Notburga von Rattenberg

Notburga von Rattenberg (* um 1265 in Rattenberg; † 13. September 1313 im Schloss Rottenburg, Buch in Tirol) ist eine Tiroler Volksheilige. Sie wird als Patronin der Dienstmägde und der Landwirtschaft verehrt.



164. Die selige Notburga, Dienstmagd.
(Den 14. September.) † 1313.

In der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde Notburga zu Rottenburg, in der Nähe vom Städtchen Schwaz, geboren. Als ihr Geburtsjahr wird 1265 angegeben. Die Eltern waren wohlhabende Landleute und wegen ihrer Rechtschaffenheit und ihres frommen Sinnes allgemein geachtet. Ihre Tochter erzogen sie in der Furcht des Herrn. Ihr einen gründlichen Abscheu vor jeder Sünde und eine kindliche Liebe zu Gott in's Herz zu pflanzen, war das Hauptziel, wonach die Eltern bei Erziehung ihres Kindes strebten.

Notburga entsprach den Absichten und Erwartungen der Eltern. Sie wandelte in Unschuld, bewahrte die Furcht Gottes in ihrem Herzen und ward immer mehr entstammt von heiliger Liebe zum Herrn. Dabei hatte sie inniges Mitleiden mit allen Armen und Notleidenden. Diesen Hilfe und Trost zu verschaffen, war nach der Wonne, die ihr Gott im Gebete verlieh, ihre größte Freude.

In ihrem achtzehnten Jahre trat Notburga beim Grafen Heinrich im Schlosse Rottenburg in den Dienst. Da ward ihr zu Werken der Barmherzigkeit eine weite Türe geöffnet. Der Graf von Rottenburg war zugleich Oberhofmeister des Fürsten und Grafen Meinhard von Tirol und Herzogs von Kärnten, und war sehr reich. Seine Gemahlin Jutta zeichnete sich ebenso durch Wohltätigkeit gegen die Armen, wie durch ihre Frömmigkeit aus. Auch der Graf war mitleidig und freigebig. Beide lernten bald den großen Schatz würdigen, den sie in ihrer neuen Dienstmagd erhalten hatten. Sie legten ihrem frommen Eifer durchaus keine Hindernisse in den Weg, erbauten sich vielmehr an denselben und wurden durch sie zur Nachahmung aufgemuntert. Ebenso ließen sie der frommen Notburga in Übung der Barmherzigkeit freie Hand. Die treue Dienstmagd gab indessen nur das am eigenen Munde Ersparte an die Armen. Wo aber dieses nicht ausreichte, da wendete sie sich bittend an ihre Herrschaft, dass diese ihre freigebige Hand öffnen möchte. Bald gingen alle Almosen durch die Hand der treuen Dienstmagd. Von Nahe und Ferne kamen unzählige Arme zum Schlosse, und alle wurden gesättigt und mit dem Notwendigen bedacht. Notburga erteilte den Bittenden nebst dem leiblichen Almosen auch Belehrung und Trost. Diese große Freigebigkeit brachte Frieden und Segen in's Haus, und man gewahrte nirgends eine Abnahme. Dabei war die Dienstmagd ebenso wie ihre Herrschaft aufrichtig demütig und gab in allem Gott die Ehre. Weil sie in solcher Treue dem Herrn diente, darum musste eine Prüfung über sie kommen, damit sie in allen Stücken bewährt würde.

Der Sohn des Grafen, der, wie sein Vater, auch Heinrich hieß, hatte sich schon bei Lebzeiten seiner Eltern verehelicht. Seine Gemahlin hieß Ottilia. Sie war gerade das Gegenteil von der frommen und barmherzigen Jutta. Ihr war die fromme Dienstmagd, die das Vertrauen der Herrschaft ganz gewonnen hatte, schon vom Anfang her ein Dorn im Auge. So lange indessen die Eltern lebten, konnte sie ihre Feindseligkeit nicht ausbrechen lassen. Nun starb der edle Graf Heinrich, und seine fromme Gemahlin Jutta folgte ihm bald nach. Jutta hatte Zeit und Anlässe genug gehabt, den Hochmut und die Hartherzigkeit ihrer Schwiegertochter kennen zu lernen. Sie hatte eben darum noch auf dem Totenbett ihren Sohn ernstlich ermahnt, der Barmherzigkeit gegen die Armen nicht zu vergessen. Zugleich hatte sie ihm die fromme und treue Notburga noch besonders empfohlen. Dieses Kleinod des Hauses sollte er achten, und ihre Mildtätigkeit sollte er durch seinen Reichtum unterstützen, dann werde der Segen des Herrn auf seinem Hause bleiben. So hatte sie ihm und seiner Gemahlin Ottilia auf dem Sterbebett noch zu Herzen geredet.

Notburga ward durch den Tod ihrer geliebten Herrschaft recht tief in der Seele betrübt. Sie ahnte all' das Unheil, das jetzt über sie und über die Armen und über ihre neue Herrschaft hereinbrechen werde. Und bald zeigte sich's, dass sie nicht umsonst geweint, und dass ihre Vorahnung nicht grundlos gewesen. Die neue Herrin verbot der barmherzigen Dienstmagd alles Almosengeben. Selbst ihre eigenen Sparpfennige und die am eigenen Munde abgesparten Bissen durfte sie nicht mehr den Armen und Hungrigen austeilen. Zuletzt wurde ihr auch aller Umgang mit dem Bettelvolke auf's strengste untersagt. Nicht einmal Worte des Trostes durfte sie zu den Unglücklichen mehr sprechen, nachdem ihr schon längst die Hände gebunden und alle leiblichen Werke der Barmherzigkeit unmöglich geworden waren.

Mit all' dem war aber die unbarmherzige Ottilia noch nicht zufrieden. Der Anblick der guten Notburga war ihr fortwährend ein Vorwurf. Darum sollte sie aus dem Hause entfernt werden. Nach dem Berichte der Legende wurde die mitleidige Dienstmagd auch noch dadurch gepeinigt, dass sie die köstlichen Überbleibsel der Mahlzeit, und was sie selber durch ihr Fasten bei Wasser und Brot erübrigt hatte, den Schweinen geben musste. Im Ersteren gehorsamte sie, aber ihre eigenen Erübrigungen bewahrte sie für die Armen auf und teilte sie ihnen mit.

Darüber kam die geizige Herrin ganz in Wut. Ihr Gemahl war eben längere Zeit abwesend gewesen. Nach seiner Rückkehr bestürmte sie ihn unablässig mit Klagen gegen die Dienstmagd. Weil der Graf von der Redlichkeit seiner Dienstmagd zu sehr überzeugt war, so konnte sie dieselbe nicht der Untreue bezichtigen. Sie stellte ihm vor, wie gefährlich es sei, wenn unablässig armes Gesindel in die Nähe des Schlosses komme, wie so leicht ein Einbruch geschehen, wie selbst das ganze Gebäude von demselben in Brand gesteckt werden könne.

Durch solches Klagen ließ sich der schwache Graf endlich doch gegen Notburga einnehmen. Er trat der guten Magd, als sie eines Abends ihre Erübrigungen den Armen auf die Straße hinausbringen wollte, in den Weg, fuhr sie hart an, und fragte sie, was sie hier forttrage. Notburga öffnete ihre Schürze und bot ihren Krug dar. Der Graf erblickte in der Schürze nur Holzspänne und fand im Kruge nur Lauge. Darüber ward er sehr erzürnt. Er meinte, Notburga habe seiner nur spotten und so ihn zum Besten halten wollen. Notburga aber trug die Speisen in der Schürze und den Wein im Kruge zu den Armen. Diese erquickten sich an der barmherzigen Gabe.

Indessen hatte sich der Graf zu seiner Gemahlin begeben und sich beklagt, wie Notburga ihn genarrt hätte. Die geizige und neidige Gräfin war hocherfreut, ihren Gemahl endlich einmal gegen die ihr verhasste Magd eingenommen zu haben, und schürte fortwährend dessen Zorn an. Als Notburga wieder in's Schloss zurückgekommen war, wurde sie von ihrer Frau mit einer ganzen Flut von Schmähungen und Lästerungen überhäuft und erhielt den Befehl, sich unverzüglich aus dem Staub zu machen.

Auf alle diese Schmähungen erwiderte die fromme Dienstmagd keine Silbe. Sie schnürte ihr Bündlein und nahm unter Tränen Abschied vom Schloss. Auf ihrer Wanderung kam sie nach Eben im Inntal. Hier trat sie bei einem Landmanne in Dienst. Die armselige Bauernwohnung, worin der Friede herrschte und Barmherzigkeit geübt wurde, war ihr unendlich lieber, als das gräfliche Schloss, seitdem diese Himmelsgaben daraus entflohen waren. Neben dem Haus stand das freundliche Rupertuskirchlein. Über dem Orte ragte der hohe Harterberg mit seiner Spitze bis zum Himmel empor. Alles sagte dem frommen Gemüt der Notburga ungemein zu. Die Feldarbeiten verrichtete sie mit Liebe und Freude, im unaufhörlichen Umgange mit Gott. Zu den Bergen erhob sie ihre Augen, um an den zu gedenken, von welchem alle Hilfe kommt. Ihre größte Freude hatte sie an dem Kirchlein, in dem sie jede freie Stunde dem Gebete widmete. Da gedachte sie immer ihrer ehemaligen Herrschaft im Schloss und betete für deren Heil.

Im Schloss war es, als wenn mit Notburga aller Segen ausgezogen wäre. Alles ging durcheinander, und ein Unglück bot dem andern die Hand. Das größte Kreuz war die Erkrankung der hartherzigen Gräfin. Als Notburga davon Kunde erhielt, eilte sie mit Bewilligung ihres Dienstherrn sogleich in's Schloss, der verlassenen Gräfin ihre Dunste anzubieten. Die Gräfin war durch ihr Elend und durch die argen Schmerzen sehr gedemütigt worden. Sie erkannte das an der treuen Magd verübte Unrecht und bekannte es. Notburga ermunterte die Gräfin zur Geduld in ihrem Leiden, zum lebendigen Glauben an die Barmherzigkeit Gottes in Christo und zur aufrichtigen Reue über ihre Sünden. Die Gräfin war wirklich zerknirscht, ermahnte ihren Gemahl zur Wohltätigkeit gegen die Armen und verschied gläubig, nachdem sie noch mehrere Vermächtnisse an die Armen und an die Kirchen verordnet hatte. Zum Heil ihrer Seele stiftete Graf Heinrich aus eigenem Antrieb eine jährliche Spende an die Armen, welche alle Jahre im St. Georgi-Kloster geschehen sollte. Nach dem Tod der Gräfin kehrte Notburga wieder nach Eben zurück. Sie wollte lieber in ihrer niedrigen Stellung die Arbeiten einer Bauernmagd übernehmen, als fortwährend auf dem schlüpfrigen und gefahrvollen Pfad eines Schlossdienstes wandeln. Zudem hatte sie die christliche Hausordnung des Landmannes liebgewonnen, weil ihr manche Stunde gegönnt war, die sie in heiliger Betrachtung der gnadenvollen Erlösung und der himmlischen Freuden im Rupertuskirchlein zubringen konnte. In solcher Übung und bei ihrer gründlichen Demut erlangte die fromme Magd gar bald einen hohen Grad christlicher Vollkommenheit. Das Landvolk in der Nachbarschaft erkannte und verehrte sie als eine treue Dienerin Gottes. Jedermann erbaute sich an ihrer aufrichtigen Frömmigkeit. Viele, jüngere und ältere Leute, nahmen sie zu ihrem Vorbilde und waren bemüht, ihr nachzufolgen. Sie übte vorzüglich auf ihre Hausgenossen einen mächtigen Einfluss. Mehrere derselben brachten ihre freie Zeit, wie Notburga, betend im Kirchlein zu. Dies geschah ganz besonders am Samstag Nachmittags, zur Zeit des Feierabends. Damals war es noch Sitte, an jedem Samstage, sobald um 2 Uhr Nachmittags der Sonntag eingeläutet wurde, sogleich die Feldarbeit und auch die schwere Arbeit im Hause zu enden. Man wollte eine Zeit haben, sich auf die Feier des Sonntags vorzubereiten. Diese Zeit brachte man zum Teil mit Beten hin. So war es auch in dem Hause, wo Notburga diente.

Notburga von Rattenberg

Eines Samstages aber glaubte der Dienstherr, die Arbeit sei gar zu dringend, und man könne nicht aufhören vor Abend. Es war eben Erntezeit. Notburga war mit ihrem Dienstherrn und dem übrigen Gesinde auf dem Acker mit Kornschneiden beschäftigt. Sobald die Feierabendglocke ertönte, machte sie ihrer Arbeit ein Ende. Der Bauer war dessen nicht zufrieden. Er schnitt selber fort und verlangte auch von den Andern, die Arbeit fortzusetzen, bis man fertig geworden. Notburga erinnerte ihn an seine Pflicht, die Satzung der Kirche und den löblichen Gebrauch zu halten, und sich nicht zu versündigen. Als der Bauer die Einwendung machte, es sei ja nur wenig Arbeit noch übrig, damit könne man leicht zu Ende kommen, entgegnete Notburga mit lebendigem Vertrauen auf Gott: „Wenn ihr euch nicht an das Zeichen der Kirche kehren wollt, das ihr vom Turme herab vernommen habt, so kehret euch doch an das Zeichen, das ihr sehet!“ Mit diesen Worten hielt sie ihre Sichel hoch empor und zog die Hand zurück. Die Sichel aber blieb in der Luft schweben, als wenn sie an einem Nagel aufgehängt wäre. Über dieses Zeichen erschraken alle. Der Bauer aber bat die fromme Dienerin Gottes um Verzeihung, dass er eine solche Anforderung gestellt hatte, und gelobte ihr, nie mehr den Feierabend zu brechen, was er auch gehalten hat.

Nach dem Tod seiner Gemahlin Ottilia wurde der Graf Heinrich von Rottenburg von allerlei Unglücksfällen und Nöten heimgesucht. Damals (1292) war zwischen dem Erzbischof Konrad II. von Salzburg und den zwei Herzogen Albrecht von Österreich und Meinrad von Tirol und Kärnten Krieg ausgebrochen. Der Erzbischof wurde unterstützt von dem Herzog Otto III. von Niederbayern, und selbst Heinrichs Bruder Siegfried von Rottenburg war auf Seite des Erzbischofs. Heinrich hielt zu seinem Herzog Meinrad, dessen Oberhofmeister er war, und hatte dies schwer zu büßen. Die Leute des Erzbischofs und die Bayern verwüsteten sein Gebiet und zerstörten seine Burgen Rottenburg, Tratzberg, Rettenberg und Friedsberg fast gänzlich. Sein Bruder Siegfried bemächtigte sich fast aller seiner Güter. Endlich wurde am 24. Mai 1293 durch den Frieden zu Linz dem Krieg ein Ende gemacht. Allein jetzt war Graf Heinrich von Rottenburg bereits zum Bettler gemacht. Alle Leute schrieben dieses Unglück seiner Unbarmherzigkeit gegen die Armen und seinem feindseligen Benehmen gegen die fromme Notburga zu. Heinrich selbst hatte in seinem Elend Zeit genug, über sein früheres Leben nachzudenken. Er wusste noch recht gut, wie es seine frommen Eltern bezüglich der Armen gehalten hatten, und wie ganz anders es unter ihm geworden. Er gedachte des Versprechens, das er seiner Mutter auf dem Totenbett gegeben, die treue Dienstmagd stets zu behalten und zu ehren. Er gedachte der schnöden Verstoßung dieser treuen Dienerin Gottes und all' des Unheils, das seitdem über ihn gekommen. Noch hatte er sein Schloss Rottenburg und einige Güter. Allein sonst hatte er nichts; sein eigener Bruder hatte ihn beraubt.

Nun fasste Heinrich den Entschluss, die fromme Notburga um jeden Preis wieder in sein Schloss zu bringen. Er ritt selbst nach Eben und traf die Jungfrau auf dem Feld arbeitend. Er stieg vom Pferd und bat die fromme Magd demütig und kniefällig um Verzeihung wegen des Geschehenen und um ihre Rückkehr in das Schloss. Zugleich versicherte er sie, er werde, den Ermahnungen seiner Eltern getreu, das Hauswesen wieder so einrichten, wie es unter ihnen gewesen und sie sollte, wie damals, freie Verfügung haben bezüglich der Almosenspendung und jeder Unterstützung der Notleidenden. Als Schwester und vertraute Freundin sollte sie im Schloss leben und Gott bitten, dass er in seiner unendlichen Erbarmung nach dieser Demütigung und Buße ihm wieder seine Gnade und seinen Segen zuwenden wolle. Außerdem machte er ihr die Mitteilung, dass er in nächster Zeit die fromme und edle Jungfrau Margaretha von Hoheneck als seine Gemahlin nach Rottenburg bringen werde.

Notburga war gerührt über diese Demütigung und Bußfertigkeit des Grafen. Sie hob ihn von der Erde auf und erklärte ihm mit Tränen in den Augen, sie habe unablässig für ihn und sein ganzes Haus gebetet. Alles Unheil, das ihn genossen, sei ihr zu Herzen gegangen, und sie wünsche nichts sehnlicher, als dass alles wieder gutgemacht werde. Zugleich versprach sie ihm, wieder in sein Schloss zurückzukehren und ihm mit derselben Treue zu dienen, mit der sie seinen Eltern gedient hatte.

Notburga kam wirklich wieder in's Schloss. Die ganze Umgegend, zumal die Armen, waren darüber hocherfreut. Alles wurde wieder in den früheren Zustand gesetzt, wie es zur Zeit der Eltern Heinrich's gewesen war. Die neue Gräfin Margaretha war ganz das Abbild der seligen Schwiegermutter Jutta. Sie hatte selbst inniges Erbarmen mit allen Notleidenden und fand in den Werken der Barmherzigkeit ihren größten Trost. Notburga war wieder Mutter der Armen und konnte weit reichlicher mitteilen, als jemals. Je mehr man aber austeilte, desto reichlicher ward der Segen des Herrn über das Haus ausgegossen. Die Ehe des Grafen mit Margareta wurde mit mehreren Kindern gesegnet. Notburga nahm sich der lieben Kleinen mit sorgfältiger Treue an und half sie erziehen in der Furcht des Herrn. Der Graf kam nicht bloß zu neuem Reichtum, sondern auch zu Würden und Ansehen. Nach dem Tod des Herzogs Meinrad im Jahre 1305 wurde dessen Sohn Heinrich zum König von Böhmen erwählt. Dieser nun übertrug dem Grafen Heinrich von Rottenburg das Burggrafenamt von Tirol und machte ihn zum königlichen Hofmeister und Landeshauptmann an der Etsch.

Nicht so gut ging es beim Bauern in Eben, als Notburga sein Haus verlassen hatte. Dieser Mann verarmte gänzlich und hatte bald weder Nahrung noch Gewand. Er nahm zur mitleidigen Dienstmagd seine Zuflucht und erhielt von ihr die notwendige Unterstützung. Die zeitliche Not förderte das Heil seiner Seele ungemein. Früher war er für alle Ermahnungen seiner frommen Magd ganz taub gewesen. Das Unglück aber hatte sein stolzes und hartes Herz mürbe und für die ewigen Wahrheiten empfänglich gemacht. Er kam sehr oft zu Notburga in's Schloss und empfing leibliches und geistliches Almosen mit aufrichtigem Dank eines bußfertigen Herzens. Seine Lebenstage dauerten nicht mehr lange. Er starb noch vor Notburga getrost im Herrn.

Die treue Dienerin des Herrn lebte in dieser Stellung noch gegen zwanzig Jahre. Sie sah die neue Familie heranblühen, während sie selber mit jedem Tage mehr für die Ewigkeit heranreifte. In fortwährender Abtötung und im unablässigen Wandel vor Gott erwarb sie jene Vollkommenheit, in der man dem Apostel nachsprechen darf: „Ich verlange aufgelöst und bei Christus zu sein.“ Endlich befiel sie eine Krankheit. Sie erkannte dieselbe sogleich als einen Vorboten des nahen Todes. Sie bat um die Erteilung der Sterbesakramente und bereitete sich zum nahen Hinscheiden vor. Der Graf und alle die Seinigen erschraken bei dieser Kunde. Alle begaben sich zur Kranken. Sie aber redete Allen recht liebreich zu Herzen, und gab insbesondere den Kindern recht rührende Ermahnungen. Am Feste der Erhöhung des heiligen Kreuzes 1313 verschied sie sanft und selig im Herrn. Sie hatte nicht mehr als 48 Jahre erreicht. Die Trauer um die Selige war eine allgemeine.

Der Graf ließ den Leichnam der Seligen, wie sie ihn darum gebeten hatte, auf einen Wagen laden, vor dem zwei Ochsen angespannt wurden. Die ganze Menge, von einem Priester begleitet, folgte dem Leichenwagen, bis die Ochsen mit demselben an den Inn kamen. Der Legende zufolge wären dann die Ochsen trockenen Fußes samt dem Wagen und der Leiche über den Inn gegangen. Nach einer andern Sage hätte sich der Inn, wie einst das rote Meer, geteilt, und die Ochsen wären auf dem Grunde des Flusses hinübergegangen. Jenseits des Flusses gingen die Tiere nach Jenbach. Hier hielten sie an. Zum Andenken an diesen wunderbaren Zug ließ Graf Heinrich daselbst ein Kirchlein erbauen, das noch heutigen Tages steht. Von da zogen die Ochsen nach Kaßbach, wo sie im Schatten einer Linde zum zweiten Male ausruhten. Dann aber eilten sie nach kurzer Rast, ohne dass jemand sie antrieb, nach Eben zu dem Rupertuskirchlein. Der Graf ließ auch zu Kaßbach ein Kirchlein erbauen. Nachdem die Leiche in das Rupertuskirchlein gebracht war, zogen die Ochsen mit dem leeren Wagen wieder ab. Alles Volk, das über den Inn gebracht worden war, pries Gott über diese wunderbare Leichenfeier. Der Leichnam der Seligen wurde vor dem Altare des Küchleins in die Erde gesenkt und ruhte lange Zeit an derselben Stelle.

Das bisherige Kirchlein wurde nun zum Chor einer großen Kirche, die man daran baute, verwendet, und die neue Kirche wurde vom Weihbischof Albert von Brixen im Jahre 1434 feierlich eingeweiht. Diese Kirche nannte man jetzt die St. Nothburga-Kirche.

Einundachtzig Jahre später (1515) hat Kaiser Maximilian I. mit dem Weihbischof Schroffenstein eine weitere Verschönerung der Kirche angeordnet. Der heilige Stuhl erlaubte, dass man in dieser Kirche das Fest der heiligen Notburga feierlich begehen dürfe. Später ist ihr Leichnam erhoben, kostbar gefasst und in stehender Stellung auf dem Altare ausgesetzt worden. Die vielen Wunder, welche daselbst auf die Fürbitte der seligen Dienerin Gottes geschahen, zogen immer mehrere Gläubige nach Eben und machten den Ort zu einem weit und breit berühmten Wallfahrtsort. (Bolland. Rader.)

Magnus Jocham, BAVARIA SANCTA. Leben der Heiligen und Seligen des Bayerlandes zur Belehrung und Erbauung für das christliche Volk. Zweiter Band, München 1862.
Matthäus Rader (* Anfang 1561 in Innichen, Südtirol; † 22. Dezember 1634 in München) war Jesuit, Philologe und Historiker.



Weitere Informationen zur Notburga von Rattenberg:

Die heilige Notburga, Helene Raff 1924. Bild!

Notburga, Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 350 Bild!

Die heilige Notburga, Deutsche Alpensagen. J. N. Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 83 Bild!

Die Heilige Notburga Bild!

St. Notburga, Sagen aus Tirol, Ignaz V. Zingerle 1891

Notburga, hl., Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 1932.

Weitere Darstellungen der Notburga Bild!




Darstellungen der Notburga von Rattenberg:


Notburga in Scheibbs

Notburga in der Pfarrkirche von Scheibbs in Niederösterreich.
Barockisierte Statue aus dem 20. Jh. von Bildhauer Josef Schagerl. Er stammte aus Peutenberg im Pfarrgebiet.
Bildquelle: SAGEN.at-Fotogalerie


Notburga in Katharinaberg, Südtirol

Notburga mit den Arbeitsgeräten, die Schutzpatronin der Mägde und Knechte.
Am barocken Hochaltar der Pfarrkirche zur hl. Katharina in Schnals.
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Notburgabrunnen, Georgenberg

Über dem Brunnen auf Georgenberg (Stans, Tirol) ist ein Bild der heiligen Notburga angebracht.
Bildquelle: SAGEN.at-Fotogalerie


Notburga, Hafnerberg-Nöstach, Niederösterreich

Gemälde von der Notburga in der Kirche Hafnerberg-Nöstach in Niederösterreich
Bildquelle: SAGEN.at-Fotogalerie


Fresko Notburga, Obernberg, Tirol

Fresko der hl, Notburga an einem landwirtschaftlichen Gebäude (Bauernhaus) in Obernberg, Obernbergtal, Bezirk Innsbruck, Tirol.
Die hl. Notburga wird in der ländlichen Kleidung einer Dienstmagd dargestellt. Brot, Kanne und Sichel auf die beiden bekanntesten Wunder. Sie ist Patronin der Dienstboten, der Bauern und der Armen.
Fresko datiert 1689.
Bildquelle: SAGEN.at-Fotogalerie


Notburga, Obtarrenz, Tirol

Fenster in der Kapelle zum hl. Johannes Nepomuk in Obtarrenz (Tirol)
Inschrift: "Hl. Notburga"
Bildquelle: SAGEN.at-Fotogalerie


Notburga, Eisenstadt, Burgenland

Eine Darstellung der Notburga vor dem Eingang zur Gnadenkapelle der Haydn-Kirche in Eisenstadt (Burgenland). Diese Kapelle war usprünglich der Hl.Kümmernis gewidmet, allerdings ist diese nirgends zu sehen. Dafür gibt's eben die Notburga.
Bildquelle: SAGEN.at-Fotogalerie



Weitere Darstellungen der Notburga Bild!


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