840 - Gedanken an Befreiung



Tage nicht auf den Strassen Merans geduldet wurde, seinen gefesselten Führer einziehen, totenbleich, aber lebhaften Auges herumblickend, mit großen blutunterlaufenen Flecken im Gesicht und gerauftem Bart — Erinnerungszeichen an die Rohheit derer, welche sich seiner bemächtigt hatten. Längst hat pietätsvolle Erinnerung jene zwei Häuser in Meran mit Gedenkzeichen ausgestattet, in deren einem der Sandwirt in Haft lag, in deren anderem Huard mit ihm das Verhör vornahm. Ohne Umschweif bekannte er sich zur Urheberschaft des Aufstandes: Anfangs habe er der Aufforderung des österreichischen Kaisers, zuletzt aber erst den Todesdrohungen seiner Leute nachgegeben. Nur einen Tag dauerte die Gefangenschaft in Meran, der 29. brachte die Gefesselten nach Bozen.

In Passeier dachte man sogleich über eine Möglichkeit nach, Hofer zu retten. Man erinnerte sich Daneis guter Beziehungen zu Baraguay. Holzknecht und Karl Thurnwalder baten um die Verwendung des Priesters. Auch im Hause Giovanelli versuchte man es mit einer solchen. Inbezug auf Barbone und Sweth ließ sich der General nicht erweichen, die Hoferin jedoch und der Knabe, der wegen seiner erfrorenen Füße zunächst in das Spital gegeben wurde, durften ihre Heimat aufsuchen. 1)

Andere wieder dachten an Kaiser Franz. Gerade dass in diesen Tagen seine Tochter Marie Louise die Braut Napoleons wurde, ließ im Volke, das die Rücksichten und Machenschaften der hohen Diplomatie nicht kannte, Hoffnungen für den Sandwirt und die andern gefangenen Tiroler entstehen. Andreas Ilmer ging deshalb nach Wien, wo man unter den zahlreichen tirolischen Auswanderern schon lange beraten hatte, wie man dem Sandwirt zur Flucht verhelfen könne. Von Ilmers Schritten ist nichts überliefert. Wohl aber weiß man, wie manch einem der Gedanke kam, der Kaiser könnte mit seinem künftigen Schwiegersohn Hofers und der andern wegen ein Wort reden. Metternich wurde darum angegangen. 2)

1) Bittgesuch der Frau Hofers v. 2. Febr. 1810 um Freigebung ihres Sohnes, überreicht an Baraguay von Job. Thurnwalder, Holzknecht und Danei, abgedr. in d. Braunauer Zeitung 1887.
2) Schennacher legt aus Znaim, 21. Febr., dem Staatsminister eine Bittschrift an Marie Louise vor, die, wenn sie gefällt, ihr vorgelegt werden soll. Der Wortlaut des Kuriosums (J. W.) mag hier folgen: „Ich gratuliere und wünsche im Namen des ganzen Vaterlandes Tirol Glück zum Kaiserthron. Lang lebe Maria Louise, die Erretterin von Deutschland! Wir arme Tiroler nehmen die Zuflucht zu Ihnen und bitten im Namen des ganzen Landes um Rettung und Barmherzigkeit. Sie kostet es eine einzige Fürbitte beim allerliebsten Gemahl und Kaiser Napoleon. Dann sind wir frei. Wir bitten untertänigst, machen Sie erhabene Prinzessin und Kaiserin, dass einmal das grausame Verfahren durch Todesstrafen gegen die unglücklichen Tiroler ein Ende nimmt, dass die Gefangenen aus den Kerkern befreit werden und jene. die auf der Flucht wie ein verlassenes Schaf in der Welt herumirren, wieder in die Heimat zurückkehren dürfen, auch dass jedem Tiroler vollständig verziehen wird und dass er also nicht Tod oder Gefangenschaft fürchten muss. Wir bitten im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit, befreien Sie uns vom königlichen Thron von Bayern denn die Tiroler und Bayern werden in Ewigkeit beisammen nicht gut tun. Der Hass ist schon Jahrhunderte alt und kommt von unsern Voreltern her. Darum ersuchen wir, dass wir unter Ihren Szepter kommen, oder, wenn es möglich wäre, unter unsern allerliebsten Kaiser, den wir Tiroler ohnehin in Ewigkeit nicht vergessen können. Wenn das wäre, so wären wir ewig glücklich. Wir werden nicht nur für Ihr ewiges Wohl beten, sondern wir werden auch in der Haupt- und Residenzstadt Innsbruck ein ewiges Denkmal, nämlich vor der Burg eine Statue von feinstem Metall errichten, mit einem Schild und Lorbeerkranz in der Hand, worauf geschrieben steht: ,Es lebe Maria Louise, die erhabene Prinzessin und Kaiserin, unsere Erretterin, Sie lebe lange zu unserm Wohl und ewigen Andenken.' So flehen wir im Namen des ganzen Landes Tirol. Sie werden es uns nicht abschlagen. Wir verlassen uns auf Ihre Barmherzigkeit und erwarten mit weinenden Augen schnelle Hilfe, wofür wir ewig danken wollen." Vgl. Bettinas Brief (10. März 1810) an Goethe; Pertz, Aus Steins Leben I, 397. Einst hatte die Ehe der bayr. Prinzessin Auguste mit Napoleons Stiefsohn Tirol an Bayern gebracht. Bitterauf, Rheinbund I, 242.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 840

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.