815 - Bayern in Tirol zurückgedrängt



günstige Auftritte". 1) Er fand diese Auffassung sogar noch bestätigt, als er Broussiers Proklamation las; sie sagte ihm, „dass sich die Tiroler noch immer verteidigen und dass die Verbindungen des Feindes noch immer bedroht sind". Erst die Tätigkeit der Bluttribunale in Tirol mag den letzten Schleier von Johanns Augen gezogen haben. Nun überblickte er das Elend und die Hilflosigkeit des Landes. Schweres Herzleid kam über ihn, noch verschärft durch die Wahrnehmung, dass man ihm in erster Linie die Verantwortung aufzuladen geneigt sei. Als Gemütskranker betrat er, von Körmend nach Wien zurückkehrend, am 10. Januar dieselben Räume des Amalientraktes der Hofburg, wo er mit den Tirolern die Verabredung über die Landeserhebung getroffen. Der Kaiser fand bei seinem ersten Besuch den Bruder erschöpft in einem Lehnstuhl und war betroffen, in Johann einen gebrochenen Mann zu finden. 2) Auch fürder blieb Tirol das Kind seiner Träume und Schmerzen, das er erst nach Jahrzehnte dauerndem Sehnen wieder schauen sollte.

Seit Mitte Dezember lag das Land, regungslos bis in den letzten Winkel, den Eroberern zu Füssen. Es musste mit sich geschehen lassen. Neben den Unterworfenen war noch einer, der, gleich einem Besiegten, zur Passivität verurteilt war. Und das war Bayern. Wir erinnern uns, was Thürheim zur Reise nach Mailand trieb und was Ritters Feder mit Galle füllte. Napoleons Zorn erstreckte sich nicht bloß auf das Land, das zum Aufstand geschritten, sondern auch auf die Herrschaft, welcher er die Schuld an der unbequemen Erhebung beimaß. Was seine Offiziere an Kränkung der Bayern leisteten, taten sie, wie man wohl längst mit Recht vermutete, gemäß geheimer Weisungen. 3) Die ersten Auftritte hatten sich innerhalb vier Wänden abgespielt. Da sich das gespannte Verhältnis fortsetzte, konnte es auch der Bevölkerung nicht lange verborgen bleiben. Ja die Franzosen sorgten bald für die Publizität. Schon dass sie die Bayern gar nicht zu Wort kommen ließen, erweckte bei Vielen Zweifel, ob für Tirol wieder eine bayrische Zeit beginne. 4)

Wie Drouet für den Innkreis, so besorgte Baraguay für die zwei andern Landeskreise die Einsetzung von Kommissariaten, an deren Spitze in Trient Baron Moll, in Brixen Franz v. Riccabona gestellt wurden. 5)

1) Johann an den Kaiser, 24. Dez. A. J.
2) Johann hielt die Worte des eintretenden Kaisers in seinen Aufzeichnungen fest: „Du Armer, du bist ganz hin."
3) Darauf verweist schon (Hörmann), Tirol unt. d. bayr. Reg. I, 296.
4) Tschiderer an Giovanelli, 18. Nov.: „Über das Schicksal Tirols weiß man noch immer nichts, bisher erhielten wir aus München noch gar keinen Auftrag."
5) Neben Moll fungierten Graf Balderini, Baron Gaudenti, Lupis und Jakob Steffenelli; neben Riccabona Rapp, Hecher, Gummer, Graf Sarnthein und Pfaundler. Ihre Bestellung erfolgte Anfang Dez. Hecher war von Ritter schon zum Rat für den Innkreis ernannt worden.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 815

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.