795 – Kapitulation


und mit Haspinger und Thurnwalder die Kapitulation abgeschlossen. Wilde Leidenschaft hatte zu lange regiert, als dass sogleich menschliche Regungen hätten Platz greifen können. Die entwaffnete Mannschaft, zum Sandwirtshaus eskortiert, wurde vollständig ausgeplündert. Geld und Uhren waren besonders begehrt, auch der Mäntel musste sie sich entledigen. Selbst die Rasierzeuge fanden Anwert. Der augenblicklichen Aufteilung und Verschleppung trat Hofer entgegen. Die Beute sollte, wie er erklärte, jenen zugute kommen, die durch die Franzosen und Bayern ins Elend geraten waren. Er ließ sie zunächst in seinem Hause aufstapeln; Raffl, der spätere Verräter, stand dabei als Wache. 1)

Erst jetzt ließ Hofer wieder Siegesbulletins ins Land gehen, wo er erzählte von dem am Kiechlberg geschlagenen Feind und von der Gefangennahme der 1000 Franzosen. Dabei verbreitete er bereitwillig, was Kolbs Briefe ihm vorlogen: „Auch hat man die Nachricht, dass das Haus Österreich wieder auflebt, indem die Österreicher durch Kärnten einrücken und den Tirolern zu Hilfe kommen sollen. In Brixen und Pustertal ist alles auf und wird man schon angegriffen haben. Täglich kommen Abgeordnete aus allen Gerichten, welche ersuchen, sich verteidigen zu dürfen, was man ihnen ohnehin bewilligt. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo jedem Gutgesinnten die Gefahr vor Augen schwebt. Ergreift die Waffen, Gott und seine heilige Mutter haltet im Herzen, streitet ritterlich, und wir werden den Feind, wenn er auch noch so groß ist, mit göttlichem Beistand gewiss schlagen." 2)

Der Schauplatz des tagelangen Kampfes, der das stille St. Leon-hard zu einem blutgetränkten Schlachtfeld gemacht hatte, entleerte sich bald. Haspinger geleitete die 800 Gefangenen — so viele waren von 1200 noch marschfähig — durch das Tal hinaus, um sie in Vintschgau unterzubringen. Die bäuerlichen Streitscharen lösten sich noch am Tage der Kapitulation auf. Waren doch viele durch acht Tage ohne Unterbrechung vor dem Feinde gestanden. Den Tirolern hat diese Woche wohl an 200 Mann gekostet. Aber nicht bloß Ermüdung war es, welche die Bauern schnell ihre Gehöfte aufsuchen ließ. Trotz der allerneuesten Siegestrophäen gestanden sie sich, dass auf Kolbs und Hofers Deklamationen über österreichische Hilfe nichts zu geben, dass weder das kleine Land, noch weniger ein einzelnes Tal imstande sei, das Verhängnis

1) Bei Hofers Flucht wurden Geld und Uhren verstreut und vergraben. Manches kam in den folgenden Jahren zum Vorschein. Besonders beim „Pamer" in Fartleis soll vieles versteckt worden sein. 1817 wurden darüber viele Verhöre angestellt. Bis dahin waren von den 40 erbeuteten Uhren 29 zustande gebracht und wurden in Bozen versteigert. Der Erlös, 272 G., wurde dem Militärerziehungshaus in Hall zugewiesen. J. St.
2) Ausschreiben Hofers v. 22. Nov. Eine ähnliche Ordre vom gleichen Tage, in Hofers Auftrag von Jos. Thomas Zingerle in Meran gegeben, auch bei Danei a. a. O.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 795

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.