798 - Daneis und Sieberers Befreiung


als Landesverräter gebrandmarkt, die Ausführung zum Tode. 1) Drei Tage, eine peinigende Ewigkeit, brütete er über diesen qualvollen Gedanken und erwartete die Exekution. Da öffnet sich die Tür, der Eintretende ist Danei. Das fehlte noch: zu wissen, dass er mit seinem Freunde schmählich füsiliert werde. Aber die stets wagende, nie verzagende Frohnatur Daneis begann, den gebrochenen Kameraden aufzurichten. Zunächst gab es geistlichen Trostspruch: „Bruder, sei getrost. Wenn uns Hofer erschießen lässt, so sterben wir unschuldig für unser Land, und man wird einst erzählen, wie wir ein Opfer der Volkswut geworden. Unsern Tod aber wird Gott als Sühne für das nehmen, was wir gefehlt." Dem Priester entging es nicht, dass sein Leidensgefährte auch körperlich ganz heruntergekommen war. Du siehst ja aus wie der Tod, sprach er teilnahmsvoll, hast du denn nicht Geld, dir etwas zukommen zu lasen? Sieberer musste bekennen, wie man ihn des Nötigsten entblößt hatte. Da konnte Danei aushelfen. In seinen Sohlen hatte er noch einige Sandwirtszwanziger verborgen. Die holte er hervor und gab sie dem andern: „Ganz ausgebeutelt bin ich nocht nicht, wenn ich es auch bald sein werde." Durch die Wache riefen sie den Wirt, damit er gegen bare Bezahlung Wein zur Stelle schaffe. Und wie nun Sieberer den brennenden Durst mit dem kräftigenden Tropfen stillt, merkt er, dass seine Lebensgeister wieder erwachen. Beruhigter fühlt er sich neben dem starkmütigen Freunde. Es währt nicht lange und man schiebt noch zwei arme Sünder in ihr Verlies, über die Hofer den Stab gebrochen. Dabei vernehmen sie, dass wieder ein französisches Korps durch das Tal heraus vordringe. Wenig später öffnet sich abermals die Kerkertür und eine bäuerliche Korporalschaft geleitet sie auf einen der Schilthöfe, wo Hofers Schwager, der Steinhauser, wirtschaftet. Sie meinen nicht anders, als es gehe zum Richtplatz. Das alte schlossartige Haus betretend, finden sie die Stube voll schwerverwundeter Passeirer, die in ihrer Sterbestunde Daneis Beistand dankbar entgegennehmen. Durch die Fenster des hochgelegenen Gebäudes sehen sie bereits, wie sich bei St. Leonhard ein ausgebreitetes Soldatenlager formiert: in wenigen Stunden können die Franzosen auch schon auf dem Schilthofe sein. Der Steinhauser, bekanntlich nicht wenig kompromittiert, beginnt mit seiner Familie zu jammern. Die Hausleute bereiten sich zur Flucht, dasselbe tun die eskortierenden Bauern. Sieberer und Danei sind frei.

Dorellis tagelange Einschließung blieb den im Eisacktal verteilten Franzosen nicht verborgen. Mit 3000 Mann überstieg der Divisionschef,

1) „Das kränkte mich mehr als der Tod, und diese Stunden haben meinen Leib und meine Seele auf die Dauer geschwächt, denn seit dieser Zeit bin ich nur der halbe Mensch mehr." Sieberer a. a. O.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 798

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.