777 – Unterinntal


„Schnellen" hat man im Achenpass nichts vernommen und sich daher bald verlaufen. Im Zillertalschen Hippach treffen sich noch versprengte Hauptleute zu einem Konventikel. Schon herrscht im Tale solche Panik, dass ihnen kein Wirt mehr Unterstand zu geben wagt. In einem Bauernhaus sprechen sie sich heimlich. Es war Lergetporer, der eben von einer resultatlosen Bereisung des Pinzgaues zurückkam, Speckbachers Adjutant Breunig, die Hauptleute Aschbacher, Hagleitner und Lengauer. Das Erscheinen des Pfarrers, der sie wohlmeinend vom Nahen einer bayrischen Patrouille avisiert, sprengt sie auseinander. 1) Wenn dann aus diesem Kreise noch die Absicht verbreitet wird, den Bayern in Unterinntal zu bestimmtem Termin eine Mordnacht zu bereiten, so haben wir darin den Ausbruch eines momentan erhitzten Gehirns vor uns, dem keine weitere reale Bedeutung zukommt. 2) Um Mitte des Monats hielt man das Inntal im ganzen für beruhigt. Hofkommissär Graf Thürheim erstattete seinem König befriedigenden Bericht: „Auf meiner Reise habe ich mich überzeugt, dass der Aufstand in Unterinntal, wie auch in Telfs und Landeck erloschen ist. Es gibt höchstens noch einige kleine Räuberbanden, welche aber, wenn nur der Schnee kommt, sich auch nicht mehr werden halten können." 3)

Mit diesem Grafen Thürheim sandte die bayrische Regierung den ersten Beamten in das Land, um ihrerseits die Zivilherrschaft über Tirol in die Hand zu nehmen. 4) Vorher noch versuchte der Finanzdirektor Senger in seine ehemalige Stellung einzurücken. Dass wenigstens die Finanzverwaltung alsbald funktioniere, lag auch im Interesse der Generalität, Von Drouet gerufen, eröffnete Senger am 8. die Geschäfte der Finanzdirektion. Er sah sich in keiner erfreulichen Lage: kein Geld, kein Personal. Um dem letzteren Mangel abzuhelfen, erbat er sich von Drouet die Erlaubnis, den Finanzrat Rapp, obgleich derselbe einst von Bayern für den Etschkreis ernannt war, zur Behandlung der rechtlichen Finanzgeschäfte und für das übrige den Rentbeamten Pfaundler,

1) Schlimmer erging es dem von Passeier nach Auffach in der Wildschönau versetzten Priester Sandbichler, welcher als Antwort auf die Verkündigung eines bayrischen Aufrufes Misshandlung erfuhr. Hier agitierte noch Breunig. (Ang. in d. Archivberichte d. Ger. Rattenberg.)
2) Es ist ein (in Straubs Selbstbiogr. überlieferter) Brief Aschbachers an Straub 11. Nov., wo von der Ermordung der Bayern am 14. gesprochen wird. Schon ein Brief dess. an dens. vom folgenden Tag sagt, dass, wenn Hofer wirklich nach Hause ging, überallhin Gegenordre geschickt werden müsse, „damit Unterinntal nicht in einen Steinhaufen verwandelt wird."
3) Thürheim an d. König, Innsbruck, 17. Nov. M. St.
4) Kronprinz Ludwig war darüber nicht entzückt, er schreibt an Raglovich, 12. Nov.: „Der König sendet den Thürheim nach Tirol. Ich habe dessen Wahl nicht befördert." Der General möge offen und unparteiisch berichten, wie der Graf und die andern Beamten sich benehmen. M. St.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 777

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.