833 - Holzknechts Mahnung an Hofer



allen Seiten sich regen. Voll dieser Eindrücke erstatteten sie dem staunenden Erzherzog am 14. Dezember Bericht. 1)

Weit richtiger beurteilte Holzknecht die Lage. Er lebte, jedem Widerstandsgedanken entsagend, ruhig in seinem Wirtshofe zu St. Leonhard. Hier erfuhr er Hofers Beschickung des Erzherzogs und schloss daraus auf die Absicht, im Streite zu verharren. Dem verständigen und getreuen Manne wurde bange um seinen Freund. Ehrlich und offen versuchte er, ihm zuzusprechen und zu raten: „Liebster Bruder Sandwirt! Mit traurigem Herzen muss ich dir sagen, dass mir unsere Lage nicht mehr gefällt. Es scheint wirklich an dem zu sein, dass wir das Letzte auf der Mühle haben. Lieber Bruder, rette dich, die Deinigen, uns, unsere Häuser und die noch wenigen Habseligkeiten vor einem größeren Unglück, da noch Zeit ist. Die Zeit ist zwar kurz, aber deine eigene Verwendung, wenn selbe gleich geschieht, kann noch vielen großen Übeln zuvorkommen. Man sieht augenscheinlich, dass man sich aufeinander nicht mehr verlassen kann. Der eine spricht weiß, der andere schwarz. Die Erfahrung hat es uns schon zum öftern gezeigt, dass gerade diejenigen am schlechtesten sind, die am ärgsten pochen. Auf Vintschgau, Algund, Tirol, Riffian, Schenna, man kann wohl auch sagen Sarntal, und dergleichen Ortschaften kann man sich schwerlich verlassen, und so sind auch wir selbst untereinander. Überlege alles wohl und traue nicht gar

1) Johann an den Kaiser, Körmend 14. Dez. J. M. Der Brief, Wahres und Falsches mengend, gibt offenbar das Bild wieder, das die zwei Tiroler vor dem gläubigen Prinzen entworfen, und ist weiter ein Beleg, wie solche Botenberichte die Dinge verschoben und färbten. Der Erzherzog schreibt: „Die Truppen hatten bereits Innsbruck besetzt, das untere Inntal, Pustertal und Etschtal war in in ihrer Gewalt. Eine natürliche Folge davon war, dass die Bewohner dieser Täler die Waffen niederlegten. Zerrissen schien die nationale Kraft der Tiroler, welche so schöne Beweise von Ausdauer gegeben hatten. Aber es war nur Schein. Hofer hatte sich nach Passeier begeben Gern wünschte er, zum Besten seiner Landsleute unterhandeln zu können. Er wurde zwar angehört, aber die Zeit, die man ihm vorschrieb, war so kurz, dass er sich mit keinem der Seinigen hätte beraten können. Er verlangte 12 Tage, die ihm aber verweigert wurden. In diesem Zustand und durch den Drang selbst bezwungen, wendet sich Hofer in jene ruhigen, von keinem Feind noch betretenen Täler und stellt seine Lage seinen Landsleuten vor, fordert sie auf, Kompagnien zu formieren und ihre Freiheit mit den Waffen zu erkämpfen. Der Feind wurde angegriffen und Brixen war wieder in den Händen der Tiroler. Die Geschütze, welche die Tiroler während des Krieges hatten, wurden bis auf eines, das dem Feinde in die Hände fiel, in unzugänglichen Orten versteckt und nun wieder hervorgesucht. 8 Kanonen haben sie bei dem letzten Gefecht bei Brixen 26. Nov. erobert, 1400 Gefangene gemacht, die Hofer nach Vintschgau schickte. In Bruneck sind 800 Franzosen von den Tirolern eingeschlossen, welche gezwungen werden, sich zu ergeben. So war die Lage am 29. Nov." „Hofers Schreiben", sagt Johann, „war ein bitterer Tropfen für mein Herz." Was er darauf antwortete, verzeichnete er in seinen Notaten: „Schöne Worte voll Teilnahme, Bedauern, nicht helfen zu können, und selbst dies mit Ängstlichkeit, um sich nicht zu kompromittieren, ausgesprochen. Konnte dies der Ersatz sein für das, was jenes Land geleistet hat?"

Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 833

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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