Eine Reise nach Tirol


© Bernhard Schilling 2007

Bericht der Fahrt mit dem Konvoi der Hoffnung e.V., April 2007, Teil 2:

Bocsa ist eine Kleinstadt mit etwa 19.000 Einwohnern, darunter etwa 2.000 Sinti, die in einem eigenen Stadtteil leben. Im Jahr 2000 hat die letzte noch aktive Fabrik für Metallverarbeitung geschlossen. Die Arbeitslosigkeit erreichte damals ihren Höchststand mit nahezu 100 %. Heute gibt es einige handwerkliche Betriebe, es werden Häuser gebaut oder renoviert. Für eine Stadt, deren Einwohner vormals als gelernte oder ungelernte Arbeiter in der Fabrik ihrer Erwerbstätigkeit nachgingen, ist dies allerdings keineswegs ausreichend.

Schwester Katharina fährt uns mit ihrem kleinen Auto die 18 km von Tirol nach Bocsa. Wir werden dort von Herrn Mircea Grecu, dem Leiter der Humanitas Bocsa, erwartet. Im Rahmen einer Besichtigung des Hauses stellt uns Herr Grecu die Arbeit des Vereins vor. Ein Arzt, der sich bereits in Rente befindet, hat ein kleines Behandlungszimmer, in dem Menschen ohne Krankenversicherung unentgeltlich behandelt werden können. Auch Medikamente werden hier ausgegeben. Die Medikamentenversorgung in Rumänien ist nicht kostenlos, es gibt Eigenanteile wie in Deutschland auch! Es gibt ein kleines Büro für Verwaltungsarbeiten oder auch zur Besprechung großer oder kleiner sozialer Probleme.

Über den Hinterhof gelangen wir zu einem weiteren Gebäude. Herr Grecu erklärt stolz, dass dieses Gebäude in Eigenleistung erstellt wurde. Im Erdgeschoß befindet sich die Kleiderkammer. Es gibt einen Lagerraum, in dem sich die Bananenkartons vom Konvoi der Hoffnung aus Oberhausen-Rheinhausen stapeln und auf Auspacken und Sortieren warten. In einem kleineren Raum davor, mit einfachen Holzregalen und Kleiderständern eingerichtet, erhalten Bedürftige gebrauchte Kleidungsstücke. Für die Kleidungsstücke muss man einen minimalen Betrag pro kg bezahlen, damit Missbrauch verhindert wird. Für die ganz Armen werden auch Kleidungsstücke kostenlos abgegeben, dies wird dann aber in einer Kartei registriert.

Über dem Lager und der Kleiderkammer ist ein großer Begegnungsraum mit einer kleinen Küchenzeile. Hier treffen sich nachmittags Schüler zum gemeinsamen Lernen und Spielen. Auch findet wöchentlich ein Gesprächsnachmittag für Sinti-Frauen statt. Auf diese Weise versuchen Herr Grecu und sein Team die Probleme kennen zu lernen und für Abhilfe zu sorgen. Auch findet so eine soziale Weiterentwicklung statt.

Jetzt folgt der Ausflug in den Stadtteil der Sinti. Herr Grecu fährt mit dem Kleinbus der Humanitas. Er ist dort bei vielen Kindern gut bekannt und wird herzlich begrüßt. Es gibt keine Wasserversorgung, Frischwasser bekommt man aus dem Brunnen, von denen einige am Straßenrand stehen. Etliche Häuser, die wir sehen, sind allerdings in einem Zustand, dass man nach EU-Normen darin noch nicht mal Tiere halten dürfte! Die Humanitas verfolgt dort zurzeit ein Projekt, mit dem Material für Dächer finanziert wird, damit es nicht ständig durchregnet und die Häuser letztendlich einstürzen. Auch wurden in der Schule mit Spendengeldern aus Österreich Toiletten eingebaut.

Gegen Mittag verabschieden wir uns von Herrn Grecu mit der Zusage, dass dieser Transport nicht der letzte gewesen sein wird. Es geht weiter mit Schwester Katharina zum „Haus der Straßenkinder“.

Das Gebäude gehört der Stadt Bocsa. Diese stellt auch eine Leiterin und eine Köchin zu Verfügung. Das Objekt macht einen sauberen Eindruck, wenn auch die Ausstattung erheblich zu wünschen übrig lässt. Hierher kommen täglich –auch in den Ferien!- ca. 70 Kinder bereits morgens gegen 7.00 Uhr und können, abgesehen von der Unterrichtszeit, bis zum frühen Abend bleiben. Alle erhalten mittags eine warme Mahlzeit mit Suppe, Hauptgericht und Dessert. Gekocht werden aber rund 100 Portionen, da es auch regelmäßig weitere Kinder gibt, die nur zum Essen herkommen und nachmittags nicht bleiben. Und das Kochen geschieht auf zwei alten Küchenherden in normaler Haushaltsgröße. Selbst das Geschirr wird ausschließlich von Hand in einem Mini-Spülbecken gespült. Gegessen wird in drei Schichten, da weder die Sitzplätze im Speisesaal ausreichen noch genügend Geschirr und Besteck vorhanden ist. Die ganze Küche hat eine Größe von rund 8 m². Und da backt die Köchin auch noch Kuchen für das Dessert. Tischwäsche, Küchentücher etc. werden von ihr mit nach Hause genommen zum Waschen. Sie hat aber keine Waschmaschine, das geschieht ebenfalls in Handarbeit! Die Finanzierung der Lebensmittel erfolgt ausschließlich aus Spenden.

Es sind Kinder aus schwierigsten sozialen Verhältnissen. Schwester Katharina erzählt uns, dass beispielsweise erst vor wenigen Wochen ein vierzehnjähriges Mädchen vor der Tür stand, dass von seinem Dorf 13 km zu Fuß gekommen ist. Es wurde dort über zwei Jahre von der eigenen Mutter zur Prostitution gezwungen, damit diese genügend Alkohol hatte. Das Mädchen wurde dann allerdings aus nahe liegenden Gründen in einem Heim in einer anderen Stadt untergebracht.

Arbeitslosigkeit, Alkohol, häusliche Gewalt usw. sind bei allen Kindern die Hintergründe, warum sie den Tag bzw. Nachmittag nicht zuhause verbringen können oder möchten. Sie erhalten so wenigstens eine ausreichende Mahlzeit am Tag und werden bei Hausarbeiten betreut. Ob sie überhaupt die Schulaufgaben machen dürften, wenn sie nach der Schule nach Hause gingen?

Nach dem Essen (Suppe, Sauerkrautwickel mit Polenta und einem kleinen Stück selbstgebackenen Kuchen) fährt uns Schwester Katharina wieder nach Tirol.

Hier machen wir noch einen kleinen Rundgang durch das Dorf. Es ist alles sehr ärmlich, die Leute leben von dem, was der eigene Garten hergibt. Arbeiten gehen kann man nicht, es sei denn, man bekommt für drei Monate eine Anstellung in Österreich oder Deutschland. Im Kindergarten, der noch von 30 Kindern besucht wird, fehlen Scheiben und die Fenster schließen nicht mehr. Auch hier gibt es keine Wasserleitung.

Schwester Katharina und ihre drei Mitschwestern versuchen alles, um mindestens den Kindern, die alle die Dorfschule besuchen, wenige Perspektiven zu eröffnen. So gibt es einen Schülerchor und eine Gitarrengruppe. Allerdings sind zuwenige Instrumente vorhanden. Auch sprechen die Kinder gut deutsch, da bis vor zwei Jahren in der Schule noch Deutsch unterrichtet wurde. Die wenigen deutschen Kinderbücher, die wir noch hatten, sind begehrt wie warme Semmel.

Am Abend wird dann noch die klostereigene Waschmaschine notdürftig repariert (das Modell ist mindestens 25 Jahre alt!), damit die Wäsche nicht mehr von Hand gewaschen werden muss.

So kommen wir auch hier nicht daran vorbei, unser Versprechen abzugeben, bestimmt wieder zu kommen. Am nächsten Morgen werden wir auf das Herzlichste verabschiedet. Dabei geht mir tagsüber dann ein Satz nicht mehr aus dem Sinn:
„Das mitgebrachte Waschpulver teilen wir in 1-kg-Pakete auf, damit alle Rentner ein Paket zu Weihnachten bekommen“….


Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirchplatz
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirche Hochaltar
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Jugendkapelle
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirche Königsgnad
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirche Marienaltar
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirche Marienbild
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirche Seitenaltar
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirche Seitenaltar
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirche Totenaltar
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirche Totentafel,
Weltkrieg 1939 - 1945:
Buma Heinrich (21), Bulei Heinrich (22), Burosch Andreas (24), Boden Nikolaus (22), Boden Michael (40), Belgram Julius (23), Belgram Franz (21), Crsta Jakob (33), Crsta Peter (21), Csapek Wenzel (29), Dobisch Andreas (33), Fuxa Johann (24), Festo Alexander (29), Franz Rudolf (25), Hlina Franz (32), Hlina Heinrich (22), Hlina Andreas (33), Hudetz Johann (34), Jermann Florian (22), Jermann Karl (18), Kiefer Josef (20), Kindich Jodef (31), Kiefer Stefan (30), Kiss Christian (28), Ketzenmacher Anton (20), Kradyel Franz (32), Laschosee Anton (34). Latzo Johann (24), Lissy Rudolf (34), Magoschin Anton (26), Mestrich Franz (21), Muselin Marian (21), Maier Johann (28), Oravetz Karl (39), Oswald Josef (21), Pollak Mathias (19), Ruzitzka Adalbert (22), Ruzitzka Walter (21), Schasch Johann (22), Stickl Josef (30), Schuscha Josef (35), Schodorf Konrad (21), Schneider Johann (20), Schneider Franz (29), Schmelzer Stefan (21), Schuster Nikolaus (30), Toma Peter (19), Toma Nikolaus (27), Wattmann Josef (36), Ziegler Heinrich (19), Ziegler Johann (18), Zittar Johann (24).

Arbeitsdienst 1945 - 1949:
Boden Josef (41), Becskei Ludwig (21), Csernohlavek Adam (31), Friedmann Josef (42), Kugler Heinrich (45), Koller Johann (31), Koller Johann (46), Mestrich Kornel (44), Mowatz Franz (41), Pribil Ludwig (40), Ruzitzka Richard (17), Sauer Alfred (42), Zwick Andreas (44).

Frauen und Mädchen:
Mali Maria geb. Kradyel (31), Gurka Anna (24), Zittar Katharina geb. Singer (21).

An unmittelbaren Folgen starben:
Dipold Michael (31), Psikula Mathias (42), Serbul Marian (40), Stickl Anton (34), Dr. Tribus Adalbert (50).

© Bernhard Schilling, 26. April 2007

Tirol, Rumänien © Bernhard Schilling April 2007

Tirol, Rumänien.
Kirchplatz
© Bernhard Schilling, 26. April 2007

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