827 - Verlust an Menschen


Man wird es daher nicht als eine allzu stark übertreibende Redensart entgegennehmen, wenn einmal der Bürgermeister von Bozen urteilt: „Sollte man für alle Schäden des vergangenen Jahres aufkommen, so müsste man eine Silberflotte von Peru haben."1) Wie schwer mochte dann dem ausgesogenen Volke die Erfüllung der Forderungen fallen, die durch ein halbes Jahr nach dem Kriege von dem bayrisch-französischen Besatzungskorps erhoben wurden und deren Höhe eine bäuerliche Aufschreibung mit den Worten andeutet: „1810 hat man im Mai die Steuer sechzigfach erlegen müssen." 2)

In einem Lande, dessen Natur die angestrengteste Tätigkeit seiner Bewohner zur Bewirtschaftung verlangt, ist der Verlust an Arbeitskräften, die der Krieg kostete, gebührend einzuschätzen. Es hat, so wird versichert, in Deutschtirol keine Gemeinde gegeben, welche nicht eine Zahl von Verwundeten gehabt hätte. Die Menge der Gefallenen und jener, die auf die Dauer als Gefangene dem Lande entführt wurden, betrug, soweit sie sich erheben ließ, 969; sie war fast doppelt so gross als die der Menschenopfer, welche alle vorausgegangenen Kriegsjahre des Napoleonschen Zeitalters gekostet haben. 3).
Mit dem Blutstrome jener, die auf dem Schlachtfelde dahingesunken, sollte es noch nicht sein Bewenden haben. Nordtirol, wo sich freilich etwas früher schon der Widerstand erschöpft hatte, blieb mit tödlichen Exekutionen verschont. Nur die im April durchgeführte Militärstellung kostete zwei flüchtigen Burschen, die, mit Waffen versehen, ergriffen wurden, das Leben. Zwei Brüder Leitersdorfer in Reutte, in deren Hause noch verborgene Gewehre gefunden wurden, kamen auf die Festung Kufstein. Von den geächteten Führern konnte man der wenigsten habhaft werden. Wer von ihnen, wie Margreiter, Patsch, Beham und der Priester Haas in bayrische Gewalt geriet, wanderte in das Gefängnis nach München. 4) Dagegen gingen einzelne französische Generale jenseits des Brenner nach der ganzen Strenge des in ihre Hand gelegten Kriegsrechtes vor. Nicht so sehr Baraguay selbst, der mit subtileren Mitteln das Auslangen suchte. 5)

1) Menz an die Hofkommission, 19. Febr. 1810. J. St.
2) Notizbuch eines Bauers in Achental.
3) Unterinntal 244, Oberinntal 104, Pustertal 219, Bezirk Bozen 331, Trient 5l, Roveredo 20. Nach einem 1835 amtlich angelegten Verzeichnis. L. A. Passeier allein zählte 58 Gefallene. (Die Einwohnerzahl des Tales betrug 5000.) Der Verlust der früheren Kriegsjahre betrug in Tirol 1796 65, 1797 308, 1799 113, 1800 107, 1805 24.
4) Üb. Haas und Margreiter berichtet Taufkirchen, 25. Dez. M. St. Das Bataillon Butler holte Margreiter aus der Wildschönau. Ritter an den König 23. Dez.
5) 16. Januar strengstes Verbot des Schiessens (Scheibenschiessen, Schiessen auf der Jagd, Gebrauch der Mörser bei kirchlichen Festen). Die Hausväter aller Gemeinden und Tegneien des Burggrafenamtes, der Bezirke Bozen und Klausen mussten sich eigenhändig für die Ruhe ihrer Hausgenossen reversieren. In J. St. liegt eine Menge solcher Listen mit den Unterschriften. Einzelne fügen ihrem Namen, so schwer ihnen sichtlich das Schreiben ankommt, noch Bemerkungen bei: „haftet mit Person und Vermögen für die Ruhe", „ruhig für seine Person", „richtig ruhig" u. dgl.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 827

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.