nicht imstande sich zu verteidigen. Die ganze Mannschaft soll sich daher zurückziehen und ruhig nach Hause gehen."
2) Purtscher bezeichnet ausdrücklich den Mahrwirt als den, welcher am Brenner den Sandwirt bearbeitete: „Wir wurden da von Menschen überstimmt, die nichts zu verlieren hatten."
3) Mühlthal, 5. Nov. J. M.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 766

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.