Die Bayern rücken schnell vorwärts


Zweites Kapitel.

Die Bayern rücken schnell vorwärts, schlagen den General Chasteler in seinen schlecht gewählten Positionen auf das Haupt und ziehen nach zahllosen Gräueltaten in Innsbruck ein.


§. 1. Bei dem eiligen Rückzuge der Österreicher marschierte Wrede (am 12. Mai) unaufgehalten bis Elmau vor. Seine Truppen bezeichneten jeden Schritt durch Mord, Plünderung und Brand. Schon in Waidring fielen sie in die Kirche ein, erbrachen den Tabernakel und raubten das Ziborium, nachdem sie die konsekrierten Hostien auf den Boden verstreut. Ein rasender Soldat schlitzte einem schwangern Weibe den Bauch auf und mordete ein Kind an dessen Seite. Alte oder kranke Leute beiderlei Geschlechts, die sich nicht flüchten konnten, wurden grausam getötet, alle einzelnen Häuser an der Straße und ganze Ortschaften ausgeplündert und teilweise angezündet. Überall erneuerten sich die Gräueltaten der Hunnen und Vandalen.

Wir haben hierüber das unverdächtigste Zeugnis, in dem Tagsbefehle, welchen General Wrede aus Elmau erließ. Er begann mit den Worten: „Ich habe heute und gestern an den Tagen, wo ich über so manche tapfere Tat der Division zufrieden zu sein Ursache hatte, Grausamkeiten, Mordtaten, Plünderungen, Mordbrennereien sehen müssen, die das Innerste meiner Seele angriffen und mir jeden frohen „Augenblick — verbitterten. — Wer hat Euch das Recht eingeräumt. selbst die Unbewaffneten zu morden, die Häuser und Hütten zu plündern und Feuer in Häusern und Dörfern anzulegen?

„Soldaten! ich frage Euch, wie tief sind heute und gestern Eure Gefühle von Menschlichkeit gesunken? Blicket selbst auf den Weg von Lofer hierher, auf die Brandstätten, auf die geplünderten Dörfer, auf jene Leichen, die ohne Waffen in der Hand ermordet worden sind!" —

Um seinen Abscheu über diese Gräueltaten auf das Lebhafteste auszudrücken, fuhr er also fort:

„Soldaten! Euer General, dessen einziger Stolz und Glückseligkeit bisher war, wenn Eure moralischen Handlungen Eurer Disziplin, Euren militärischen Taten gleich blieben, spricht mit Tränen in den Augen zu Euch und sagt Euch, dass Eure Gefühle von Menschlichkeit in Grausamkeit ausgeartet sind. Ich fordere Euch auf, von heute an wieder das zu sein, was Ihr sein sollet und müsset — Soldaten und Menschen! — Sollten gegen Erwarten Unwürdige unter Euch sein, die von heute an einen Unbewaffneten morden, die Häuser plündern und anzünden; so bin ich gezwungen, Beispiele zu geben, die solchen schändlichen Handlungen angemessen sind." 1)

General Wrede hatte bei seiner wenigstens vierfachen Überlegenheit gar nicht nötig, die Österreicher zu umflügeln, sondern ging in aller Frühe (am 13. Mai) auf der Hauptstraße vor und griff mit Tagesanbruch an. Die kleine Vorhut der Österreicher war sogleich auf das Hauptkorps zurückgeworfen. Dieses vermochte eben so wenig Stand zu halten. Der — erst vor einigen Stunden aufgebotene Landsturm war noch nicht versammelt und noch weniger zum Kampfe aufgestellt. Die Schützenkompagnien und Sturmhaufen, welche nach dem Verluste des Strubpasses im Haiminger Walde und Mühlgraben sich dem Vordringen des Feindes widersetzt, aber vor seiner Übermacht nicht Stand gehalten hatten, waren flüchtig und in den Gebirgen zerstreut.

Überhaupt herrschte im Landvolke Unzufriedenheit und Misstrauen über die militärischen Verteidigungsanstalten. Denn der gemeinste Bauernverstand musste einsehen, dass die bayerische Armee mit 800 - 900 Reitern und sehr vielen Geschützen auf dem großen, teils ebenen und weiten Terrain zwischen St. Johann und Rattenberg von einer Handvoll österreichischer Infanterie und Kavallerie mit wenigen Feuerschlünden unmöglich aufgehalten oder gar besiegt werden könne. Für die Tiroler ist die Ebene kein Kampfplatz, und niemand war so leichtsinnig, sich ohne alle vernünftige Aussicht auf einen Erfolg den Metzeleien der racheschnaubenden feindlichen Reiterei bloßzustellen. Hierzu kam die Erinnerung, wie die Landesverteidiger von Tirol schon in früherer Zeit von den österreichischen Kommandanten öfters in die Falle geführt worden waren. Viele Streiter wurden ohne Zweifel auch durch die Gräueltaten des bayerischen Militärs erschreckt und fern gehalten.

Die Hauptmasse des Kommandanten Straub war, auf Chasteler's Befehl, bei und um Rattenberg geblieben, und es ist daher eine derbe Unwahrheit, was von einem österreichischen Schriftsteller zum Vorteil Chasteler's behauptet wird, dass 7 - 8000 Tiroler Tags zuvor unter ihrem Anführer Joseph Straub von Hall Chasteler begleitet, dann aber (am 13. Mai) die Österreicher verlassen und sich teils in die Kirchen (es war kein "Feiertag"), teils in die Gebirge zerstreut hatten." 2)

Straub hatte das Kommando über seine Masse dem Romed Lechner übertragen. Er selbst blieb in Kundl, um von dort aus Anstalt zu treffen, dass die mit Landesverteidigern auf dem Inn ankommenden Schiffe aufgehalten und die Leute in die Gegend von Rattenberg hingewiesen wurden. Hierauf ging er mit seiner Leibkompagnie der Standesschützen von Hall über Wörgl bis an den Grattenbach vor. Unterwegs schlossen sich mehrere Schützen an ihn, so dass er bei 300 Mann unter sich hatte.

§. 2. General Chasteler nahm seine zweite etwas vorteilhaftere Aufstellung bei der Grattenbrücke und auf dem anstoßenden Berge. Es war ihm das 2. Bataillon Lusignan mit 2 siebenpfündigen und 2 sechspfündigen Kanonen von Wörgl her zu Hilfe gekommen. Hier kämpfte auch Straub mit seiner tapferen Mannschaft eifrigst mit und trug bei, dass die feindliche Übermacht beinahe eine Stunde aufgehalten wurde. Hinauf zogen sich die Österreicher fechtend bis Wörgl zurück, wo Chasteler sich zum dritten Male aufstellte. Da das Terrain bei und um Wörgl sehr ausgedehnt und ganz eben ist, so konnte er für seine wenigen, schon völlig erschöpften Truppen keine nachteiligere Stellung wählen, während die zahlreiche feindliche Kavallerie und Artillerie den allerschönsten Spielraum hatte. Am wenigsten war es ein Kampfplatz für die Tiroler, welchen die bayerische Reiterei vorzüglich zu Leibe ging und sich hierzu sogar einer List bediente. Eine Abteilung derselben hatte mit den Österreichern gleiche Monturfarbe und unterschied sich von ferne nur durch die weißen Federbüsche. Diese wurden abgenommen, um den Straub und seine Mannschaft zu täuschen. Bald wäre es um Alle geschehen gewesen, und nur mit äußerster Anstrengung ward noch ihre Rettung bewirkt, doch nicht ohne dass mehrere davon blessiert und auch gefangen wurden. Unter den Letztern waren die Offiziere Aniser und Spiel von der Stadt Hall.

Wenn aber auch das Häuflein Österreicher sich heldenmäßig wehrte, das auf der Hauptstraße aufgepflanzte Geschütze die vorrückende feindliche Kavallerie wiederholt reihenweise niederwarf und das lebhafteste Feuer der Infanterie den ersten Anfall der Bayern glücklich abschlug; so musste doch alle übermenschliche Anstrengung und Tapferkeit an der Übermacht scheitern. Die Linie der Österreicher ward gesprengt, das Geschütze erobert. Infanterie und Kavallerie in die Flucht geschlagen. Es war eine totale Niederlage der Österreicher. Chasteler floh an der Spitze einiger Reiter. Diese wurden von den bayerischen Chevauxlegers in Kundl noch erreicht und zwei derselben beim Dorfbrunnen sogar blessiert und gefangen. So nahe ging es dem kommandierenden General! Er rettete sich einzig und beinahe ganz allein durch die Schnelligkeit seines Pferdes nach Rattenberg. — Seine zerstreuten Truppen, welchen die feindliche Kavallerie vorgeeilt war, suchten ihr Heil in der Flucht. Bei 600 Mann entkamen in die Gebirge von Wildschönau. Nur einer kleinen Abteilung gelang es, längs dem bewaldeten Uferrande des Innstromes Rattenberg zu erreichen.

Die Flucht des Kommandierenden und die gänzliche Auflösung seines Korps setzte alles in die größte Verwirrung. Die Landesverteidiger, wenn sie auch zahlreicher gewesen wären, konnten es allein mit dem nacheilenden Feinde in dieser ungünstigen Lage nicht mehr aufnehmen, da Rattenberg — die einzige vorteilhafte Position, welche Chasteler nach dem Falle des Strubpasses hätte nehmen können und sollen — nun aller Geschütze und Verteidigungsanstalten ermangelte. Es blieb ihnen nichts übrig, als der Rückzug. Die Einwohner Rattenbergs dachten nur auf die Rettung ihrer bessern Habseligkeiten und verlegten durch die vielen Fluchtwagen alle Tore und Wege. Dies hielt die feindliche Reiterei, welche bereits um 10 Uhr vormittags vor Rattenberg erschien, in der Verfolgung einigermaßen auf.
Der Verlust der Österreicher an diesem Unglückstage war viel geringer, als man anfänglich glaubte; er belief sich auf nicht viel über 600 Mann, dann einige zwanzig Pferde und 6 Geschütze. Dagegen ward er in dem feindlichen Berichte so vergrößert, dass bloß die Zahl der gefangenen Infanterie und Kavallerie die Gesamtsumme des österreichischen Korps überstieg und eben so an Geschützen und Munitionswagen weit mehr erbeutet wurde, als Chasteler bei sich hatte. Durch solche Übertreibungen und durch Angabe örtlicher Hindernisse, welche nicht bestanden, musste man den spottleichten Sieg als glorreich herausstellen 3).

Als Wrede mit seiner Division im Dorf Kundl einzog, war auch der Reichsmarschall Lefebvre dabei. Der Ortspfarrer Sebastian Pungg und sein Kooperator standen auf dem Platze, und um für den Ort Schonung zu erwirken, zeigten sie die vom französischen General Vision und den bayerischen Offizieren erhaltenen Zeugnisse vor. Man tröstete sie mit den Worten: Fürchtet euch nicht; es soll euch kein Leid geschehen. — Bald kamen die eroberten Kanonen und Gefangenen an. Letzteren musste der Pfarrer die Kirche, woraus er das Sanctissimum nebst Silber in der Sakristei verschlossen hatte, zum Aufbewahrungsorte öffnen; doch wurden sie Abends nach Wörgl abgeführt, wohin auch Lefebvre zurückging. Das bayerische Militär erlaubte sich, ungeachtet des von Wrede erlassenen Tagsbefehles und der ausdrücklich zugesicherten Schonung, die größten Exzesse, indem sie in den Wirtskellern die vollen Bier- und Weinfässer einschlugen, viele Häuser plünderten und die Bewohner misshandelten 4).

Wrede blieb in Rattenberg, da ihm doch bei der allgemeinen Betäubung der Weg nach Innsbruck und selbst über den Brenner offen stand.

§. 3. Der Major Veyder kam am 13. Abends mit der Hiobspost nach Innsbruck und sagte in unserer Gegenwart zu dem kurz vorher von Scharnitz zurückgekommenen Intendanten: „Vor allem, Bruder! eine Kleinigkeit — pack ein!" Alle Anwesenden erblassten, und dies bemerkend, zog sich das Brüderpaar in das Nebenzimmer zurück, um das Weitere ohne Zeugen zu besprechen.

Während dessen ward General Chasteler in der Stadt Hall von Salzarbeitern und Stürmern umringt und mit Vorwürfen und Drohungen überschüttet. Auch Weiber mischten sich in den Kreis, hielten ihm schreiend seine Proklamationen vor und jammerten über das Verderben, das er über das Land gebracht hätte. Chasteler war in der Tat in einer eben so peinlichen, als gefährlichen Lage. Er ließ den ihm bekannten gewesenen Stadtschreiber Johann Michael Sutor rufen, und als dieser erschien, riefen ihm die Wütendsten zu: „Sag' ihm, wenn er noch einen Schritt weiter retiriert, so schießen wir ihn vom Ross herunter." Sutor bat inständig und beredete den General, dass er mit seiner kleinen Bedeckung gegen die Volderser Brücke zurückritt, wo er zum Glücke dem Sturmkommandanten Straub begegnete, der ihn von den nachfolgenden Pöbelhaufen befreite und — nicht ohne eigene Gefahr — auf Seitenwegen nach Innsbruck brachte. Dort fand er die ganze Stadt in einer so großen Aufregung, dass er sein Absteigquartier in der Burg vermied und in der abgelegenen Behausung des Herrn Baron Reinhart übernachtete.

Die Nachricht, dass die Bayern schon Rattenberg besetzt haben, verbreitete allgemeine Bestürzung, und insbesondere geriet der als Unterintendant angestellte von Trentinaglia hierüber in einen solchen Schrecken, dass er davon lief und nur mit Mühe eingeholt und zurückgebracht werden konnte. Die Bauern, besonders von der Gemeinde Hötting, waren zahlreich bei dem Intendanten versammelt und forderten von ihm Munition und das unverzügliche Landsturm-Aufgebot, um sich bei dem wichtigen Posten an der Volderser Brücke und auf den Anhöhen am linken Innufer gegen den Feind in Massen aufstellen zu können. Es ward zwischen ihnen, dann Hormayr und Veyder lange verhandelt und endlich das Dekret zum allgemeinen Sturmläuten ausgefertigt.

Hierauf besprach sich der Intendant mit Chasteler, und es wurden also gleich Kuriere nach Scharnitz und Reutte abgeordnet, um die österreichische Mannschaft in Eilmärschen von den Nordgrenzen an die Volderser Brücke zu rufen. Zugleich fasste Chasteler den Entschluss, die Generäle Schmidt und Marschall in der Nähe des Brenners zwischen Sterzing und Steinach zu konzentrieren und einstweilen bis zur Ankunft dieser Truppen die Bewegungen des Feindes im Inntal abzuwarten. Demgemäß erhielt Marschall, welcher bei dem in Primolano erfahrenen Abzuge der Armee des Erzherzoges Johann nach dem Tagliamento sich am 13. Mai wieder bis Trient zurückgezogen hatte, den Befehl, nach dem Brenner zu eilen und den Oberstleutnant Leiningen nur mit 2 Kompagnien Jäger und 1 Bataillon Hohenlohe-Bartenstein in Trient zurückzulassen. General Schmidt sollte nach dem Befehl des Erzherzogs Johann schon lange auf dem Marsche nach dem Inntal begriffen sein und Chasteler rechnete auch so zuverlässig auf seine Ankunft, dass er im Gedränge zu Hall sie dem Volke mit Verpfändung seiner Ehre und seines Lebens, um es leichter zu beschwichtigen, schon auf den 14. Mai angekündet hatte.

Die bisher zur Deckung des Pustertales auf dem Kreuzberge, dann bei Innichen, Toblach und Ampezzo befindlichen Truppen sollten in ihrer Aufstellung bleiben; dagegen ward 1 Bataillon Jellachich mit dem Obersten Volkmann, der das Kommando über die im südlichen Tirol zurückgelassenen Truppen erhielt, aus dem Pustertal nach Bozen beordert. Der Intendant übernahm es selbst, den Vollzug aller dieser Verfügungen auf's Eiligste zu betreiben, und nachdem seine Sachen in der Hofburg eingepackt waren, fuhr er mit seiner Umgebung zwischen 10 und 11 Uhr Nachts unter dem fürchterlichen Getöne der Sturmglocken in und außer der Stadt und dem Geräusche vieler Wagen von Flüchtlingen dem Berg Isel und Brenner zu. — Die große Zahl der Selbstranzionirten hatte sich bereits nach Einbruch der Nacht aus dem Staube gemacht. Viele, die Waffen bekamen, schlossen sich an den Landsturm an.

§. 4. In der Stadt selbst erhoben sich mehrere Stimmen für Unterwerfung und Unterhandlung mit den Bayern, weil die vielen rauchenden Brandstätten Unterinntals im Falle der Widersetzlichkeit auch für die Hauptstadt alle Gräuel des Krieges befürchten ließen. Selbst die Schutzdeputation äußerte friedliche Gesinnungen und war gegen das Sturmläuten in der Stadt; allein man musste endlich doch den ungestümen Forderungen der Bauern nachgeben.

Von nun an bestand keine Einigkeit mehr zwischen Stadt- und Landvolk, und obschon beide Parteien auf die österreichische Militärhilfe nicht zählten, waren doch die Bauern der festen Meinung, dass der zahllose Landsturm, unter Gottes Segen, wie im April, allein im Stande sei, den grausamen Feind aufzureiben oder zu vertreiben. Es bildete sich auch bald nachher eine eigene Schutzdeputation bloß aus Bauern, welche beim Wirt zum weißen Kreuz in Innsbruck ihren Sitz hatte und bei der die von Zeit zu Zeit aus Unterinntal ankommenden Bauernkuriere abstiegen. Schon vor Mitternacht kamen viele Haufen von bewaffneten Stürmern in die Stadt, welche durch die verschiedenen Gassen gegen Hall zogen und überall riefen: „Auf, auf! Lichter an die Fenster!" —

Das Sturmschlagen auf den städtischen Türmen geschah, dem Anscheine nach, mit wenig Ernst, dauerte aber doch bis halb 12 Uhr. Immer passierten Fuhren von Flüchtlingen aus Unterinntal, darunter mit Ochsen und Kühen bespannte, mit Stroh gefüllte Leiterwagen, worauf Weiber jammerten und Kinder wimmerten. Auch von Innsbruck flüchteten sich mehrere Familien. Nächst der Hauptwache versammelte sich die Studentenkompagnie und rückte noch in der Nacht nach Unterinntal. Nach Mitternacht wurde es in der Stadt etwas ruhiger; aber schon am frühesten Morgen fuhren wieder Familien ab. Den 14. 5 Uhr früh erließ Chasteler unter andern auch die Ordre: „Der Landsturm von Stubai soll sich anstatt über Dux nach Gerlos, sogleich an dem kleinen Volderser Berg aufstellen und die Anhöhen über Platten und Windeck besetzen." 5)

Nach dieser Ausfertigung, gemäß welcher die Stubaier Masse unter Pfurtscheller's Anführung noch diesen Tag bis Rinn und Tulfes zog, ritt General Chasteler mit seinem Adjutanten Baron Veyder und noch einem Offizier die Vorstadt herab; es folgten ihnen einige Reiter, wovon einer die mit Mühe gerettete Fahne des Regiments Lusignan trug. Zwei Kanonen mit den Munitionswagen, welche schon gegen Schönberg gekommen waren, wurden von den Stürmern (Einige sagten, auf Chasteler's Gegenbefehl) umgewendet und gegen Hall gebracht. Dagegen war das Militär-Schlachtvieh und darunter auch bayerisches über Wilten abgetrieben.

Um 9 Uhr wurde durch den Trommelschlag publiziert: Herr von Anreiter, welchen der Intendant als Kurier an das allerhöchste Hoflager abgeschickt hatte, gebe aus Klagenfurt Nachricht, die Franzosen seien bei Enns und Ybbs geschlagen und retirieren in Unordnung durch Oberösterreich; auch sei General Massena vom Erzherzog Karl geschlagen, gefangen und nach Wien gebracht worden. Diese Nachricht erschien später sogar im Drucke 6). Gleichzeitig verbreitete sich eine andere, dass die Bayern gegen Kufstein retirieren. was ein Bauernkurier aussagte. Unterdessen war Chasteler mit seinem Gefolge nach Hall gekommen und daselbst unter den Sturmmassen in noch größere Gefahr, als Tags vorher, weil die zugesicherten Truppen noch immer ausblieben. Doch gelang es ihm wieder, ohne Misshandlung zu entkommen und auf dem Wege über Lans und die Ellenbögen sich auf einer einspännigen Kalesche nach Matrei und Steinach zurückzuziehen 7).

§. 5. Um die Mittagstunde rückte General Buol mit seiner Mannschaft in Innsbruck ein, kampierte mit derselben im Hofgarten, wohin ihm von der Stadt die Verpflegung geliefert wurde, und setzte dann seinen Marsch gegen Ambras fort. Das Geschütz ging über die Mühlauer Brücke nach Hall und Volders ab, wo der Kommandant Straub seine Leute versammelt und auf den Anhöhen bis über Schwaz aufgestellt, sowie einen Teil auf die linke Innseite gegen Jenbach beordert hatte.

Die Stadt war unaufhörlich voll Landesverteidiger, welche teils einzeln, teils in Kompagnien, mit oder auch ohne Aufenthalt, nach Unterinnthal durchzogen. Manches Landgericht stellte 12 und mehr Kompagnien, so dass in vielen Dörfern außer Kindern und Greisen keine Mannsperson zurückblieb. Die meisten waren mit Schießgewehren versehen, und die es noch nicht waren, suchten sich in Innsbruck damit zu bewaffnen. Ein Haufe Bauern wollte im Engelhause Gewehre finden, ließ sich aber verständigen und zog ruhig wieder ab. Auch Graf von Tannenberg ward durch einen solchen Haufen, der Munition verlangte, in Angst gesetzt, so dass er den P. Provinzial der Kapuziner zu Hilfe rufen ließ. Den Anlass dazu gab, dass bei ihm vorher ein Artillerie-Hauptmann einquartiert war. Überhaupt hatte wieder kein Mensch in der Stadt einiges Ansehen; doch trug der Major des Bürgermilitärs Azwanger viel zur Beruhigung der Bauern bei.

Die spät Abends in der Stadt eingetroffenen Kompagnien wurden einquartirt und man versprach sich eine ruhigere Nacht, obschon man sagte, es werde diese Nacht im Unterinntal hitzig zugehen, weil die Bauern einen allgemeinen Angriff auf den Feind zu machen des Willens seien, wie denn auch wirklich der Kommandant Straub mit mehreren Anführern der bewaffneten Haufen sich hierüber verabredet hatte. Doch der Feind stand dazumal, wie wir gleich hören werden, noch unbeweglich bei Rattenberg an beiden Ufern des Innstromes. — Die Bauern erfuhren, dass im Landhause Gewehre liegen, welche die Schutzdeputation angekauft und noch nicht verteilt hatte. Daher wurde in dieser Nacht das Landhaus erbrochen und aller Vorrat an Gewehren weggenommen.

Um halb 3 Uhr früh entstand Lärm durch Trommeln und Geschrei: „Auf, auf! Lichter an die Fenster!" Man glaubte, die Kompagnien würden abmarschieren. Allein nach 3 Uhr ließen die Bauern auch Sturm schlagen, was, wie das Trommeln, um 4 Uhr wieder aufhörte. Einige sagten, die Bayern seien bis Schwaz vorgerückt. Andere, die Bauern hätten angegriffen. Später erfuhr man, General Buol habe befohlen, die rückwärts liegende bewaffnete Mannschaft solle unverzüglich nach Hall vorgehen, wo Schiffe zu ihrem Transport nach Schwaz bereit liegen. Bald kamen bei 2000 Bauern auf dem Rennplatze zusammen, und noch mehrere unter ihnen ohne Feuergewehre. Niemand hätte geglaubt, dass ihrer noch so viele in der Stadt wären. Die noch vorhandenen Oberländer Kompagnien wurden nach Scharnitz beordert, um sich gegen das Freikorps des Grafen Arco aufzustellen, die übrigen Kompagnien nach Unterinntal, wohin auch die Silzer trotz der nach Scharnitz erhaltenen Ordre, abgingen. Von Oberinntal kam eine Abteilung Jäger auf Wagen und fuhr sogleich nach Unterinntal. Eine später eingerückte Kompagnie von Nassereith besetzte die Hauptwache und übernahm mit dem Bürgermilitär die Bewachung der Stadt, die voll Besorgnisse war.

§. 6. Der Feind rückte am 13. Mai nicht über Rattenberg vor und nur seine äußersten Vorposten waren Abends bei dem Schlosse Kropfsberg — eine halbe Stunde vor Straß, dem Eingang nach Zillertal — aufgestellt. Erst des andern Tages (14. Mai) um die Mittagsstunde kam eine feindliche Patrouille nach Straß. Der wackere Ortspfarrer Siard Haser ging ihr mit einem Bauern unerschrocken entgegen und erhielt von dem Offizier alle möglichen Versicherungen, dass der König alles vergebe und niemanden ein Leid geschehe, wenn die Bauern die Waffen niederlegen und die ohnehin schon total geschlagenen Österreicher verlassen.

Abends rückte eine viel stärkere Patrouille mit Infanterie und Kavallerie in Straß ein und dem Walde zu, wo man bewaffnete Bauern gesehen hatte. Der Pfarrer ward gezwungen, voranzugehen und die Bauern zur Ablegung der Waffen aufzufordern, jedoch ohne Erfolg, weswegen sich die Bayern wieder zurückzogen. Hieraus sieht man klar, wie vorsichtig die Bayern gegenüber dem Aufstand der Tiroler sich benahmen.

In der Nacht kamen zwei Abgeordnete aus dem Inntal zum Pfarrer mit dem Ersuchen, schleunigst eine Ordonnanz nach Zillertal abzufertigen, dass die Zillertaler sich folgenden Tages mit dem Landsturm dieser Gegend vereinigen, den Feind herzhaft angreifen, und wenn sie der Übermacht weichen müssten, sich gegen das Inntal hinaufziehen sollten. Bis 10 Uhr vormittags würden gegen 30,000 Mann Schützen, Landstürmer und auch österreichisches Militär mit 10 Kanonen in diese Gegend kommen. Der Pfarrer schickte sogleich den Boten mit einem kurzen Aufruf ab. Mit Tagesanbruch (15. Mai) kamen schon sehr viele Leute aus dem nahen Zillertal nach Straß und postierten sich auf dem Berge bei dem Wallfahrtskirchlein — Brettfall genannt — gerade über der Hauptstraße. Andere Stürmer und Schützen aus dem Zillertal, besonders von Ried und Bruck, besetzten das Klauseck, ein Felsengebirg hart an der Zillerbrücke. Aber die versprochene Hilfe aus dem Inntal blieb aus. —

Die von Rattenberg aufgebrochene bayerische Division kam gegen die Mittagsstunde an die Zillerbrücke und wurde dort einige Zeit aufgehalten, weil die Brücke zum Teil abgetragen und nicht sogleich hergestellt war. Die Tiroler auf dem Klauseck feuerten heftig und mit lauter Treffschüssen auf den Feind, der viele Leute einbüßte und worunter der bayerische Major von Zaiger sein Leben verlor. Leider waren die Tiroler zu schwach und die Zugänge zu ihrem Felsengebirge nicht gehörig beseht. Daher kamen ihnen die Bayern auf den Rücken und versprengten sie, nachdem ihrer mehrere getötet und gefangen worden, welche dann einen langsamen Martertod zu leiden hatten. Sechs davon wurden an die nächst dem Zillerbach stehenden Baume aufgehangen, aber nur zwei noch lebend, die übrigen schon tot 8). Auch steckten sie zwei an der Ziller stehende Häuser in Brand. Nachdem die Brücke hergestellt war, marschierten die Bayern nach Straß, und als die Bauern von dem Wallfahrtsberg sehr heftig auf sie feuerten, liefen die Soldaten auf der Straße in größter Eile vorüber, aber die Kanoniere blieben mit den Stücken in Straß und beschossen den Berg und die Wallfahrtskirche; jedoch nur 3 Kugeln streiften die Kirchenmauern. die übrigen fielen auf den Felsen. Die Bayern wurden auch von dem jenseitigen Innufer her durch die Tiroler, unter Anführung des Hauptmannes Lergetpohrer heftig beschossen. — Die Ortschaft Rotholz ward von den Bayern zwar geplündert, allein auf Fürbitte des Pflegers von Inama mit Brand verschont. Beinahe alle übrigen Häuser am Walde und an der Straße auf dem Wege nach Schwaz erlitten Plünderung und Brand. Zu Margarethen, dem größten Dorfe, bestiegen die bayerischen Soldaten auch die Anhöhe, worauf die Kirche steht, und setzten diese nach lange angewandter Mühe in Flammen, um sich, wie der Pfarrer Siard sich ausdrückt, so zu sagen au Gott zu rächen, weil sie die im Walde versteckten Schützen nicht erwischen konnten. Sie fielen zugleich, wie Kannibalen, über wehrlose, alte, krüppelhafte Menschen her und marterten sie zu Tode. Man zählte in jener Gegend mehr als zwanzig solcher unglücklichen Schlachtopfer — Manns- und Weibspersonen.

Die Bayern verloren auf dieser Passage viele Leute, schleppten aber viele Tote mit sich und warfen sie zu Buch in einen Stadel, den sie dann anzündeten. Wir finden es zweckmäßig, einige Daten aus dem Manuskripte des patriotischen Pfarrers Haser wörtlich hierher zu übertragen.

„Während die Bayern auf der Straße vorrückten, blieb ich in ängstiger Erwartung wegen meines bevorstehenden Schicksales in meinem Hause eingeschlossen. Ein Hagel von Stutzen- und „Musketenkugeln flog über das Hausdach. Das Anprallen der Kanonenkugeln auf dem Felsen machte auch ein fürchterliches Geprassel. Es wurden bei meinem Hause auch einige Bauern totgeschossen. Ich hörte an meiner Haustüre anpochen und öffnete also gleich die Türe. Es waren einige Soldaten vor dem Hause, die nicht hereinzugehen verlangten. Als mich aber diejenigen sahen, welche auf der Straße vorbeizogen, liefen sie auf mich zu und einer prügelte mich mit einem Stocke; er wollte auch auf mich hauen, wurde aber von den übrigen davon abgehalten. Alles, was sie fanden, raubten sie; der Wein und die Nahrungsmittel waren ohnehin ihnen zur Beute. Um mein Leben zu retten, glaubte ich am sichersten zu tun, wenn ich blessierte Soldaten, die auf der Straße waren, zu mir in das „Haus hereinnehmen würde. Ich bot den Feldchirurgen meine Wohnung und meine Dienste an, welches ihnen auch recht war. So lange die Chirurgen in dem Hause waren, wurde ich schonender behandelt; nachdem sie aber sich entfernt hatten, musste ich die Türe öffnen, sobald Soldaten anpochten. Ungeachtet die blessierten Soldaten selbst öfter um Schonung für mich baten, wurde ich doch willkürlich misshandelt; sie durchsuchten mir sogar die Säcke in meinen Kleidern; öfter wurde mir auch der Tod gedrohet. Ein trauriges Schicksal hatte auch ein junger, hübscher Mann von der österreichischen Landwehre, den sie gefangen zu mir in das Haus brachten; auch diesen drohten sie immerfort umzubringen. Ich hatte Ursache zu bereuen, dass ich der treulosen Versicherung geglaubt und zu Hause geblieben bin. Die Schützen wurden endlich gezwungen, den Berg bei meinem Haus zu verlassen, und dann hörte das Feuern in unserer Gegend auf. Die Bayern zogen gegen das Zillertal und zündeten von Haus zu Haus das Dorf Schlitters an. Fügen wurde verschont, indem der hochwürdige Herr Dechant ihnen entgegen ging und um Schonung bat; er wurde aber als Geißel in das Lager bei Schwaz abgeführt. In den übrigen Dorfschaften von Zillertal wurde auch nicht gebrannt. — Auf den Abend wurde meine Lage wieder um etwas besser; bei meinem Hause wurde ein Piquet aufgestellt. Der Herr Offizier war gegen mich ganz freundlich. Bei dem Nachtessen sprach er mit großer Erbitterung wider meine Landsleute; ich sagte ihm aber die Ursachen des Aufstandes und verteidigte, so viel es die Umstände erlaubten, ihr Betragen. Endlich war ich ihm gar zu aufrichtig; er sagte zu mir: Sie reden ziemlich frei — nicht zu Jedem dürften Sie sagen, was Sie mir sagen. — Übrigens hielt er gute Ordnung. Ich ließ von dem, was ich noch übrig hatte, sowohl für die Soldaten auf der Wache, als auch für die Blessierten kochen. — Nicht so gut wurden die wenigen Leute behandelt, die in dem Dorfe zurückgeblieben waren. Zwei alte Leute, die zu entfliehen nicht im Stande waren, wurden erbärmlich geschlagen und misshandelt. Der Dorfvorsteher, der auch der treulosen Versicherung glaubte, dass jenen nichts geschehen werde, welche ruhig in ihrem Hause bleiben, wurde auf einen Wagen geworfen, misshandelt, beständig mit dem Tode bedroht und erst nach langem Herumschleppen wieder losgelassen, — Das Dorf wurde zwar nicht abgebrannt, aber nichts, als nur die Mauern, ganz gelassen. Die Öfen und Fenster wurden alle eingeschlagen, die Hausgerätschaften geraubt oder zertrümmert. Nur das Haus wurde abgebrannt, wohin ich meine Habseligkeiten geflüchtet hatte.

Gegen Mitternacht sah ich, dass ein verwundeter Soldat dem Tode nahe war. Ich fragte ihn, ob er katholisch sei, und als er es bejahte, ob er auch nach katholischem Gebrauche die Sterbesakramente zu empfangen wünsche, und als er dieses verlangte, sagte ich zu den Soldaten, sie sollen es dem Herrn Offizier melden. Dieser gab mir sogleich eine Bedeckung mit. Als ich zum Hause hinauskam, wie erschrecklich war von allen Seiten der Anblick. Von Niedergang sah ich ein fürchterliches Feuer, von Aufgang sah ich den nächstgelegenen Berg bei der Zillerbrücke in Flammen, welchen die Bayern angezündet hatten, um die Schützen daraus zu vertreiben. Auf der Mittagsseite brannte das Dorf Schlitters und das Haus in meiner Gemeinde in welchem ich meine Habseligkeiten versteckt hatte. In dem ganzen Dorfe und um mein Haus brannten die Feuer von dem Lager. Die Bedeckung, welche ich bei mir hatte, war mir höchst notwendig; denn ich würde auf dem Weg zur Kirche umgebracht worden sein, wenn mich die begleitenden Soldaten nicht geschützet hätten. Als ich zur Kirche kam, sah ich sie eröffnet und zu meinem größten Entsetzen so verwüstet, dass sie eher einem Stalle, als einem Gott geweihten Hause ähnlich war. Die Kirchengerätschaften lagen zertrümmert und zerrissen, auf einen Haufen geworfen, auf dem Boden; das Brauchbarste war geraubt. Der Tabernakel war in Stücken zerhauen, das Ziborium herausgenommen; die heiligen Hostien fand ich zerstreut bei dem Altar auf dem Boden umher liegen; einige waren nass und zusammengeklebt, als wenn sie aus dem Munde wären ausgespieen worden. Ich konnte mich kaum fassen. Mit Zittern bemühte ich mich, die heiligen Hostien in einen leinenen Fleck zu sammeln. Die Soldaten, welche mich begleiteten, staunten mit mir wegen dieser erschrecklichen Gräueltat. Während dem waren auch wieder Andere, die neben mir Tabak rauchten und mich sogar in der Kirche schimpften. Leider sah ich nun ein, dass ich auf die Religion der Bayern zu viel vertraute; denn ich hätte sowohl das Sanktissimum als auch in der Sakristei manches noch retten können. Allein von den Soldaten eines Fürsten, der sich katholisch nennt, erwartete ich mehr Ehrfurcht gegen das Heiligtum, besonders in einer Kirche bei der Straße, wo das Hauptquartier war. Ich hätte nicht vermutet, dass die Soldaten so zu sagen im Angesicht der ganzen Generalität ungehindert solche Gräueltaten verüben dürften.

Als der Herr Kriegskommissär früh morgens in die Kirche kam, um sich selbst von dieser Verwüstung zu überzeugen, sagte ich ihm ungescheut, das hätten die Türken nicht getan, was Ihre Soldaten zu tun sich hier unterstanden haben. Er schwieg und schien sich selbst zu entsetzen. Ich nahm aus seinem höflichen Betragen ab, dass er ein ganz ehrlicher Mann war. — Mit der nämlichen gottlosen Wut verwüsteten die Bayern das eine halbe Stunde von Straß entlegene Gotteshaus zu Schlitters. Der Seelsorger, ein schon betagter Mann, wurde noch härter als ich geschlagen, sogar in der Kirche herumgestoßen und grob misshandelt; nebstdem wurde sein Haus ausgeplündert. In dieser Kirche wurde der Tabernakel aufgeschossen; zum Glück aber war das Sanktissimum schon auf den nächstgelegenen Berg geflüchtet. Man sieht in dem Tabernakel noch die Schusslöcher von den Kugeln. — Diese verübten Gräuel und Schandtaten können am meisten den Kommandierenden zur Last gelegt werden, weil sie ungestraft in mehreren Kirchen im Unterinntal, schon vor sie nach Straß kamen, solche gottlose Handlungen begehen ließen," —

§. 7. Bevor wir von den weiteren Ereignissen im Inntal sprechen, müssen wir einige aus Pinzgau nachholen, wobei sich die Tiroler unter Oberleutnant von Leis besonders hervortaten. — Am Tage des entscheidenden Angriffes auf den Pass Strub schlug der Feind eine Brücke über die Saalach um den Pass im Rücken zu nehmen. Der Patrimonialrichter von Preu, welcher einer Tiroler Kompagnie als Hauptmann vorstand und voll Entschlossenheit und Mut, obschon zum ersten Male, einem Feinde gegenüber war, zerstörte die Brücke ungeachtet der feindlichen Übermacht.

Am Tage des unseligen Treffens bei Wörgl griffen die Bayern auch den Pass Luftenstein an, und obschon Oberleutnant von Leis einen von ihnen schon umzingelten Haufen Pinzgauer wieder befreite, drangen sie endlich mit ihrer Überzahl in den Pass ein. Da ließen die auf den Anhöhen postierten Tiroler die schon vorbereiteten Bäume und Felsblöcke auf die Feinde los, welche unter ihnen eine solche Niederlage und Verwirrung anrichteten, dass sie nach einem Verlust von 400 Mann an Toten und Blessierten eiligst nach St. Martin und Loser zurückwichen und auf ihrem Lagerplatz mehrere Fässer Bier und Feldkessel mit Fleisch zurückließen. Da indessen durch die Vorrückung der Bayern bis Rattenberg die Pässe Luftenstein und Hirschbühel über Hochfilzen im Rücken genommen werden konnten, so zog von Leis mit seinen Leuten davon weg und durch den Grießpass nach Hochfilzen, um St. Johann zu alarmieren. Hierauf machte er einen höchst abenteuerlichen Rückzug über die Gerlos nach Zillertal, versprengte bei Ramsau ein über sein unerwartetes Erscheinen nicht wenig erschrockenes bayerisches Detachement und zog über das Pfitscherjoch nach Sterzing.

§. 8. Die unter General Buol an der Volderser Brücke versammelten Truppen bestanden aus 5 Kompagnien Devaux, 5 Kompagnien Lusignan, 3 Kompagnien Salzburger Jäger. 1 Bataillon Klagenfurter Landwehr, 80 Pferden von Hohenzollern-Chevauxlegers, dann 1 sechspfündigen und 4 dreipfündigen Kanonen. Eine Abteilung Jäger unter Oberstleutnant Taxis bildete die Vorhut und war den 14. Mai bei Schwaz und besonders an der dortigen Innbrücke aufgestellt. Damit standen die Landesverteidiger unter Straub dies- und jenseits des Innstromes, welche sich auch von Achental, um nicht abgeschnitten zu werden, zurückgezogen hatten, in Verbindung, und man rüstete sich nach Möglichkeit, den vorrückenden Feind zu empfangen. Allein das Hauptkorps der Division Wrede war noch den 15. in Rattenberg; auch General Deroy hatte einen Teil seiner Division ebenfalls auf das rechte Innufer übersetzt, ohne mit dem andern Teile auf dem linken Ufer vorwärts zu marschieren.

Hierüber rapportierten die österreichischen Kundschafter an General Buol, und weil man sich die eigentliche Ursache, warum der Feind bei seiner Überlegenheit und nach Zersprengung der Österreicher und Tiroler seine Vorrückung so lange verzögerte, nicht erklären konnte, geriet man auf allerlei Vermutungen, welche, durch eine Bewegung des Generals Jellachich unterstützt, selbst bei General Buol Glauben fanden. Jellachich hatte nämlich, leider erst nach dem Falle des Strubpasses und viel zu spät, mehrere Bataillons über das Dientengebirge dem Chasteler zu Hilfe gesandt. Zwei Hauptleute, die als Kuriere an Chasteler abgesandt wurden, sagten aus, dass die Truppen des Jellachich schon zu St. Johann stehen. Dieses St. Johann in Pongau verwechselte man mit St. Johann im Unterinntal und schloss daraus, dass die bayerische Armee, anstatt vorzurücken, auf ihren Rückzug durch das Achental bedacht sei, um der drohenden Gefahr einer Aufreibung zu entgehen. Der Kurierbericht wurde sogleich von dem Platzkommando zu Innsbruck durch den Druck bekannt gemacht und schnell darauf die vom General Buol eingelangte Versicherung, dass der Feind im vollen Rückzuge durch das Achental begriffen sei 9).

Mit dieser erfreulichen Nachricht hatte Buol den Befehl verbunden, dass alle noch vorhandene Schützen- und Sturmmannschaft den Oberinntaler Kompagnien eiligst nachrücken solle, um die wichtigen Posten Scharnitz und Leutasch gegen den zurückziehenden Feind zu decken. Nur die Kompagnie von Nassereith habe bis zur Ankunft österreichischen Militärs als Stadtgarde zu verbleiben. — Alles in der Stadt atmete nun wieder Trost und Hoffnung, und der feierliche Zug nach dem Innrain zur Kirche des heiligen Johann von Nepomuk, dessen Fest auf den folgenden Tag fiel, setzte sich in die zahlreichste Bewegung. Aber plötzlich entstand der Lärm, die Bayern seien schon in Hall, und alles lief auseinander 10).

§. 9. Die Bayern waren dazumal zwar nicht in Hall, aber in Schwaz, wo sie in größter Wut anlangten, weil die Bauern von dem rauchenden Margarethen bis dahin aus allen Anhöhen, besonders beim Steinbruche und Erbstollen heftig auf sie gefeuert und ihnen viel Schaden zugefügt hatten.

An diesem Tage (15. Mai) kamen von 9 bis 12 Uhr Vormittags unausgesetzt Landstürmer in Schwaz an, die zwar eine große Zahl bildeten, allein zum Teil schlecht bewaffnet oder ohne Munition waren; auch hatten sie Marsch und Hitze sehr ermüdet. Da niemand den Feind schon so nahe glaubte, so hielten sich die Landesverteidiger etwas auf, um zu ruhen und zu essen. Um 1 Uhr brachen sie auf und gingen teils auf der Poststraße, teils am linken Innufer vorwärts. Sie waren noch gar nicht weit gekommen, als sie auf fliehende Waffenbrüder und österreichische Soldaten stießen und mit diesen zurückliefen. Gegen 2 Uhr sprengten einige österreichische Reiter über den Fürstenbau her und verkündeten die Ankunft des Feindes 11).

Man hörte auch schon den Donner der Kanonen und das Knallen der Gewehre. Alles war überrascht und verwirrt. Die Marktbewohner liefen in die Häuser und die Landesverteidiger auf die nahen Anhöhen unter dem Schlosse Freundsberg, welche bald bis gegen Heiligkreuz unweit Pill herauf von ihnen ganz besetzt waren. Vom österreichischen Militär waren eine Abteilung des Regiments Devaux, dann etwas mehr als eine Kompagnie Jäger und 20 bis 30 Reiter, im Ganzen höchstens 500 Mann, unter Oberstleutnant Baron Taxis in Schwaz, weil General Buol, welcher vom General Chasteler bereits den Befehl erhalten hatte, mit seinen Truppen von Volders zurückzugehen, seine Vorhut nicht mehr verstärkte. Die Innbrücke war von den Jägern besetzt, eine Abteilung derselben aber - etwa 150 Mann - mit 2 Kompagnien Infanterie und 2 Kanonen im Dorfe zu St. Martin aufgestellt. Von der österreichischen Landwehr war kein Mann vorhanden 12).

Die Division Wrede und zum Teil Deroy rückte an, breitete sich in den schönen Getreidefeldern vor Schwaz aus und marschierte in Schlachtordnung aus. Das österreichische Militär, unterstützt von den Landesschützen auf den nahen Hügeln, gab auf den Feind drei Dechargen, zog sich dann auf die obere Brücke des Lahnbaches nächst der Pfarrkirche zurück und erwartete in vorteilhafter Position die feindliche Avantgarde, welche so übel empfangen wurde, dass sie zurückwich und die Kavallerie vorsprengte. Auch diese ward tüchtig beschossen; aber allmählig zog sich das österreichische Militär vor der ungeheuren feindlichen Übermacht in die große Marktgasse zurück. Viele Soldaten, aber keine Landesverteidiger, weil diese auf den Anhöhen über dem Markte waren — drangen in die Häuser, besonders in jene, die gegen die Anhöhen lagen und einen Ausgang dahin hatten 13).

Das übrige Militär stellte sich rechts und links an den Häusern und größten Teils mitten in der Hauptgasse beim Marktbrunnen auf. Zwei feindliche Offiziere, welche schnell nach einander zwischen der Hauptkirche und dem gräflich Tannenbergschen Palaste erschienen, wurden von den Pferden geschossen. Zweimal versuchte der Feind durch die Marktgasse zu dringen und zweimal wurde er bis zur Pfarrkirche zurückgeworfen. So tapfer wehrte sich das Häuflein Österreicher! 14)

Ein Teil des feindlichen Geschützes war im obern Dorfe gegen die Masse der Tiroler gerichtet, welche von den Anhöhen über dem Markt herab ein sehr lebhaftes Feuer eröffneten, ein anderer Teil des Geschützes stand bei der untersten Lahnbachbrücke gegen die Innbrücke und das linke Innufer, um das Abwerfen der Brücke zu verhindern und die dort aufgestellten Landesverteidiger zu beschießen. Unter diesen befand sich der mutige Hauptmann Patsch mit den Schützen von Wilten, durch dessen Anstalten und Tätigkeit schon ein Teil der Brücke aufgerollt war. so dass die heransprengende feindliche Reiterei Halt machen und durch das auf sie gerichtete Gewehrfeuer einen starken Verlust erleiden musste. Auch die auf die Brücke und jenseits gerichteten Kanonen wurden durch die Treffschüsse der hinter den Erzkästen postierten Tiroler zum Schweigen gebracht, allein der Übermacht wegen nur auf kurze Zeit. Die größten Kanonen waren gegen den eigentlichen Markt verwendet und wiederholt in der Hauptgasse losgebrannt worden.

Ein Widerstand, der doch — gegen eine so ungeheure Übermacht — fast eine Stunde gedauert hatte, wurde nun weiter unmöglich.

Was vom österreichischen Militär im Markte der Gefangenschaft entkam, retirierte auf der Hauptstraße nach Pill, und die Tiroler gingen über die Anhöhen zurück; das österreichische Piquet am linken Innufer verließ die Brücke und setzte mit den Landesschützen und Stürmern über den Vomperbach, wo sie der große Wald aufnahm und gegen die feindliche Verfolgung schützte 15).

Nach dem Gefechte, wobei der Feind bloß an Toten 97 Mann verlor, lagerte sich ungefähr ein Dritteil der Truppen auf den Feldern außer dem Lahnbache zwischen dem Inn und St. Martin, alles übrige Militär zog mit der gesamten Artillerie über die erstürmte Innbrücke auf die Vomper Felder und schlug dort in drei Abteilungen das Lager auf. Es wurden auch einige Bauern mit auf den Rücken gebundenen Händen und blutenden Gesichtern über die Brücke geführt und bald darauf erschossen.

§. 10. Wenn schon der feindliche Bericht sagte: „Die Blut- und Mordszenen in dieser Stadt waren schrecklich, die Wut der Soldaten ohne Grenzen"; so dürfte wahrlich jede Feder zu schwach sein, um die kannibalischen Gräueltaten der Bayern in Schwaz zu beschreiben. Wir beschränken uns daher nur auf einige Hauptzüge, welche von Augenzeugen zusammengefasst wurden.

Zuerst wurden die äußersten Häuser des untern Dorfes von den Soldaten angezündet, während der Generalleutnant Wrede im sogenannten Schnapperwirtshause des obern Dorfes schwelgte. Dies war das Signal zur allgemeinen Plünderung und Verwüstung aller Häuser dies- und jenseits des Innstromes nebst dem Dorfe Vomp, wobei nicht nur Gewalttaten und Misshandlungen aller Art an den zurückgebliebenen wehrlosen Bewohnern ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes — ja an Krüppeln und Kranken verübt, sondern auch bei 40 Personen grausam gemartert und gemordet wurden 16).

Über 100 Weibspersonen — junge und alte — wurden in und außer den Häusern, ja sogar in Mitte der Gassen und Plätze gewaltsam entkleidet, genotzüchtigt, und, wenn sie nicht tot blieben, nackt davon gejagt 17).

Gleich beim Aufhören des Gefechtes stürmten sie auf den gräflich Taunenberg'schen Palast los unter dem Vorwande, versteckte Österreicher oder Schützen aufzusuchen. Schon an der Treppe ward der Graf Alois schrecklich misshandelt, hierauf drangen die Wütenden in alle Zimmer ein und raubten, was ihnen gefiel. Der Gemahlin des Grafen und ihrer Frau Mutter rissen sie die Ringe vom Finger und die Gehänge von den Ohren. Dies taten sie allen Frauenspersonen, die sie im Hause fanden. In allen Wohnungen wurden die Tore und Türen gewaltsam erbrochen, alle Kästen und Behältnisse eingeschlagen, alle Möbel zertrümmert, Geld, Pretiosen, Kleidungsstücke, Wäsche u. dgl. geraubt, die Vorräte an Lebensmitteln und Getränken zerstört und vernichtet, selbst die ärmliche Habe der Bergknappen blieb nicht verschont. Wer immer den Barbaren in den Häusern oder auf den Gassen in die Hände fiel, ward durchsucht, des Geldes, der Uhren, der Kleider beraubt, gestoßen, geschlagen, in Todesangst versetzt. „Geld oder Tod, du verfluchter Tiroler!" war das allgemeine Losungswort der Plünderer — ganz nach Straßenräuberart. Man erstaunte aber auch über ihre Geschicklichkeit, alle Schlösser zu öffnen und die verborgensten Dinge zu entdecken. Sie überboten hierin alle gewöhnlichen Diebe und Räuber.

Die Offiziere waren nicht besser, als die Gemeinen, nur etwas artiger. Sie raubten nicht, sondern erklärten, dass sie dies und jenes, was ihnen gefiel, zu haben wünschten, im Falle der Weigerung aber Gewalt brauchen müssten. Wurden sie traktiert, so nahmen sie nach der Tafel das Silberzeug mit sich, und sie trugen selbst ganz offen und ungeniert jene Stücke über die Gasse, welche sie in den Boutiquen und Kaufläden sich ausgesucht hatten. Einige führten auch, wie im Gefecht, die ruchlosen Rotten der Plünderer an, und, was unglaublich scheint, bestürmten, beraubten und verwüsteten mit denselben sogar die königlichen Gebäude und das Aerarialeigentum.

Ein angesehener Beamter hielt sich mit seiner Familie im Amthaus für gesichert, weil nur in den benachbarten Häusern eingebrochen und sehr lange gewütet wurde. Schrecklich tönte das Angstgeschrei der Gequälten in seine Ohren. Aber plötzlich überfiel die Horde der Unmenschen — den Offizier an der Spitze — auch das königliche Amthaus und wollte die Tore, welche sie nicht einzusprengen vermochten, mit Beilen zerhauen. Um den Schaden zu verhüten, öffnete der Beamte unerschrocken die Tore, ward aber gleich wie von den grimmigsten Tigern angefallen, misshandelt und der Barschaft von mehr als 100 Gulden, womit er sich eine Schutzwache verschaffen wollte, beraubt. Seine jammernde Frau kam dazu und ward in wenigen Augenblicken, nachdem man ihr die Ringe von den Fingern und die Ohrgehänge aus den Ohren gerissen, beinahe ganz entkleidet. Man schleppte beide über die Treppe in die Zimmer, wo — gegen die allerdringendsten Vorstellungen und Bitten — alle Kästen, Schränke, Tische, Sessel etc. von den Wütenden zerhaut und zertrümmert, sowie die Spiegel, Bilder, Gläser, Geschirre zerschmettert wurden. Sie sprengten die Amtskanzlei ein, zerstörten die Schreibpulte und Registraturen nebst den Akten, raubten die bedeutende Aerarialkasse und noch viel Geld, welches Private dahin deponiert hatten. Selbst die Amtsbücher, obschon sie die königlich bayerischen Schilde trugen, zerrissen sie, und waren schon im Begriffe, den Amtsdiener zu erschießen. Dann wurden mit unglaublicher Schnelle und Geschicklichkeit die Magazinstüren erbrochen und alle Vorräte zu Grunde gerichtet. Durch den Raub so vielen Geldes und anderer Kostbarkeiten noch nicht gesättiget, forderten sie mit rasendem Ungestüm und Todesandrohung noch mehr. Der ganz ausgebeutelte Beamte wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als dass er den Räubern vorschlug, mit ihm in das Haus des Direktors Wagner — eines geborenen Bayern — zu gehen, von dem er Geld borgen wolle. — Nun rissen sie ihm das letzte Paar Stiefel von den Füßen und führten ihn wie einen Verbrecher fort. Er freute sich schon, als er vor dem Direktoratsgebäude eine Sauvegarde erblickte, und glaubte nun eine Freistätte gefunden zu haben. Kaum hatte er an das Tor gepocht, als der Direktor selbst kam und öffnete. Sogleich überfiel auch ihn die räuberische Horde, entriss ihm das Halstuch und schrie mit gezückten Säbeln: „Geld oder Tod!" Der Direktor greift nach der Börse, flugs ward sie ihm entwunden. Jetzt drangen sie mit ihm über die Stiege in die Zimmer, zertrümmerten vor allen die schönen — eine Mineraliensammlung enthaltenden Kästen und forderten mit fürchterlichem Gebrüll Pretiosen, Kleider, Wäsche etc. Und die Sauvegarde (?) — sah allem Unfuge ruhig zu!

So erging's aber auch andern Häusern, wo für teures Geld Schutzwachen aufgestellt waren. Während diese bei den Haustoren standen, wurden von den eingelassenen Soldaten die Häuser, z. B. der gräflich Tannenberg'sche Palast, das Haus, in welchem der Landrichter Bohonowsky — gleichwohl ein geborner Bayer — wohnte, geplündert und verwüstet.

§.11. Am allerwütendsten benahm sich der Soldat gegen die Priester und gegen die unschuldigen Familien der Defensions-Offiziere 18).

Der allgemein hochgeachtete Ortspfarrer (Wintersteller) empfand gleich nach dem Einzuge der Feinde ihren Priesterhass. Als sie vor seiner Wohnung hinter der Hauptkirche einige Verwundete daher trugen, rief er in seinem wahren Seeleneifer vom Fenster herab, ob er die Sterbenden mit den heiligen Sakramenten versehen sollte. „Ja, komm herunter, du spitzbübischer Pfaff!" war die Antwort. Er kam und ward gleich misshandelt, konnte jedoch, weil die Soldaten vorwärts — in das noch anhaltende Gefecht gingen, seine geistlichen Funktionen verrichten. Allein nach dem Gefechte drangen sie in den Pfarrhof, plünderten ihn rein aus und rissen dem Pfarrer unter den grässlichsten Beschimpfungen auch noch das Beste vom Leibe, so dass er Kleider entlehnen musste, um ausgehen zu können.

Auch in Schwaz, wie früher in andern Ortschaften Unterinntals, wurden von den katholischen Bayern die entsetzlichsten Kirchenfrevel begangen. Die Kirche im Dorfe St. Martin ward gestürmt, der Tabernakel erbrochen und alles Heilige und Kostbare entweiht und geraubt. Die Sakristeitüre schien jeder Gewalt zu trotzen, da sie mit einem zehnfachen Schlosse befestiget war. Allein zur allgemeinen Verwunderung drangen die Räuber nur mit geringer Verletzung des Schlosses ein. Sie trugen die Kelche und die besten Messkleider fort, von den übrigen schnitten sie die Borten oder Mittelstreifen heraus, warfen dann alles untereinander, Alben, Stolen, Manipel u. s. f. auf den Boden und zerstampften es mit den Füßen. Eben so machten sie es in der Kirche des Benediktinerstiftes Fiecht, wo ihnen die kostbaren Monstranzen, Ziborien, Kelche, Chrisamgefässe, Ampeln u. dgl. eine reiche Beute verschafften. Die geweihten Hostien und heiligen Öle wurden auf den Altar und Boden ausgeschüttet. Die gleiche Plünderung und Entweihung widerfuhr der Kirche des Knappenspitals oder sogenannten Bruderhauses. In der Kirche des allgemeinen Spitales am linken Innufer in der langen Gasse waren die Schätze vieler Familien auf der Rückseite des Hochaltars in Behältnissen verborgen. Mit dem Raube des Gotteshauses fiel auch dieses auf 20,000 Gulden angeschlagene Privatvermögen in die Hände der Plünderer. Das Spital selbst blieb, aller Bitten des Verwalters ungeachtet, nicht verschont, und dieser erhielt Befehl, sogleich alle Kranken wegzubringen. Etwas weniger beschädiget wurde die Hauptkirche, aber auch in dieser Manches verwüstet und die Sakristei mit Gewalt geöffnet, aus welcher doch nur einige Kelche entwendet wurden 19). Die einzige Kirche und Sakristei des Franziskanerklosters entging, wie durch ein Wunder, der Beraubung und Entweihung, obschon die Soldaten oft rasend in das Kloster hineinstürmten und bald dies, bald jenes forderten oder raubten. Unzählig sind die Bilder und Gemälde des Erlösers und der Heiligen, welche diese Gottlosen in den Privathäusern zerstörten und zertrümmerten. Ein vornehmer Herr hatte eine sehr schöne Sammlung von kostbaren — authentischen Reliquien. Diese wurden aus den silbernen Kapseln herausgerissen, in den Kot geworfen und zertreten, die Kapseln aber hastig eingeschoben. Unter den Heiligenbildern einer angesehenen Frau befand sich ein sehr schönes Gemälde der Mutter Gottes. Als die ruchlosen Frevler ein Bild nach dem andern zerhauten, bat die Frau kniefällig, ihr doch das Marienbild unversehrt zu lassen. — „Nein, schrieen sie, zusammengehauen muss sie werden, die verfluchte H—."

Unter so vielen tausend Unmenschen war doch noch ein Mensch. An das von Milau'sche Haus in der Marktgasse angelehnt, schaute ein Soldat längere Zeit den schaudervollen Exzessen seiner Kameraden zu. Endlich rief er aus: Großer Gott! Du bist gerecht. Wie wirst Du einst diese schrecklichen Gräueltaten strafen! — 20)

§. 12. Aber alle diese satanischen Frevel waren nur Vorläufer weit größerer Kalamitäten. Schon um 4 Uhr Nachmittags hatte der Brand im Dorfe um sich gegriffen, sich aber den Bewohnern des Marktes wegen des hohen Lahnbachbettes nur durch die himmelansteigenden Rauchsäulen kund gegeben. Dagegen erblickten sie um 5 Uhr das ganze Dorf Vomp in Flammen. Alles entsetzte sich, und — ein gleiches Schicksal für den Markt fürchtend, beschloss man, eine Deputation an General Wrede zu schicken, um wenigstens für den großen Markt Schutz gegen Brand zu erflehen. Man hoffte um so leichter Gnade zu erwirken, als der Markt viele Aerarialgebäude mit wertvoller Einrichtung und großen Vorräten enthielt.

Es war indessen schwer, die geeigneten Glieder dieser Deputation zusammen zu bringen, da viele durch die Schreckensszenen verscheucht und unsichtbar worden waren. Ein ganz ausgeraubter und halb entkleideter Glasermeister ließ sich zu dem lebensgefährlichen Dienste brauchen, die geistlichen und weltlichen Gemeindevorsteher herbeizuholen. Allein man konnte sie nicht alle abwarten, weil die Gefahr immer dringender wurde, indem man die Verwundeten eilfertig aus den Häusern wegtragen sah, unter diesen den Fürsten Löwenstein aus dem Palaste des Grafen von Tannenberg.

Die Deputation, größten Teils aus Beamten unter Anführung des Direktors Wagner bestehend, ging — von der Schutzwache begleitet — ungesäumt ab und über die Innbrücke in's Lager. Sie schritt über Blut, Leichen und allerlei Gegenstände der Verwüstung dahin, überall von den Soldaten beschimpft und mit dem Tode bedroht. Der Landrichter Bohonowsky kam ihr höchst niedergebeugt entgegen und benahm ihr durch die wenigen Worte, die er sprach, schon alle Hoffnung eines nur leidentlichen Empfanges.

Das brennende Vomp warf ein furchtbares Licht auf das ganze Lager, wo die Deputation den General Wrede erwartete. Nach wenigen Minuten kam er an. Er hatte im Palaste des Grafen von Tannenberg mit seinen Offizieren ein köstliches Mahl unter Scherz und Lachen eingenommen und dem Grafen Alois nach Empfang einer angeblich bedeutenden Geldsumme das Ehrenwort gegeben, dass nicht bloß sein väterliches Haus, sondern der ganze Markt vom Brande verschont bleiben würde. Bei seinem Weggehen sagte die Frau des Sekretärs Ortlieb: „Nun werden wir wohl nichts mehr zu leiden haben", und er fuhr sie mit den Worten an: „Sind wir denn Spitzbuben, die das nicht halten, was sie versprechen?"

Als ihm die Deputation vorgestellt wurde, stand er wie ein Rasender da, den großen Generalshut ganz in das linke Auge gedrückt, den Degen zerbrochen, ohne Knopf und Biegel, das Porte-épée ohne Quasten mit zerrupften Borten. Dem einstimmigen Flehen der Deputierten um Gnade und Schonung donnerte er entgegen: „Ha! dass ich Euch auf der Stelle füsilieren lasse, Ihr Elende, Ihr Meineidige! — Ihr, die Ihr Euch auf einen Chasteler verließet! Was habt Ihr nun? Ich sah ihn kaum, diesen elenden Buben, so zerstäubte ich ihn schon und er floh vor mir wie ein Wahnsinniger. Er ist kein Soldat, er ist die feigste Memme. — Wo sind Tausch, Huber, Klingler? Her damit, vor Euern Augen lasse ich sie erschießen." —

Nun wollte Direktor Wagner das Wort führen. „Dich kenne ich schon“, fiel Wrede mit einem fürchterlichen Blick ein; „ich habe es in Rattenberg erfahren, dass du der treuloseste Schurke bist, der mit seinem Vaterland und mit Eidschwüren nur sein Spiel treibt. Du rede nur kein Wort!“ — Einer der übrigen versuchte das Benehmen Wagners und der Beamten zu rechtfertigen. Tobend schrie der General: „Ihr seid die größten Spitzbuben — die infamsten Meineidigen! Die braven Beamten schmachten in der Gefangenschaft zu Klagenfurt und Graz. „Lange schon wusstet ihr von den niederträchtigsten Proklamationen Österreichs; warum brachtet ihr sie nicht an den allerhöchsten Hof? Jeder ist meineidig, der gegen seinen König die Waffen ergreift — und Ihr wollt Euch noch entschuldigen, wollet noch um Gnade bitten — Ihr, die Ihr den schimpflichsten Tod verdienet?" —

Während dessen erschien der durch seine Tugenden und grauen Haare ehrwürdige Ortspfarrer mit seinem Kooperator, dem Marktkassier, dem Apotheker und noch einem angesehenen Bürger. Welch ein Auftritt! „Bist du da", brüllte schäumend der General, „du verdammter Graukopf! Welch eine Religion lehrest du denn, du — verfluchter Pfaff?! Wo erlaubt das Evangelium, Rebellion und Meineid zu predigen? Siehst du, infamer Spitzbub, dass unser Krieg gerecht ist. Gott verleiht nur jenem den Sieg, der die gerechte Sache verfechtet."

Nun fielen alle Deputierten auf die Knie und flehten in den wehmütigsten und rührendsten Ausdrücken um Schonung des ohnehin nackten Lebens und um Schutz des Marktes gegen Brand, wo sich so viele Aerarialgebäude befänden.

Der General, sich auf seinen Degen stützend, stand eine Zeit lange nachdenkend da und ließ die Deputation in bangster Erwartung auf den Knien liegen. Endlich sprach er mit einer — tiefen Schmerz und Unmut ausdrückenden Stimme: „Ihr habt heute einen der Tapfersten meiner Armee gemeuchelmordet. Gehet hin zu seinem Grabe (mit dem Finger darauf zeigend) und betet. Wenn er nicht bei Gott bittet, dass Euch Gott der Ewige Euern Meineid vergibt und an Eure Verbrechen nicht mehr denkt, o! so kann auch ich Euch nicht helfen. Der Pfarrer und Ihr alle müsst mir heilig versprechen, dass Ihr jährlich an diesem Tage dieses Grab besuchen und einen Jahrtag mit einem Seelenamte und Rosenkranz halten wollet. Nur er kann für Euch Vieles von Gott erwirken. Nun gehet und betet daselbst." Einer von den Knieenden sprach einige Worte des Dankes, aber der General schrie: „Verflucht! so geht doch einmal zum Grabe und betet." 22)

Sogleich standen alle auf, gingen zum Grabhügel, von vielen Offizieren und Soldaten begleitet, und beteten knieend und laut das gewöhnliche Gebet für Verstorbene. Dies war den Soldaten zu kurz. „Seht doch", murrten sie unter einander über die Zurückgehenden, „seht, wie bald sie fertig sind; sie wollen nicht für uns beten." Sie kehrten sich nicht daran und eilten inmitten der auf sie gerichteten Musketen, wogegen die sehr teure Sauvegarde sie doch schützte, mit allen erdenklichen Schimpfnamen überhäuft, nach Hause.

Sie hatten die Marktgasse kaum erreicht und sich von einander getrennt, als sie in der langen Gasse, jenseits des Innstromes, die Flammen hell auflodern sahen. Darum musste das Spital von den Kranken schleunigst geleert werden. Es war eben 7 Uhr Abends und eine gänzliche Windstille. — Schon mehrere Häuser brannten; aber das Feuer verbreitete sich nur langsam. Da sah man gegen 8 Uhr die Mordbrenner mit Fackeln und Feuerbränden umherlaufen und in mehreren Häusern in der langen, sowie in der daran stoßenden Gasse längs dem Innufer Feuer legen. Um 9 Uhr brannte die ganze Spitalseite — aus 60 bis 70 Häusern bestehend.

Es war kaum etwas Anderes zu erwarten, als dass die ungeheuere Flamme, besonders von den auf dem Inn gebauten Erzkästen einige Funken hinüber sprühen und die nächsten Dächer am rechten Innufer, welche ohnehin durch die Trockene und Sonnenhitze ausgedorrt waren, entzünden würde. Weil aber dies nicht geschah, so steckten die Soldaten gegen 10 Uhr am rechten Innufer dies- und jenseits des Lahnbaches mehrere Häuser und Städel in Brand. Man hat gesehen, wie viele Mühe sie sich gaben, inner dem Lahnbache die Schulgasse und die Häuser unter und neben dem Bruderhause, dann außer dem Lahnbache die sogenannte Au und den Rennplatz, wo ein gewaltiger Vorrat von Amtsholz lag, in Flammen zu sehen. Auf die Dächer warfen sie Pechkränze, die anklebten, in die Gebäude selbst aber Fackeln und Granaten. Die ungeheuren Holzstöße auf dem Rennplatze zündeten sie auf allen Seiten zugleich an. Und doch heuchelten sie — sie, die den Brand so mühsam angelegt, verbreitet und unterhalten hatten — als hätte sich die Brunst nur durch Zufall entzündet und verbreitet. Sie klagten, schimpften und fluchten sogar über die Einwohner, dass niemand zum Löschen komme! Welchen Namen soll man einer solchen Bosheit geben? — Wer hätte auch kommen sollen, da nur die gröbsten, ja lebensgefährlichen Misshandlungen jeder zu erwarten gehabt hätte, der da gekommen wäre? Wie hätte gelöscht werden können, da die Soldaten das von vorne gelöschte Haus von hinten wieder angezündet und mit satanischer Lust alle Rettung vereitelt hätten? Nur die Innbrücke und die zunächst stehenden Häuser suchten sie selbst gegen das Feuer zu schützen.

§. 13. Indessen gelang das Mordbrennen in der ersten Nacht nicht ganz nach Wunsch; denn die Flammen erreichten, wider alles Vermuten, die große Marktgasse nicht. Sie wurden, bei gänzlicher Windstille, durch das kupferne Dach am Palaste des Grafen von Tannenberg aufgehalten. Immerhin aber waren schon am linken Ufer die Langgasse mit der Spitalkirche und dem Spitale, dann die Erzkastengasse und am rechten Ufer die Schulgasse mit allen inner dem Lahnbache gelegenen Gebäuden bis an die Marktgasse, ferner außer dem Lahnbache das ganze Dorf St. Martin ein Raub der Flammen geworden. Die Rache der Feinde war noch nicht gesättiget!

Am 16. Mai erneuerten sich alle Schrecknisse, Räubereien, Gewalt- und Schandtaten des vorigen Tages und wüteten bis in die Nacht, besonders in den Häusern der noch unversehrten Marktgasse. Mit dem Einbruch der Nacht wurden die Brandszenen fortgesetzt. Die ersten Flammen loderten von Neumarkt und den Häusern nächst dem Marktbrunnen empor. Sie griffen schnell um sich; aber die neuen Hunnen und Vandalen begnügten sich damit noch nicht. Sie liefen, wie Furien der Hölle, mit Feuerbränden die Marktgasse auf und ab und zündeten aller Orten an, bis gegen 200 Häuser zugleich in Flammen standen. — Die Flüchtlinge sahen von den Anhöhen ein Feuermeer vor sich — in der schauerlichen Mitternachtsstunde — sahen ihre letzte Habe in Asche verwandelt! —

Nach 3 Uhr Morgens hatte das Feuer auch die Häuser nächst der Franziskanerkirche und die Lindenbäume auf dem Klosterplatze ergriffen. Alle Mönche waren mit dem Allerheiligsten auf die Anhöhen geflohen. Man hielt bereits Kloster und Kirche für verloren, indem der Feuerpfuhl von der Vorhalle des Klosters mit der Holzhütte nicht zwölf Schritte entfernt war. Aber plötzlich entstand ein Südwind und führte alles Feuer dem Markte zu. Dadurch wurden Kirche, Kloster und alle Zugebäude ohne alle menschliche Hilfe zum allgemeinen Erstaunen gerettet. — Auch die große Pfarrkirche blieb, durch, die hohen Mauern und das Kupferdach geschützt, ohne alle Verletzung, während alle umstehenden Gebäude mit dem kaum zehn Schritte entfernten Palast des Grafen von Tannenberg in Asche versanken.

In beiden Lagern wurde diese schaudervolle Zerstörung des schönsten und größten Marktfleckens im ganzen Lande durch Bachanalien, wildes Jubelgeschrei und türkische Musik gefeiert.

Bei 400 Häuser, worunter 6 Aerarialgebäude mit ihren Vorräten, Naturalien und Kunstsammlungen. 3 Kirchen, 2 Spitäler, die Erz- und 6 Getreidekasten nebst der Fleischbank und allen Scheunen und Ställen lagen im Schutte. Aber auch alle Lebensmittel waren vernichtet.

Für die Wahrheit aller hier erzählten Gräueltaten in Schwaz bürgen viele Augenzeugen 24) 25) 26).

Nach der gerichtlichen Erhebung belief sich der Schaden der Marktgemeinde Schwaz:

a) an Gebäuden auf . . . 652.795 fl.
b) an Mobilien . . . . . 706.330 fl.
c) an Plünderung . . . . 258.926 fl.
Zusammen . . 1.618,051 fl.

Die Aerarialgebäude und Effekten, sowie der Palast des Grafen von Tannenberg und seine übrigen Häuser kamen hierbei nicht in die Berechnung. Eben so wenig die Benediktiner-Abtei Fiecht und das große Dorf Vomp 26). Und welche Summe mussten die Brand- und Plünderungsschäden von Waidring bis Schwaz ersteigen! — Die bayerischen Skribenten suchten alle Schuld von ihrer Generalität teils auf die Unbändigkeit der Soldaten, teils auf den Zufall, vorzüglich aber auf den Reichsmarschall Lefebvre, Herzog von Danzig, zu wälzen. Allein dabei übersahen sie, dass der Reichsmarschall erst am 16. Mai von Rattenberg nach Schwaz kam 27).

§. 14. Lefebvre hatte schon in Salzburg Proklamationen an die Tiroler vorbereitet und in französischer und deutscher Sprache zum Drucke befördert. In einer derselben hieß es — gleichlautend mit der in Trient kundgemachten Proklamation des Kaisers Napoleon aus Regensburg —:

„In den Schlachten bei Thann, Abensberg, Eckmühl und in den Gefechten bei Peißing, Landshut und Regensburg auf das Haupt geschlagen und zerstreut fliehen die österreichischen Heere in wilder Unordnung gegen ihre Hauptstadt, auf deren Wällen bald unsere siegenden Adler schweben werden. 100 Kanonen, 40 Fahnen, 50,000 Gefangene. 3 Schiffsequipagen, alle Parke, 3000 bespannte Wagen bewähren unsere Fortschritte. — „Tiroler! eilet, das Unglück abzuwenden. Es bleibt euch nur eine Wahl - Entweder schnelle Ergebung oder ein verbrecherischer Widerstand, welcher den gänzlichen Untergang eures Vaterlandes herbeiführen würde.

Wendet euch an die Nachsicht des Größten der Kaiser und verdient dieselbe; später wird es nicht mehr Zeit dazu sein. — „Legt eure Waffen nieder, kehret zu euern Häusern zurück; seid euerem rechtmäßigen Herrn getreu und euere Verirrung soll euch vergeben sein. — Tiroler! rettet euer Vaterland“. — In einer andern kamen die Stellen vor: „Tiroler! Napoleon der Große, „Kaiser der Franzosen Wiederhersteller der heiligen Religion in Frankreich, hat auf Euch vor den Toren in Wien, welche er in diesem Augenblicke in Besitz hat, seinen letzten Blick der Gnade zu richten, Euch gewürdiget. — Von Ihm beauftragt, schmeichle ich mir noch, dass, von den Verirrungen zurückkehrend, in welche Euch die treulosesten und falschesten Aufwiegelungen geführt haben, Ihr selbe abschwören werdet. — Was ist aus „den Versprechungen Eurer Aufwiegler geworden? Geschlagen und in schimpflicher Flucht vor unseren Heeren haben sie nicht einmal ihre Hauptstadt retten können. — Tiroler! Höret auf diese letzte Ermahnung!" 28)

Wahrscheinlich durch die Tags vorher an der Zillerbrücke vorgefallene Affäre aufgebracht, proklamierte er von dort aus an die Ortsvorstände im Zillertal Folgendes:

„Der großmütige König von Bayern hatte durch sein gutes Herz den kaiserlich französischen und königlich bayerischen Generalen befohlen, sie sollen die Untertanen von Tirol verschonen und nur durch Guttätigkeit an ihre Pflicht erinnern. Weil aber alle ihre Mühe verloren ist, so hat der große Kaiser von Frankreich, der Beschützer der Religion, heute den 15. Mai ordiniert, dass alle Tiroler, die, mit den Waffen versehen, gefangen, erschossen und aufgehängt werden, und wo in dem Bann oder in einem Dorf. Kreise oder Landgericht ein Soldat aufgehangen oder totgeschossen gefunden wird, so soll das ganze Tal oder Bann, oder das ganze Gericht in 24 Stunden verbrannt und die Vornehmsten davon, wenn sie auch ohne Waffen getroffen werden, an den nächsten Baum aufgehängt werden.

Dem Ortsvorstand wird anbei anbefohlen, also gleich die Waffen der Bauern, nämlich die Schießgewehre aller Art. zu sammeln und in Bereitschaft zu halten, dass, wenn ein militärisches Kommando kömmt, dieselben ohne Weiters in Empfang genommen werden können; die Nichtbefolgung dieses Befehles würde für die Einwohner von den übelsten Folgen sein." 29).

Als der Pfarrer von Straß von der Annäherung des Reichsmarschalls Kenntnis erhielt, ging er eiligst demselben entgegen und hatte den Mut, ihm zu erzählen, wie treulos die Bayern gegen ihn gehandelt und was sie für Gräueltaten in der Kirche verübt haben. Lefebvre wandte sich hierauf zu seiner Bedeckung, welche aus bayerischer Kavallerie bestand, und sagte: „Ich schäme mich, euer Kommandant zu sein. Auch unter der französischen Armee sind Erzketzer, aber doch keine solche Schurken, wie ihr seid. Napoleon hat unter seinem Befehl keine Räuber, sondern Soldaten“. Er befahl sodann dem bayerischen Offizier mit seinen Leuten als Schutzwache bei dem Pfarrhofe zu bleiben, und zog weiter.

Um Mittag kam der bayerische General Deroy in Straß an und stieg im Pfarrhofe ab. Er behandelte den Geistlichen ungemein freundlich, lud ihn zur Tafel und verschaffte ihm auch einige Messkleider, die aus seiner Seelsorgskirche geraubt und schon in den Händen eines Juden waren. Es zogen nämlich viele Juden der Armee nach, um die geraubten Sachen aufzukaufen. — Bevor der General den Pfarrhof verließ, gab er dem Pfarrer zwei Schutzbriefe, um den einen an das Haustor zu heften, den andern in Händen zu behalten. Sie taten ihm großen Teils gute Dienste; allein die Genossen seiner Gemeinde, welche, der erhaltenen Aufforderung gemäß, in ihre Häuser zurückkehrten, waren fortwährenden Beraubungen und Misshandlungen preisgegeben 30).

Über Jenbach geschah keine Vorrückung der Truppen, weil auch die Innbrücke bei Rotholz abgebrannt war. Daher ließ Aschbacher dem Straub schreiben, dass etwas Militär nach Rattenberg zurückgehe und dort Batterien auswerfe, vermutlich einen Angriff von unten herauf befürchtend. Nach seiner Meinung sollte man den Feind mit Hilfe der Zillertaler unvermutet in der Nacht überfallen, wenn die Posten von Schwaz nach Hall hinlänglich besetzt wären 31).

§. 15. Unterdessen saß der General-Feldmarschallleutnant Chasteler in Steinach und erließ von dort aus an General Buol in kurzer Zeit so viele Befehle und Gegenbefehle, dass dieser zuletzt nicht mehr wusste, was er tun solle, da seine Truppen vor lauter Hin- und Hermarschieren ganz erschöpft waren. Das Schreiben, ddo. Steinach 15. Mai um 5 Uhr früh, welches General Buol um 12 Uhr Mittags an der Volderser Brücke empfing, lautete:

„Sehr dringende Umstände erfordern, das Korps auf dem Brenner zusammenzuziehen. Der Herr General haben sich gleich nach Empfang dieses Befehls dahin zurückzuziehen, vor allem aber alles beihabende Geschütz in die obere Verschanzung des Brenners abzuschicken“.

Wenn nun gleich General Buol mit dieser Anordnung ganz einverstanden sein mochte, da seine Mannschaft gegen den überlegenen Feind äußerst gering und sein Vertrauen auf erfolgreiche Mitwirkung des Tiroler Landsturms noch schwächer war; so konnte er doch den anbefohlenen Rückzug nicht wagen, ohne von den anwesenden und immer noch zahlreicher ankommenden Landstürmern, welche zur Unterstützung der österreichischen Truppen nach der Volderser Brücke waren aufgerufen worden, aufgehalten, misshandelt oder gar totgeschlagen zu werden. Indessen erließ er sogleich ein Schreiben an Baron Lochau nach Innsbruck mit dem Auftrage: „alles, was noch vom Militär in Innsbruck sei, nach dem Brenner zu schicken. Er sei vom Feinde angegriffen, und wenn er geschlagen werde, so retiriere er selbst nach Steinach“. Man sah auch bald verschiedenes Militär. Artilleristen etc. zurückgehen. Das weitere Schreiben, ddo. Steinach 15. Mai um halb 12 Uhr Mittags, erhalten an der Volderser Brücke um 4 Uhr Nachmittags, enthielt die Gegenordre: „Vermöge erhaltener günstiger Nachrichten werde ich heute Abends noch mit 10 Bataillons Infanterie, 4 Eskadrons Kavallerie und 10 Kanonen nach Innsbruck vorrücken; indessen ist die Volderser Brücke und das Schloss Friedberg gut zu besetzen“.

Der Stadtmagistrat zu Hall forderte auf die Nachricht, dass die Bayern bereits eingeschlossen seien, gleichzeitig die Gemeinden zu Rinn und Tulfes, wo auch die Stubaier standen, dringend auf, „schleunigst nach Unterinnthal aufzubrechen, um den Feind desto leichter aufheben zu können." — Nach Schönberg schrieb Chasteler aus dem Hauptquartier Steinach:

„Der Landsturm von Sterzing geht über die Ellenbögen nach Schwaz vor, um den Feind aus Unterinnthal zu vertreiben. Der Landsturm von Steinach und Matrei ist über Schmirn nach Zell im Zillertale vorgegangen, um dem Feinde in den Rücken zu fallen. Bei diesem Umstande hat der Landsturm von Stubai bei Schönberg über die Sill zu gehen, und sich mit dem Sterzinger Landsturm zu vereinigen." — Er empfahl den Stürmern: „sich mit der feindlichen Kavallerie auf größeren „Flächen oder Wiesen nicht einzulassen!" — 32)

Um 7 Uhr früh des folgenden Tages war schon wieder in Volders ein Schreiben, ddo. Steinach 16. Mai um halb 1 Uhr nach Mitternacht, eingelaufen in den Formalien: „Wenn der Feind mit überlegener Anzahl Euer Wohlgeboren anzugreifen und zu werfen drohet, so ist unverzüglich ihr Rückzug über die Ellenbögen nach dem Brenner zu nehmen; um den Rückzug und die Rettung der Kanonen zu sichern, ist das Schloss Friedberg auf das Äußerste zu verteidigen."

In Folge dessen wurden die Landesverteidiger vom Oberstlieutenant Reißenfels auf die Anhöhen über das Schloss Friedberg gewiesen 33).

Ganz unbedingt ward die Ordre des Rückzuges in dem Schreiben ausgesprochen, welches Buol am nämlichen Tage aus Steinach um 1 Uhr Mittags erhielt: „Der Herr General haben unaufgehalten mit allen Truppen und Kanonen über die Ellenbögen nach Steinach zu marschieren und das in Innsbruck befindliche Militär auch dahin zu instradieren." — Allein diesem Befehle lag noch ein Schreiben von Major Lebzeltern bei: „dass, wenn die vorwärtigen Umstände (?) sich bis zum Erhalt dieses Schreibens geändert hätten, der Herr General dort zu verbleiben haben." —

§. 16. General Buol hatte, um sich den Rückzug zu erleichtern, den größten Teil der Landesverteidiger ans die linke Seite des Innflusses beordert, wo sie, mehrere Tausende stark, in den Wäldern und Anhöhen bis an den Vomperbach aufgestellt waren. Indessen befanden sich noch immer einige Tausende unter dem Kommando des Joseph Straub auf den Bergen des rechten Innufers. Nach Empfang des letzten, von Chasteler erlassenen Schreibens suchte man die Bauern vom Militär möglichst zu entfernen, und es ward daher ein allgemeines Vorrücken der Ersteren angeordnet. Es war um 4 Uhr Abends. Also gleich zogen sich die auf den Anhöhen bei Volders postierten Schützen und Stürmer bereitwilligst zusammen und einer machte dem andern Mut. Sie zweifelten nicht am Siege und wählten zur Losung: „Siegen oder Sterben!" Der Brand der angezündeten Ortschaften hatte diese Stimmung nur umso heftiger entflammt. Das zahlreiche Volk der Landesverteidiger war nun in Bereitschaft, auf der Seite von Volders den Feind anzugreifen. Da wurde ihnen bedeutet: „es werde not tun, dass sie auf die andere Seite gehen, dort sei es gebirgiger, dort könnten sie bessere Dienste tun, auch habe sich der Feind mehr dahin gezogen." Die Bauern glaubten, gehorchten und passierten mit dem Anführer Straub eilig die Volderser Brücke, um jenseits gegen den Feind vorzurücken und die angewiesenen Posten zu besetzen.

Nach diesem Manöver retirierte General Buol, von der eintretenden Nacht begünstigt, mit allen Truppen und Geschützen auf der Ellenbögener Straße gegen Matrei und Steinach, wo General Schmidt abends vorher mit 1 Bataillon von Jellachich, 3 ½ Eskadrons von Hohenzollern-Chevauxlegers und 4 Dreipfündern eingetroffen war, Oberstleutnant Ertl aber bereits am Morgen den Brenner mit 4 Kompagnien erreicht und 2 davon nach dem Passe Lueg vorgeschoben hatte. General Marschall befand sich damals mit 2 Bataillons von Hohenlohe-Bartenstein noch auf dem Marsche dahin.

Diese Truppenbewegungen und sonstige Nachrichten stimmten den General Chasteler wieder um. Denn General Buol erhielt auf seinem Rückmarsche um 2 Uhr Nachts noch ein Schreiben desselben aus Steinach 16. Mai mit der Weisung: „Bei den „eingelaufenen — guten Nachrichten habe er bei Volders stehen zu bleiben; bestätigten sich diese Nachrichten nicht, so sei der anbefohlene Rückmarsch in Vollzug zu setzen." Nach 3 Stunden aber kam das letzte von Steinach: „Eilen der Herr General über Steinach nach dem Brenner. — Um die Kommunikation mit Ihnen zu erhalten, habe ich nach Sistrans 2 Eskadrons gestern marschieren lassen."

Der Kommandant Straub ließ seine Masse in den Verhauen von Baumkirchen etwas ausruhen. Er beschäftigte sich in der Wohnung des Ortspfarrers mit Ausfertigung der Angriffsbefehle und Losung, als Kaspar Sautner in's Zimmer trat und die Nachricht brachte, dass General Buol mit allen Truppen und Kanonen die Aufstellung bei der Volderser Brücke verlassen habe und eiligst über den Lehenweg gegen Ampas und Lans marschiere.

Den heimlichen Abzug der Österreicher fand Straub bei den kurz vorher gemachten Anordnungen ganz unglaublich und sandte seine verlässlichsten Ordonnanzen zur Volderser Brücke. Diese sprengten bald zurück und bestätigten Sautners niederschlagende Aussage. Es war mit Grund zu besorgen, dass die Tiroler über diese wortbrüchige Handlung der Österreicher in die äußerste Wut geraten würden, und so gern Straub dies vermeiden mochte, so konnte eine solche Nachricht den Anführern und Hauptleuten des zahlreichen Volkes doch nicht verschwiegen werden.

Daher schickte Straub nach allen Seiten Eilboten aus und ließ den Befehl zum Angriffe widerrufen. Er selbst zog mit seinen Schaaren zur Volderser Brücke zurück und besetzte damit die Anhöhen am rechten Innufer, nachdem er zugleich die Schutzdeputation zu Innsbruck über die Lage der Sachen verständiget und um Maßregeln zur Beruhigung des auf's Äußerste ergrimmten Volkes gebeten hatte.

§. 17. Major Teimer war eben mit dem Landrichter Michael Senn von seinen Streifzügen, die er nach Bayern gemacht, in Innsbruck eingetroffen, und, obschon von Buols Rückzug unterrichtet, hatte er sich nur damit beschäftiget, den Landsturm aller Orten aufzurufen. Er wies alle Vorstellungen dagegen hartnäckig ab und ließ eine Deputation des Stadtmagistrats, welche Innsbruck gegen Brand und Plünderung bewahren wollte, gar nicht vor, sondern ihr durch Herrn v. Stadler ein Schreiben des Intendanten Hormayr aus Brizen, den 15. Mai, vorlesen, worin dieser das Volk zur standhaften Gegenwehr aufforderte 34).

Er verfügte sich dann auf das Landhaus, wo Graf von Tannenberg ihn freudig empfing und dringend bat, an den Vomperbach zu eilen und das Kommando über den dortigen Landsturm zu übernehmen. Der Pfarrer von Seefeld, welcher, um zu erfahren, wie die Sachen stehen, in die Hauptstadt gekommen und mit Teimer auf das Landhaus gegangen war, überließ ihm hierzu sein Reitpferd, weil man in Eile kein anderes in Innsbruck auftreiben konnte. Teimer verlangte vor der Abreise vom Stadtmagistrat Lieferung von Lebensmitteln, und dieser sicherte die Brotlieferung auf Teimer's Versprechen zu, dass die Aufstellung bei Volders die letzte sei und die Wiederherstellung der Straße bei St. Nikolaus, welche durch drei aufgerissene Gräben abgeschnitten war, sogleich geschehen soll.

Unterdessen waren die Massen des Tiroler Landvolkes auf beiden Seiten des Innstromes in der gewaltigsten Aufregung. Das Entsetzen über den Gräuel der Verwüstung in den vor Augen liegenden Ortschaften Vomp und Schwaz hatte sich kaum durch Jammertöne und Schwüre der blutigsten Rache Luft gemacht, als die Kunde vom nächtlichen Rückzuge der Österreicher alle Sinne betäubte und das Volk in völlige Raserei versetzte. Schrecklich ballten die Verwünschungen der österreichischen Anführer durch die Reihen. Viele Landstürmer hielten die Sache für verloren und zogen weheklagend ab. Aber der bei weitem größte Teil der Sturmmassen ließ sich durch die Stärke und Grausamkeit des Feindes nicht schrecken und wählte die Losung: „Sieg oder Tod."

An einen Angriff des Feindes von Seite der Tiroler war jetzt nicht mehr zu denken; nur dem weitern Vorrücken desselben suchte man die möglichsten Hindernisse in den Weg zu legen. Kundschafter brachten zugleich die Nachricht, dass das Landvolk im Rücken des Feindes keineswegs entmutiget, sondern noch in Waffen und zur Mitwirkung bereit sei. Daher blieb auch der bayerische General Siebein mit mehreren Kompagnien in Rattenberg zurück und eben so bewog den Marschall Lefebvre die, wenn schon verspätete, doch immer bedenkliche Diversion des österreichischen Generals Jellachich mit einem Korps in Schwaz zu verweilen. Auf Zustimmung des Marschalls fasste General Wrede (am 17. Mai) den Entschluss, mit den Österreichern, deren Rückzug er noch nicht wusste, und zugleich mit den Tirolern zu unterhandeln. Er gab dem General Beckers den Auftrag, hierüber an General Buol zu schreiben, und lud mehrere Anführer der Bauern mittelst Abfindung eines Trompeters mit weißer Fahne zu einer Unterredung auf die Vomperbrücke.

Ein gefangener Tirolerschütze ward mit dem Schreiben des Generals Beckers an Buol gesendet und begegnete zwischen Fritzens und Baumkirchen dem Major Teimer, der das Schreiben öffnete und darin den Antrag des Feindes zu einer Konvention las. Teimer wollte die günstige Stimmung der Bayern benützen und mit ihnen einen Waffenstillstand abschließen, um für die Ankunft des entfernten Oberinnthaler Aufgebotes Zeit zu gewinnen und die Vorrückung des Feindes nach Innsbruck zu verzögern. Er begab sich demnach als Parlamentär zur Vomperbrücke und meldete dem bayerischen Vorposten, dass er mit dem Divisionsgeneral Wrede wegen der angebotenen Konvention zu sprechen wünsche. Wrede erschien bald auf der Brücke, und da sich mehrere Hauptleute der Bauern an Teimer angeschlossen hatten, so wandte Wrede alle seine Beredsamkeit an, um die Tiroler zur freiwilligen Niederlegung der Waffen und friedlichen Heimkehr zu vermögen. Dies hatte geringen Erfolg, da die Bauern den Aufstand rechtfertigten und in derben Ausdrücken ihr Misstrauen gegen alle Versicherungen der Bayern äußerten. Wrede suchte dann vorzüglich den Teimer zu bearbeiten und durch schriftliche Versicherung eines angemessenen Jahresgehaltes von Seite Bayerns zu gewinnen, wenn er die Tiroler dahin brachte, binnen 24 Stunden die Waffen niederzulegen 35). Teimer machte Miene, in das Anerbieten einzugehen und vernahm während der zweistündigen Unterredung aus Wrede's Munde die von Napoleon zu Enns am 9. Mai gegen Chasteler erlassene Achtserklärung, wovon ihm eine Abschrift mitgegeben wurde. Diese lautete:

„Auf Befehl des Kaisers soll der angeblich in österreichischen Diensten stehende Chasteler, als Urheber des Aufstandes in Tirol und als Anstifter des an den bayerischen und französischen Gefangenen wider alles Völkerrecht durch die Insurgenten verübten Mordes angehalten, vor ein Kriegsgericht gezogen und in 24 Stunden nach seiner Verhaftung als Chef einer Räuber- und Mörderbande erschossen werden." 36)

Teimer kam zu den Bauern mit der Nachricht eines 36stündigen Waffenstillstandes zurück, welcher am 19. Mai um 8 Uhr früh zu Ende ging. Er ermunterte sie, im Widerstande zu verharren, und versprach ihnen, unter eigener Anführung schleunigst aus Oberinntal Verstärkung zu bringen.

Nachmittags traf zu Innsbruck ein reitender Bote mit einem Schreiben des Joseph Hirn, Hauptmanns einer Kompagnie vom Gerichte Petersberg ein, welches — an General Buol gerichtet — von der Schutzdeputation geöffnet wurde. Es meldete die Ankunft des bayerischen Trompeters mit der weißen Fahne bei den Vorposten am Vomperbache und enthielt die Bitte um eiligste Sendung von zwei österreichischen Offizieren. Als Nachschrift kam darin vor, dass zwei aus dem feindlichen Lager zurückgekommene Bauern angegeben haben, es sei Waffenstillstand. Die Schutzdeputation schickte das Schreiben an General Chasteler.

§. 18. In der Stadt erhob sich der allgemeine Ruf, die Bayern wollen kapitulieren, obschon man noch gar nicht wusste, was sie eigentlich wollten. Abends verbreitete sich die Nachricht, es seien 15,000 Mann Österreicher und der Sandwirt mit 3000 Passeierern im Anzuge. Wirklich sagten dies zwei Chevauxlegers von Hohenzollern aus, die in die Stadt gekommen waren, um die Schriften des Obersten vom Regimente Lusignan, der im gräflich Trapp'schen Hause einquartiert war, in Empfang zu nehmen. Auf diese Nachricht, welche mancher für eine List der Soldaten zur Sicherung ihres Rückweges ansah, unterblieb immerhin der Antrag, kommende Nacht allgemein Sturm zu schlagen.

Es war aber doch etwas an der Sache. Denn General Buol hatte zu Steinach um 12 Uhr mittags ein Schreiben des Generals Chasteler vom Pass Lueg mit folgender Weisung erhalten: „Der Herr General haben zu Matrei an beiden Ufern der Sill sich aufzustellen, eine Avantgarde bei der Latsch auszustellen, die Vorposten bis zur Haller und Volderser Brücke, auch bis auf den Schönberg vorzuschieben, weil ich gute Nachrichten vom General Ettingshausen wegen Besetzung der Gebirgspässe bekommen habe.“ — Allein um halb 6 Uhr Abends kam wieder ein Befehl aus dem Pass Brenner, ddo. 17. Mai um halb 5 Uhr Nachmittags (?) an Buol nach Matrei, „sich sogleich in die Verschanzungen nach Lueg und die Avantgarde nach Matrei zurückzuziehen.“

Um indessen in's Klare zu kommen, was General Chasteler vorhabe und ob noch auf ein Vorrücken der Österreicher Rechnung zu machen sei, oder nicht, wurden zwei Bürger von Innsbruck (Handelsmann Habtmann und Carnelli) an Chasteler abgeschickt, die ihn schon am Brenner trafen. Er zeigte sich gegen die Stadt Innsbruck sehr aufgebracht und behauptete, man habe ihm seine Artilleristen aufhalten wollen, um selbe dem Feinde zu überliefern; auch ihn selbst, als er bei Baron Reinhart übernachtete, habe man anhalten wollen. Die Abgeordneten, welche von dem Ungrunde dieser Beschuldigungen ganz überzeugt waren, bemühten sich lange, dem Kommandierenden eine bessere Meinung von Innsbrucks Bewohnern beizubringen, und er musste von ihnen auch manche derbe Wahrheit anhören; allein sie konnten ihn über seine vorhabenden Dispositionen zu keiner bestimmten Erklärung bringen, weil er, wie aus seinen bereits angeführten und noch folgenden Schreiben an General Buol klar hervorgeht, selbst nicht wusste, was er tun solle. Später kam der Deputierte Hutter von Hötting nach dem Brenner mit der Nachricht: „Wrede wolle kapitulieren." Allein Chasteler lachte ihm in's Gesicht und sagte, „Wrede werde nie kapitulieren."

(derzeit in Arbeit - wird fortgesetzt!)



Quelle: Joseph Rapp, Tirol im Jahr 1809, Innsbruck 1852, S. 274 - 3xx.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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