's Krauthacken
Von Fanny Reinisch, Kundl (1931)

's Diandl schickt dir an Gruaß,
sie tun heut nit temmen, weil s'krauthacken muaß!

Ja, was ist 's Krauthacken? Das, glaube ich, wird im Land Tirol, speziell im Unterinntal, in den abgelegenen Bergtälern jedem bekannt sein. Heut noch am gebräuchlichsten ist es im wildromantischen Hochtal der Wildschönau. Dort wird bei jedem Bauern heute noch Kraut gehackt; da gibt es dann lustige Abende, auf die sich jung und alt freut. Im Herbst, nach dem Kirchtag, werden die weißen Rüben geerntet und gehäuptelt, gewaschen und in die Tenne gegeben; dort warten sie geduldig auf Verarbeitung. Der Bauer oder Knecht kommt mit zwei Schragen, darauf wird ein großes Brett gelegt, das, beiläufig 15 Zentimeter aufstehend, mit einem Zaun versehen wird; die Rüben kommen darauf.

Am Abend kommen dann die Nachbarn, mit ihren langen Krautmessern bewaffnet, angestapft: dann geht die Arbeit los. Im Takt wird gehackt und so geht es weiter die halbe Nacht durch; das abfließende Wasser wird gesammelt und in Eimern aufgehoben. Es wird immer abgetauscht, denn mit diesen Krautmessern lange zu hacken, ist nicht gar so leicht, auch will man, daß jeder einmal seine Kunst probieren kann. Ist das Kraut fast gebrauchsfähig, so wird ein Haufen geformt und darauf wird ein Schnapsglasl und ein Blumenstrauß gegeben. Jetzt hat das Krauthacken seinen Höhepunkt erreicht; denn man wartet mit Spannung, wem beim Hacken die Blumen zufallen, dieser wird wie ein Sieger gefeiert. Hernach wird getanzt und die Leute werden bewirtet und das Lustigsein nimmt erst bei Aufbruch der Nachbarn ein Ende.

Im vorbenannten Tale wird das abgezogene Wasser verwertet, es wird zu einem wunderwirkenden Schnaps gebrannt; der Wildschönauer sagt: „Der Krautschnaps ist für den Magen Papst!“ Wohl ein großer Ausspruch, aber, wie es scheint, ist der Ruf des Schnapses schon über die Ortsgrenzen gedrungen; denn er wird auch weiterhin verkauft. Die Wildschönauer brannten ihren Schnaps schon seit langen Jahren, aber einmal kam die hohe Behörde darauf, daß Kraut nicht zu den vom Staat genehmigten Stoffen gerechnet war, und verbot das Brennen dieses Schnapses ganz. Aber die Wildschönauer wollten diese Medizin nicht entbehren und es gelang ihnen, die Erlaubnis zu bekommen, unter behördlicher Aufsicht bei einem Bauern in der Oberau Schnaps zu brennen. Er wurde verschlossen und an die Lebensmitteluntersuchungsstelle nach Wien zur genauen Überprüfung übersandt. Die Antwort war: der Schnaps ist ein minderwertiger Fusel und darf weiter erzeugt werden.

Nach Aussage von Fachleuten ist der Alkoholgehalt nicht minder als bei anderen Getränken; was abschreckend an diesem Getränk wirkt, ist der intensive Geruch, der von delikaten Nasen nicht vertragen wird; aber der Bergbewohner merkt von diesem allen nichts und hält diesen Trank sehr hoch, wohl noch höher, seit er auch eine Geschichte hat, und wer gesund werden will, muß zum großen, kernigen Wildschönauer um dieses wunderwirkende Getränk gehen, denn es werden jedes Jahr viele Liter davon erzeugt.

Quelle: Fanny Reinisch, 's Krauthacken, in: Tiroler Heimatblätter, Monatshefte für Geschichte, Natur- und Volkskunde, 9. Jahrgang, Heft 10, Oktober 1931, S. 344 -345.
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