KRITZ LES BAINS
Donaubäder in Klosterneuburg
© Harald Hartmann

Julius Meinl, Hermann Leopoldi, Heinz Rollig und Heimito von Doderer. Was verbindet diese so verschiedenen Namen? Sie alle suchten Erholung in dem kleinen Ort Kritzendorf an der Donau.

Donaustrand Kritzendorf © Harald Hartmann

Der Donaustrand in Kritzendorf
© Harald Hartmann, April 2007

Ein kilometerlanger, 60 Meter breiter Sandstrand am Strom luden (und laden heute noch) zu Bad und Erholung ein. "Sommerfrische" hieß das Schlagwort Ende des 19. Jahrhunderts. Man legte das Korsett der gesellschaftlichen Zwänge ab und entwickelte eine freiere Einstellung zum Körper. Als Mittel zur Körperertüchtigung wurde das Baden um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert zu einem wesentlichen Bestandteil der Körperkultur. Oberhalb von Wien entstanden Freibäder am Donauufer, so zum Beispiel die Militärschwimmschule oder das 1878 gegründete Englbad in Klosterneuburg, das im Jahr 1913 von der Stadtgemeinde Klosterneuburg als "Städtisches Strandbad Klosterneuburg" übernommen wurde.

ehemaliges Militärbad in Klosterneuburg, Kritzendorf © Harald Hartmann

Das ehemalige Militärbad in Klosterneuburg
© Harald Hartmann, April 2007

Beide Bäder befanden sich in einem mit Donauwasser gespeisten, stehenden Altarm der Donau, dem G'schirrwasser, das bei der Donaurenovierung entstanden war.

Strandbad am G'schirrwasser, Kritzendorf © Harald Hartmann

Liegewiese des Strandbades Klosterneuburg am G’schirrwasser
© Harald Hartmann, April 2007

Der Bau der Franz-Josefs-Bahn, der die Orte donauaufwärts an die Hauptstadt Wien anband trug mit zur Entstehung von Sommerfrische-Orten (Weidling, Kierling, Kritzendorf) bei.

1903 wurde das vom Verschönerungsverein "Die Linde" erbaute Strombad Kritzendorf eröffnet. Vom Ort durch die Au getrennt, der Natur und Zivilisation auf natürliche Art trennt, gelangt man auf einer Allee in das abgeschlossene Badedorf. Vor den Badehütten öffnet sich eine von Auwald umgebene Wiese, die ihren Abschluss in einem Sandstrand findet.

Strandhäuser am Donauufer, Kritzendorf © Harald Hartmann

Strandhäuser am Donauufer
© Harald Hartmann, April 2007

Seinen Höhepunkt erlebte das Kritzendorfer Bad 1929, als der Architekt Heinz Rollig den Eingangsbereich schuf und Adolf Loos im Auftrag der Klosterneuburger Waagenfabrik den Raum des Bades architektonisch gestaltete. Man betritt den Bereich des Bades über einen runden, mit vier Spitztürmchen verzierten Platz, der auch heute nach seiner Renovierung (2002) die Funktion einer Agora erfüllt. Ein Nahversorger und ein kleines Buffet sorgen dafür, dass dieser Platz nie leer wird.

Kritzendorfer Strombad, Kritzendorf © Harald Hartmann

Der Eingangsbereich des Kritzendorfer Strombades
© Harald Hartmann, April 2007

Auf dem Weg vom Vorplatz zum Eingangsportal zweigen links und rechts die Wege zur Strandsiedlung ab.

Strandhäuser Kritzendorf © Harald Hartmann

Zugang zu den Strandhäusern
© Harald Hartmann, April 2007

Zwei große Holztürme, die durch eine als Sonnenbad dienende Brücke verbunden sind, geben den Blick frei auf die Liegewiese und den Donaustrom und bilden so die Grenze zwischen Kultur und Natur.

Kritzendorfer Strombad, Kritzendorf © Harald Hartmann

Eingangstor zum Kritzendorfer Strombad
© Harald Hartmann, April 2007

Die Häuser auf Stelzen, wegen des Hochwasserschutzes waren meistens als einräumige Bauten mit Terrasse konzipiert und bildeten mit dem Garten eine Wohneinheit.

Stelzenhäuser Kritzendorf © Harald Hartmann

Stelzenhäuser
© Harald Hartmann, April 2007

Jeder konnte sich das Bad leisten. Ob repräsentatives Strandhaus, wie die "Chinesenvilla", Reihenhaus, Badekabine oder Kästchen, für jede soziale Schicht war das Bad erschwinglich und im Badekostüm schienen alle gleich.

Chinesenvilla Kritzendorf © Harald Hartmann

Die "Chinesenvilla"
© Harald Hartmann, April 2007

So war es nicht verwunderlich, dass es durch die leichte Erreichbarkeit mit der Eisenbahn, Schiff oder Automobil zu einem regelrechten Massentourismus kam. An einem Junisonntag des Jahres 1928 etwa verzeichnet Klosterneuburg 8.000 Badegäste in Greifenstein, 12.000 in Kritzendorf und 18.000 im Klosterneuburger Strandbad.

Eingangstor mit Sonnenterasse, Kritzendorf © Harald Hartmann

Eingangstor mit Sonnenterrasse
© Harald Hartmann, April 2007

Ein jähes Ende fand die Blüte des Bades durch den Nationalsozialismus. Die meisten Badehäuser wurden "arisiert" und enteignet. Kritzendorf sollte ein "KdF"-Bad werden. Dieses Vorhaben wurde allerdings nie umgesetzt. 1945 enteignete der Bäderverwalter Hans Reif alle nationalsozialistischen Grundeigentümer aber kaum einer der früheren Eigentümer kehrte wieder zurück. Das Bad ("Kritz les bains", wie es zu seiner besten Zeit genannt wurde) hatte seinen Flair verloren. In den Siebzigerjahren de 20. Jahrhunderts wurde auch der offizielle Badebetrieb eingestellt.

Heute liegt dieses Juwel österreichischer Architektur und Badekultur beschaulich verschlafen da und manche Badehäuser stehen zum Verkauf.

Idylle in Kritzendorf © Harald Hartmann

Idylle 2007
© Harald Hartmann, April 2007

Abgestorben sind die Donaubäder vor den Toren Wiens jedoch nicht. Im Sommer herrscht noch immer reges Treiben, langsam werden die Bauten renoviert. Im Gartenpavillon spielen zwar nicht mehr die Wiener Symphoniker, wie einst und das Wetterhäuschen sucht zur Renovierung noch nach einem Sponsor aber die Bäder leben:

Liegewiese, Gaststätte und Musikpavillon, Kritzendorf © Harald Hartmann

Liegewiese, Gaststätte und Musikpavillon
© Harald Hartmann, April 2007

Wer als Klosterneuburger etwas auf sich hält, hat zumindest eine Kabine auf Dauer gemietet.

Frühling im Bad, Kritzendorf © Harald Hartmann

Frühling im Bad
© Harald Hartmann, April 2007

Schon vom Vorfrühling bis in den späten Herbst zieht es die Sonnenhungrigen auf die Liegewiese und sie träumen die Donau entlang, vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer.

Kritz les bains! , Kritzendorf © Harald Hartmann

Kritz les bains!
© Harald Hartmann, April 2007

© Harald Hartmann, April 2007

Literaturverweis:
Lisa Fischer, "Die Riviera an der Donau. 100 Jahre Strombad Kritzendorf", Böhlau-Verlag 2003