816 - Französische Umtriebe



Es entging den Bayern nicht, dass die Auswahl auf Persönlichkeiten fiel, die nicht im Gerüche bayrischer Gesinnung standen, und dass der General in seiner Kundmachung hervorhob, es handle sich darum, Männer einzusetzen, die das öffentliche Vertrauen gemessen. Diese hatten, wie es sich von sich selbst verstand, ihr Absehen nur auf denjenigen zu richten, der sie berufen hatte. 1) Als Riccabona, bisher noch auf seinem bayrischen Dienstposten im Etschkreise, die Ernennung für Brixen ausschlagen wollte, erklärte ihm General Vial, eine Weigerung nicht annehmen zu können, jeder Ungehorsam ziehe Dienstentlassung nach sich. 2) Für bayrische Beamte war im Bereiche Baraguays kein Platz. Von München waren ein paar Zollbedienstete nach Bozen entsendet worden. Sobald sie von den bisherigen, im Namen Österreichs waltenden Funktionären das Amt übernehmen wollten, wurden sie von diesen mit der Erklärung empfangen, sie seien von Baraguay bestätigt. Der General aber bedeutete ihnen, sie hätten sich in nichts einzumischen und dürften nur als Privatpersonen in Bozen verweilen; und sein Adjutant setzte, als sie ihre Dekrete vorzeigten, bei, sie sollten wissen, dass hier niemand etwas zu schaffen habe außer dem General. „Nach angenommener rheinischer Bundessitte" kehrten ihnen die Offiziere den Rücken, sie wussten nun, wie sie daran seien. Zum Überfluss erfuhren sie darauf noch das Gespötte der Bozener „Merkantilisten". 3)

Die Stadt Bozen wurde der Ausgangspunkt einer Bewegung, die Bayern mit besonderer Beunruhigung erfüllte. Man weiß, wie gerade in der dortigen Kaufmannschaft der Bayernhass tiefe Wurzeln gefasst hat. Das diplomatisch feine Benehmen Baraguays tat noch ein übriges. Verschiedene Projekte wurden erwogen: einen eigenen Landesfürsten zu bekommen oder an das von Napoleon zu schaffende Neugebilde Illyrien oder an Italien gegeben zu werden. Der Grundgedanke war: nur nicht wieder unter Bayern. Und vor der französischen Generalität brauchte man mit solchen Wünschen nicht zurückzuhalten. Bayrische Papiere weisen auf den Merkantilkanzler Plattner, Hingerle und Giovanelli als

1) Kreisrat Gummer in Brixen an Ritter, 16. Dez.: „Infolge des Befehles Baraguays darf ich nur privatim mit Ihnen verkehren. Ich stehe hier vollständig unter dem Befehle der französischen Generäle. Meine Lage ist höchst unangenehm. Mir wäre recht, wenn ich wenigstens unter der Hand Verhaltungsbefehle bekommen könnte." M. St.
2) Riccabona an den König, 18. Dez. M. St. Riccabona befragte Widder, welcher darauf meinte, es bleibe nichts übrig als nachzugeben.
3) Der Zollbeamte Paur an d. Mautdirektion in München, 11. Dez. M. St Paur will erfahren haben, dass der Merkantilmagistrat „mit klingender Münze" beim General gegen Übernahme der Hallamtsgeschäfte und Einführung der bayrischen Ordnung (s. ob. p. 323) protestiert habe. In seinem Unmut bezeichnet Paur die Bozener Kaufleute als die „Seele der letzten aufständischen Zuckungen."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 816

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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