Tirols Volksgeist bei der Erhebung von 1809


Von Dr. Franz Kolb, 1959

Es ist wohl am Platze, die Erhebung der Tiroler im Jahre 1809 einmal zusammen mit dem Hintergrund der damaligen Zeit und des Tiroler Volksgeistes zu sehen, um ihre ganze Bedeutung und ihre wirkliche geschichtliche Größe richtig zu beurteilen. "Was in Tirol in diesem Jahre geschah, hatte in Europa nicht seinesgleichen. Die Lobeserhebungen, welche den Tirolern im gedrückten und unterdrückten Europa zuteil wurden, sprechen deutlich genug dafür, dass dieses Volk mit seiner tapferen Erhebung etwas in seiner Art einziges und für viele Völker Europas Befreiendes geleistet hat, mochte der letzte Erfolg im Kampfe auch zunächst ausbleiben. Aufmunternd, ja erregend war dafür das Beispiel, wie ein kleines, einfaches Bauernvolk für seine alte Freiheit und für hohe Lebensgüter opferbereit seine ganze Kraft einsetzte.

Gewiss gingen die Spanier mit ihrem Beispiel voran, doch Spanien war ein großes Land, das sich dann einer nachhaltigen Unterstützung Englands erfreuen durfte, während die deutschen Tiroler wenig über eine halbe Million Köpfe zählten und von Österreich nur im Mai eine geringe militärische Hilfe erfuhren. Dreimal befreiten sie ihr Land. Besonders ruhmvoll darf die dritte Befreiung im August genannt werden, bei der sie ohne militärische Hilfe dem Korps eines napoleonischen Marschalls schwere Niederlagen zufügten und den Feind schließlich zum Verlassen des Landes zwangen, obwohl Marschall Lefebvre von Napoleon den strikten Auftrag hatte, das trutzige Land um jeden Preis zu bezwingen.

Die Leistungen der Tiroler dürfen nicht mit rein militärischen Maßstäben gemessen werden. Hier war viel mehr am Werke als ein Dienstreglement, nämlich der kraftvolle Geist eines starken Volkes, dem es um sein Höchstes ging. Und dieser Geist hat zusammen mit einer angeborenen Tapferkeit das Große vollbracht, das sich in den Bergen Tirols damals abspielte.

Die Taten der Tiroler im Jahre 1809 können in ihrem Geiste, aus dem sie erwuchsen, wohl nur mangelhaft verstanden werden, wenn man nicht die Jahre der Landesverteidigung, die ihm vorausgingen, in Betracht zieht. Die Kämpfe der Tiroler in der napoleonischen Epoche dürfen wir mit gutem Grund geschichtlich als ein Ganzes und Zusammengehöriges ansehen, wenn auch das Jahr 1809 ihren Höhepunkt und lange ihren auffälligsten Erfolg gebracht hat.

Man darf wohl vor allem die Landesverteidigung der Jahre 1796/97 mit ihren erstaunlichen Erfolgen als die große Vorschule für das Jahr 1809 bezeichnen. In diesen Jahren traten seit 1703 zum ersten Mal wieder die Grundkräfte, welche im Tiroler Volkstum vorhanden waren, auffallend in Erscheinung. Es war ein starkes geistiges Kapital, das da ausgemünzt wurde, die Seelenstärke eines freiheitsstolzen und tiefgläubigen Volkes.

Die alte Freiheit war den Tirolern besonders seit dem Jahre 1703, wo sie einen mächtigen Feind aus dem Lande schlugen, nur noch kostbarer geworden, und der Erfolg dieses Jahres hatte ihren gesunden Freiheitsstolz nur gehoben. In jener traditionsstarken Zeit ging die erhebende Erinnerung daran auf die Enkel über, die nun mit dem Jahre 1796 auf eine schwere Probe gestellt wurden. Es hatte das Zeitalter der großen Französischen Revolution begonnen und der Versuch der Revolutionsheere, ihre Ideen auf den Spitzen ihrer Bajonette in andere Länder zu tragen. Die Tiroler aber standen ihrer ganzen geistigen Haltung nach in scharfem Gegensatz zu den Auswirkungen der Revolution auf religiösem und auch rein menschlichem Gebiete. Deswegen stießen, als die Tiroler sich zur Landesverteidigung erhoben, nicht nur kämpferische Kräfte, sondern zwei gegensätzliche Welten aufeinander, zumal da die Truppen der Revolution vielfach durch ihre Zügellosigkeit und die Schändung von Heiligtümern die tiefreligiösen Tiroler besonders aufbrachten.

Es entsprach ganz der Auffassung von diesem Kampfe, wie sie in den Tirolern lebte, wenn der Kongress des Landes zu Bozen unmittelbar nach der Beschlussfassung über die dringendsten Maßnahmen der Landesverteidigung seinen Blick nach oben wandte, wo jener waltet, der auf seinen Händen den Erdball trägt. Der Bund mit dem göttlichen Herzen Jesu, den die tirolischen Stände feierlich schlossen, war etwa nicht eine aus der Not geborene Aufwallung, sondern nur der Ausdruck eines wirklichen Volksgeistes, wie er im Tiroler Volk mächtig lebte und wirkte. Zogen die Tiroler ja in den Kampf nicht nur, um ihre Landesgrenzen zu schützen, sondern auch, um die religiöse Freiheit und gute angestammte Sitte gegen verdorbenen und verderbenden Zeitgeist zu verteidigen. In der Kraft dieses harten Willens eines echten Bergvolkes leisteten schon seine Scharfschützen gegen einen militärisch geschulten und kriegserprobten Feind Hervorragendes und schlug ihr unerbittlicher Landsturm bei Spinges und Jenesien-Bozen diesen so schwer an, dass er nach französischen Zeugnissen nur mehr den einen Wunsch hatte, aus dem unheimlichen Lande zu kommen. Der französische Geschichtsschreiber jener Tage, Derrécagaix, nennt die Tiroler aus den Erfahrungen, welche die Franzosen mit ihnen machten, ein starkes und stolzes Volk und bezeichnet seine Kämpfer als tapfere und kühne Männer, ja als die fürchterlichsten Verteidiger Österreichs. In diesen Jahren kam ein großer Teil der Volkskraft von Tirol vor den Feind und machte damit eine Schule mit, die sich dann bei der späteren Landesverteidigung und besonders bei der Erhebung des Jahres 1809 sehr vorteilhaft geltend machte. Die Erfolge dieser Jahre hoben aber auch das Kraftbewusstsein der tirolischen Kämpfer und gaben ihnen das Gefühl, auch einem militärischen Gegner gewachsen zu sein.

Wichtig ist auch die Tatsache, dass nach der Tiroler Wehrverfassung kein militärischer Zwang angewendet werden durfte und alles auf „guten Willen" und ein starkes Ehrgefühl aufgebaut war. Das war den Tirolern gewissermaßen schon in Fleisch und Blut übergegangen, so dass sie es dann im Jahre 1809 als eine Selbstverständlichkeit betrachteten, dem an sie ergangenen Aufgebot zu folgen. Dies macht aber in besonderer Weise die innere Größe in der Haltung der Tiroler aus. Nur ein seelisch gesundes Volk, dem der Gemeingeist und die Opferbereitschaft für das Ganze zum Lebensgesetz geworden war, konnte so um wertvoller Güter wegen über ein persönliches Risiko hinwegsehen.

Der Sandwirth Hofer hält Revüe über die Insurgenten vor Innspruck - 1809

Der Sandwirth Hofer hält Revüe über die Insurgenten vor Innspruck - 1809

Der stärkste Antrieb für eine solche Haltung kam unzweifelhaft vom religiösen Grunde her. Das Tiroler Bauernvolk, das in jener Zeit 90 Prozent der Landesbewohner umfasste, stand gerade auf einem Höhepunkt religiöser Kraft, der im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch die Jesuitenmissionen erreicht worden war. Eine echte Gottesfurcht und Verantwortung vor Gott fand schon im täglichen Leben ihren Ausdruck in Volkstugenden, die damals allgemein auffielen. Umso mehr bewährten sie ihre Kraft in Zeiten großer Gefahr für jene geistigen Güter, die den Tirolern teuer waren. Es ist von großem Gewicht für diese Tatsache, wie der erste Volkskundler Österreichs, Johann Rohrer, in seinem gerade im Jahre 1797 veröffentlichten Buche „Die Tiroler" deren religiöse Haltung beurteilt. Obwohl selbst ein Anhänger der Aufklärung, schreibt er den Tirolern echte Religiosität zu, die auch jenen, die ihre Ansicht nicht teilen könnten, Achtung abringe. Er hebt dabei auch besonders hervor, dass es für den guten Charakter der Tiroler zeuge, dass sie die Eingriffe Josefs II. ins religiöse Gebiet nicht ohneweiters hinnahmen, sondern ihrem Glauben unerschüttert treu blieben. "Weiters habe ihm eine gesunde Toleranz der Tiroler gegenüber Andersdenkenden, ohne dass sie dabei diesen in Bezug auf ihre Überzeugung Konzessionen machten, beeindruckt. Dass diese Kraft des Glaubens die Tiroler nicht zu Muckern gemacht, sondern das gerade Gegenteil bewirkt hat, ergibt sich aus einer Reisebeschreibung des Ausländers C. F. Benkovitz vom Jahre 1803, worin er sagt: „Die Tiroler haben im ganzen etwas Offenes, Fröhliches und Freies in ihrem Betragen, sie sind mir bis auf die Sprache als die liebenswürdigste Nation auf meinem ganzen "Wege vorgekommen." Es könnten noch mehrere Zeugnisse ähnlicher Art aus dieser Zeit angeführt werden. Für die Kraft des Gewissens und eine gewisse seelische Veredelung eines sonst noch urwüchsigen naturhaften Volkes spricht auch seine Behandlung der feindlichen Gefangenen. Sie gereicht gerade tapferen Kämpfern als wahrhaft ritterliche Haltung zur besonderen Ehre. So tapfer und auch grimmig die Tiroler im Kampfe selbst waren, so menschlich verfuhren sie mit dem wehrlos gewordenen Feind. Der Franzose Derrécagaix hebt dies, nicht ohne eine manchmal gegenteilige Haltung seiner Landsleute tadelnd zu streifen, mit dem Urteil hervor: „Wenn die Tiroler von uns Gefangene machten, dann behandelten sie diese sehr gut. Wir aber behandelten gefangene Tiroler oft als Briganten. Was könnten wir sagen, wenn die Tiroler unsere Gefangenen ähnlich behandelt hätten? Doch sie taten es nicht."

Als ein besonders sprechendes Beispiel für den menschlichen und rechtlichen Sinn dieser Naturmenschen sei eine Episode vom Jahre 1796 angeführt, als die Tiroler zusammen mit den Kaiserlichen nach dem Kampf von Segonzano (2. November) die französischen Revolutionstruppen aus dem Lande warfen. Dabei hatte ein riesenhafter Passeirer vier Feinde, darunter einen Kapitän, gefangen. Er nahm ihnen wohl die Waffen ab, die er zu seinem Stutzen schulterte, rührte jedoch ihre Habseligkeiten nicht an. Als Soldaten dazukamen und die Gefangenen berauben wollten, bedeutete ihnen der Riese mit entsprechender Gebärde, dass sie seine Gefangenen seien, die er nicht anrühren lasse. Wenn sie von Gefangenen schon etwas haben zu müssen glaubten, dann sollten sie sich selbst solche machen. Der Passeirer aber war ein armer Bergbauer mit einem Rudel Kinder, doch in seinem Riesenkörper schlug ein goldenes Herz von unerschütterlicher Rechtlichkeit. Es ließen sich aus den Freiheitskämpfen vor dem Jahre 1809 noch manche Beispiele edlen Verhaltens der Tiroler anführen, die beweisen, dass die religiöse Erneuerung, weil sie echt war, auch eine Veredelung der Herzen unter einer äußerlich scheinbar oft rauen Schale bewirkt hat. Eine solche Haltung nahmen die Tiroler Kämpfer trotz des gewichtigen Umstandes ein, dass sie gegen die Truppen der Französischen Revolution ob deren Auswüchse und auch wegen der Frevel am Heiligsten, die sie sich zuschulden kommen ließen, mit Grund erbittert waren.

Eine entscheidende Ursache der Erhebung vom Jahre 1809 waren unzweifelhaft die Eingriffe der aufklärerischen bayrischen Regierung ins religiöse Gebiet. Gewiss hat der Freiheitsraub an einem altfreien Volke, die Aufhebung der Landesverfassung, die Ausmerzung des Landesnamens, wirtschaftliche Schädigung sowie besonders auch der Versuch der Rekrutenaushebung im Lande die Tiroler schwer erbittert, doch am meisten aufgebracht wurden sie durch die sehr üble Hand, womit die Regierung des Freimaurers Montgelas ins religiöse Gebiet eingriff. Es ist hier nicht der Platz, auf alle diese Maßnahmen von bösen Nadelstichen bis zu schweren Schlägen gegen das religiöse Empfinden, besonders des Tiroler Bauernvolkes, näher einzugehen. Bemerkt sei nur, dass es vor allem an der Wiege des Landes um Meran und in Passeier zu Zuständen kam, die den Leuten das bittere Gefühl gaben, fast zu einem Katakombenchristentum verurteilt zu sein.

Es ist denn auch für den Volkszorn, den diese Dinge hervorriefen, bezeichnend, dass dann die Männer dieser Gegend, freilich schon an und für sich beste Kämpfer Tirols, dann bei der Erhebung des Landes zur Kämpfergarde des Landes, besonders bei den Berg-Isel-Schlachten, emporwuchsen und bis zuletzt unbeugsam die Fahne der Freiheit hochhielten. Sie hatten ebenso Bitteres erfahren, dass sie eine religiöse Unterdrückung solcher Art um keinen Preis mehr wiederkehren lassen und lieber bis zuletzt kämpfen wollten. Ihr letzter und fast bis zum Schluss siegreicher Verzweiflungskampf am Küchelberg und der Heunenkampf (Hirn) in Passeier muss auch in diesem Licht gesehen werden, um ihn psychologisch gerecht zu beurteilen. So stark aber wirkte das religiöse Moment nicht nur vor der Erhebung, sondern auch in deren Verlauf bis zum Schluss ein.

Das Tiroler Bauernvolk war nun durchaus nicht revolutionär, sondern vielmehr ordnungsliebend, wie seine ganze Geschichte beweist. Es musste ihm schon sehr viel Böses angetan werden, um es zum Aufstand zu treiben. Ordnungsliebe und große Mäßigung bewies es dann auch während der Erhebung. Nachdem die Bauern mit einer Entschlossenheit und Todesverachtung, die selbst das bayrische Militär in Erstaunen setzte, im April Innsbruck und Hall erstürmt hatten, zeigten sie trotz der Erbitterung über die gestürzte fremde Herrschaft sowohl gegen die bayrischen Beamten wie die Anhänger Bayerns eine wirklich auffallende Mäßigung und ließen es bei einem gewissen rauen Auftreten und ungefährlicher Einschüchterung bewenden. Auch die feindlichen Soldaten, die in ihre Gefangenschaft gerieten, behandelten sie gut, obwohl den Tirolern von jenen oft Ungutes angetan worden war. Wo zweifelhafte städtische Elemente sich Übergriffe erlauben wollten, wiesen die ordnungsliebenden Bauern sie energisch in die Schranken. Es gibt wohl in der Geschichte kaum einen Volksaufstand, bei dem naheliegende Rache kein Menschenleben forderte, wie es bei dieser ersten Erhebung der Tiroler der Fall war. Es ist sicher, dass dabei Gottesfurcht und Gewissenhaftigkeit eines im Glauben tief verankerten-Volkes eine bestimmende Wirkung ausübten.

Als Rupert Wintersteller, der prächtige Kommandant des Gerichtes Kitzbühel die starke Besatzung in St. Johann überrumpelte und gefangen nahm, ließ er die Soldaten gut verköstigen und beteilte sie dazu noch aus seinem eigenen Keller mit Wein.

Die Opferbereitschaft der Tiroler Aufgebote zeigte sich in den großen Marschleistungen, die sie aus weit entfernten Teilen des Landes mit oft magerer Verpflegung zurücklegen mussten, bis sie bei den Bergiselschlachten an den Feind kamen. Prof. Dr. Kramer hebt hervor, dass diese Aufgebote „gute Marschierer" gewesen sein müssen. Da sie dies ohne militärisches Kommando nur aus gutem "Willen und beeifert für die Sache Tirols leisteten, sieht man daraus, welch hervorragender Geist diese Scharen beseelte. So kamen bei den Bergiselschlachten am 25. und 29. Mai sogar die Männer aus dem Untervinschgau, dem Burggrafenamt, Passeier, der Gegend von Bozen, dem unteren Eisacktal und dem Pustertal um Bruneck und dem Arntal in schnellen Märschen auf den Brenner und dann nach Innsbruck. Dieselben fanden sich dann im August in kurzer Zeit mit Ausnahme der Pustertaler, die anderswie verwendet wurden, sowie noch die besonders weit entfernten Leute von Obervinschgau und dem oberen Gericht in Sterzing und dann am Bergisel ein. Dr. Kramer hebt auch hervor, dass der Kundschaftsdienst und die Verständigung über Berg und Tal hin bei den Tirolern gut funktionierten. Es mussten schon für die Sache sehr beeiferte und rüstige Männer sein, die oft in fast unglaublich kurzer Zeit über hohe Berge die Aufrufe und Laufzettel Hofers an die richtige Stelle brachten. Ohne einen solchen Eifer und prächtigen Zusammenhalt ließen sich die Erfolge der Tiroler nicht erklären. Es war der Gemeingeist und die zu jedem Opfer bereite Hingabe der tirolischen Männer und Burschen an die große Sache des Landes.

Vergessen dürfen auch die Frauen und Mädchen Tirols nicht werden, die um ihre Männer, Brüder und Bräutigame viel Sorge auszustehen hatten. Eine Schar von dreißig Mädchen stellte sich im Mai dem gegen wehrlose Menschen wütenden Feind im Kitzbüheler Gericht, mit Gabeln bewehrt, mutig entgegen. Von Ellbögen ist überliefert, dass, als einige am Paschberg ernstlich blessierte Männer und Burschen vom Kampfplatz in die Heimat kamen, Bäuerinnen und Bauerntöchter sie hart anließen, als ob sie sich gedrückt hätten, und der Vorwurf erst dann verstummte, als sie ihre Blessuren vorwiesen.

Bewundernswert ist auch die Zahl der aus manchen Gerichten zum Kampfe gezogenen Männer. So standen aus dem kaum über 5000 Bewohner zählenden Tal Passeier, dessen Männer sich den Ruhm erworben haben, die „Tapfersten der Tapferen" zu sein, bei der Schlacht am 13. August nicht weniger als 1100 Männer am Hohlweg, dem Brechpunkt des Kampfes. Die allerdings dem Kampfplatz nahegelegenen Gerichte Stubai und Steinach stellten als Hauptreserve Hofers, die den Kampf dann entschied, je 900 und 1600 Mann bei einer Einwohnerzahl von 4000 und 7000 Köpfen, um nur extreme Fälle anzuführen. Es muss in diesen Gerichten wohl fast jeder wehrfähige Mann ausgerückt sein. Ein prächtiger Volksgeist und das die Leute aus der Tiefe erfassende Bewusstsein, um was es gehe, hat eine solche Gemeinschaftsleistung zustande gebracht.

Nicht verschwiegen darf auch werden, dass nicht wenige Tiroler Hab und Gut für die Sache Tirols opferten. Darunter waren auch bis dahin sehr wohlhabende Männer, die sich um die Erhebung Tirols verdient gemacht hatten, eine Reihe von Wirten, dann tüchtige Schützenkommandanten, wie Jakob Margreiter von der Wildschönau. Tausende aber gaben das Kostbarste unter den Gütern dieser Erde, ihr Leben, in freiwilliger Hingabe an das große Anliegen des Landes, und wie viele werden als Krüppel ihre Lebenstage verbracht haben.

Welches jedoch der Volksgeist war, der die Erhebung mächtig getragen hat, das beweist uns schließlich die menschliche Größe, welche der Mann vom Land Tirol, Andreas Hofer, dann der Held der Wahrheit, Peter Mayr, der Wirt an der Mahr, und der Held der Kindesliebe, Peter Sigmair, bei ihrem Tode an den Tag gelegt haben.

So leuchtet der hohe sittliche Gehalt, von dem die Erhebung Tirols vom Jahre 1809 erfüllt war, als ein ernstes, aber auch erhebendes Vermächtnis wackerer Vorfahren in unsere Zeit und fordert, dass es von den Enkeln geschätzt; gepflegt und in die Zukunft getragen werde. Wenn der Geist solcher Vorfahren in Tirol keine Heimstätte mehr hätte, dann ist auch Tirol im Sinne seiner ehrenvollen Geschichte gewesen und ein großes Erbe vertan.



Quelle: Dr. Franz Kolb, Tirols Volksgeist bei der Erhebung von 1809, in: Tiroler Heimatblätter, 34. Jahrgang, Heft 4/6 1959, S. 37 - 41.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2008.