811 – Proklamationen


betörten Massen. Sie gingen auseinander, vom 10. Dezember an konnte der Bezirk Bruneck für beruhigt gelten. Almeras hat dort das Andenken eines klugen, menschenfreundlichen Offiziers hinterlassen. Auch in Sillian und Welsberg, 1) wo Überfälle auf französische Kuriere und Munitionstransporte bisher noch die Zuckungen des zur Abwehr geneigten Volksgeistes verraten hatten, herrschte von nun an friedliche Stille. Die Lienzer Klause, welche die Oberpustertaler in einem dreitägigen, Gefechte (vom 4. - 6. Dezember) den in Lienz stehenden Truppen Broussiers versperrt gehalten, blieb denselben nun geöffnet. Zu allerletzt wiederhallten noch die Berge des Iseltales vom Gefechtslärm. Wallner und Panzl hatten sich bereit gemacht, mit ihren Leuten in das Haupttal zu rücken. Einige hundert Mann der in Lienz stehenden Division sollten ihnen zuvorkommen. Am Frauentag (8. Dezember) näherten sie sich dem Dorfe Aineth. Der dort kommandierende Hauptmann Johann Oblasser ließ sich nicht überraschen. Von den ausgestellten Wachen rechtzeitig verständigt, bereitete er den Fremden in der Nähe der Kirche solch heißen Empfang, dass sie von der Expedition bald abstanden. Begütigende Zuspräche der Behörde von Lienz, Verheißung einer Amnestie, von der nur die Chefs ausgenommen wurden, und die Nachrichten aus Brixen und Bruneck verschafften endlich auch hier einer unterwürfigen Gesinnung allgemeinen Eingang. Kolbs unheilstiftende Tätigkeit war zu Ende, er rettete sich über die Berge. 2)

Abermals sprach man in Proklamationen zu dem bereits zu Tode gehetzten Volke. So tat Bischof Lodron, so auch die Generalität, Baraguay und Broussier. Baraguay hielt den Tirolern den Bruch der Eidschwüre vor, seine noch immer geübte Langmut, welche auf die Ausübung des Züchtigungsrechtes verzichte. Das schreckliche Beispiel des Kranzes brennender Heimstätten um Brixen möge endlich fernerer Verführung steuern. Eigentum und Person, Religion und Gebräuche, selbst „alle Vorurteile" sollen geschont bleiben. „Tiroler, aus Liebe zu euch selbst, bleibt dem gegebenen Worte getreu und vertrauet Gott und Napoleon euer Interesse". Ein anderes Ausschreiben dieses Generals macht jeden einzelnen für sich, jeden Hausvater und jede Gemeinde für ihre Angehörigen verantwortlich bei ordnungswidrigen Akten. Die Kundgebungen Baraguays deuten bei aller Strenge auf die humane Neigung, dem verführten Volke mildernde Umstände zuzubilligen und dem Blutvergießen ein Ende zu machen. Der harte Broussier dagegen rühmt sich der sieg reich

1) Aufzeichnungen des Damian Erharter über den Gsiesser Krieg Ende 1809 in J. M.
2) Unter den Flüchtlingen aus Tirol gebührt Kolb wohl die Weitfahne, er kam bis Konstantinopel. 1832 entdeckte man unter dem Kirchendache in Asling seine dort verborgenen Schriften. Ein Mantelsack voll Briefe wurde auf seiner Flucht über Geiselsberg nach Enneberg zurückgelassen und an Moreau überliefert. Auch in Platsch fanden sich Korrespondenzen, wodurch wieder andere Leute kompromittiert wurden.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 811

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.