794 - Kampf in St. Leonhard


an „nichts wert" mehr zum Raufen. 1) Mit unbändiger Wut stieß man beim Kolberhaus zusammen. Immer wieder sprangen die Belagerer vor, aber die Eingeschlossenen ließen sie nicht herankommen. Da zeigt sich eine Flamme am Dach, die Soldaten springen durch die Öffnungen des Baues und fallen unter den Kugeln ihrer Gegner. Diese stürzen in das lohende Haus und treffen 14 Schwerverwundete in einem Gemach. Ohne einen Gedanken an deren Rettung fassen zu können, müssen sie vor dem einstürzenden Gebälk von dannen. Die 14 starben den Feuertod. Nahe dabei stand eine geräumige Kapelle, wo eine aus den hochgelegenen Fenstern unablässig feuernde Bemannung jede Annäherung unmöglich zu machen schien. Aber es fand sich Rat. Mehrere stehlen sich heran und bilden eine „lebendige Leiter". Der Stärkste stützt sich auf Knie und Hände, so tut ein zweiter, ein dritter, bis der sechste die Nische erreicht. Ein Schuss bringt ihn sogleich zu Fall. Katzenartig klettert ein anderer nach über die menschlichen Stufen und wieder einer, und der Feind wird überwältigt. 2) So musste die Truppe eine Position nach der anderen preisgeben. Gegen solche Leistungen urwüchsiger Bauernkraft half keine Tapferkeit der Soldaten, obgleich auch sie ein Beispiel seltener heroischer Zähigkeit boten, da sie durch vier ganze Tage ausdauerten. Selbst das Brunnenwasser war ihnen abgegraben worden. Dorelli hatte schon am dritten Tage von der trostlosen Situation sich überzeugt. Die zwei Bataillone schmolzen zusehends zusammen, während ihrer Bedränger immer mehr wurden. 3) Der Major suchte brieflich beim Sandwirt um freien Abzug nach. Ihm ward erwidert, es könne nur von unbedingter Ergebung gesprochen werden. Bloß auf ein paar Stunden ruhte das blutige Handwerk. Am Morgen des 22. sahen sich die Franzosen in die Dorfkirche und den Friedhof zusammengedrängt. Noch einmal nahm der Major die Verhandlungen auf, er wollte den Bauern die mitgeführten Habseligkeiten überlassen. Man wies ihn ab, ein allgemeiner Sturmlauf begann auf seine letzte Stellung. Nun wurde die weiße Fahne gehisst

1) Diese Details in einem Verhöre Öttls 1817 über die damals den Franzosen abgenommenen Gegenstände. J. St. Über Öttl s. Schützenzeitung 1851, Nr. 97.
2) Erzählung Thurnwalders bei Prem.
3) Auch fremde Elemente fanden sich in Passeier ein. Darunter war auch Karl Grillparzer, ein Bruder des Dichters. Aug. Sauer, Studien z. Familiengesch. Grillp. (Symbolae Pragenses p. 213.) Karl G. war als österr. Soldat in franz. Gefangenschaft geraten. Da er nach Sauer erst nach dem Tode des Vaters (10. Nov.) unter Hofer diente, so kann er erst bei den Affären der zweiten Novemberhälfte beteiligt gewesen sein. — Sieberer versichert, der Korporal der ihn bewachenden Mannschaft sei ein Irländer gewesen. — 18. Nov. schreibt aus Agram ein pensionierter Hauptmann, Stefan Kupsich, an „die tapfere tirolische Landesregierung und Republik" und trägt sich an, noch zehn Jahre als Major unter „den tapferen Tirolern" zu dienen, er war vor 30 Jahren unter Laudon gestanden. M. St. Der Brief fiel natürlich den Bayern in die Hände.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 794

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.